Ein neuer Blick auf die weiße Moderne – Architekten unternehmen Studienreise ins Westjordanland
Vierzig Studierende und Lehrende der Fakultät Architektur und Urbanistik besuchten im April 2014 das Flüchtlingslager Dheisheh, unweit von Jerusalem. Die außergewöhnliche Studienreise wurde vom Internationalen Ideenfonds der Bauhaus-Universität Weimar finanziell unterstützt, der in diesem Jahr zum dritten und letzten Mal ausgeschüttet wurde. Den Studierenden ermöglichte die Fahrt beeindruckende Einblicke in Kultur und Konflikte der Region.
Der Besuch in Dheisheh war Teil einer Reise nach Israel, die von der Juniorprofessorin Dr. Ines Weizman und Dr. Norbert Korrek initiiert und geleitet wurde. Zehn Tage lang reisten die Studierenden aus Weimar von Tel Aviv nach Haifa, von dort nach Akko, dann nach Jerusalem. Von dort aus erreichten sie das Flüchtlingslager auf der anderen Seite der sich schlangenförmig, weit durch die Landschaft windenden Mauer. An jeder Station ihres Weges trafen sie Architekten, Architekturhistoriker, Theoretiker, Denkmalschützer und Aktivisten, die in Vorträgen, Spaziergängen und Café-Gesprächen den Studierenden Fragen zur sogenannten Bauhaus-Architektur in Israel, zur Bedeutung, Erhaltung und Konservierung der Bauten der Moderne, sowie zur Baupolitik Israels beantworteten.
Ideenfonds unterstützt Studienreise
Die Gelder für die Studienreise stellte der Internationale Ideenfonds der Bauhaus-Universität Weimar bereit. Über ihn wurden in den vergangenen Jahren mehr als 29 Projekte aller Fakultäten mit einer Summe von insgesamt 50.000 Euro gefördert. 2014 wurde für insgesamt 11 Projekte noch einmal eine Summe von 20.182 Euro bereitgestellt, unter anderem für Austauschprogramme, Vortragsreihen, Forschungsprojekte im Ausland und Studienreisen. Ins Leben gerufen worden war der Ideenfonds infolge des Titel-Gewinns »Internationale Hochschule«, der der Bauhaus-Universität Weimar 2011 durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst und den Stifterverband der deutschen Wissenschaft verliehen wurde.
Offene Gespräche mit den Menschen im Flüchtlingslager
Die Reise nach Israel wird die Studierenden noch lange beschäftigen, in ihrem Studium und in weiteren Projekten. »Der Austausch mit den Menschen, die in dem Flüchtlingslager leben, hat zu einem wichtigen Lernprozess beigetragen. Die Grenzüberschreitung und der Besuch des Lagers haben den Studierenden auch die andere Seite Israels gezeigt – und des Bauhauses«, so Weizman. In vorbereitenden Kursen hatten sich die Studierenden bereits mit der Geschichte Palästinas und Israels auseinandergesetzt und waren begeistert von den einmaligen Einblicken, die sie während der Führung durch das Flüchtlingslager und durch die offenen Gespräche erhielten. Sie hatten sich Dheisheh wie eine Art Zeltlager vorgestellt. Stattdessen fanden sie ein Flüchtlingslager, in Beton gegossen, wie eine kleine Stadt, nur ohne richtige Infrastruktur, dafür mit vielen unfertigen Häusern, Behelfsbauten und Graffitis.
Auseinandersetzung mit den vergessenen Architekten der Moderne
Für die Studierenden von Ines Weizman geht das Projekt um Israels Geschichte und Architektur nun in Weimar weiter: Nach ihrer Rückkehr setzen sie sich aktuell im Rahmen eines Projektes in Zusammenarbeit zwischen der Juniorprofessur Architekturtheorie und der Fakultät Medien mit den vergessenen Architekten der Moderne auseinander. Diese waren unter dem Hitlerregime oft gezwungen, Deutschland zu verlassen. Viele Architekten, darunter auch einige ‚Bauhäusler’, haben in Palästina ein neues Leben begonnen. Diese Biographien erforschen die Studierenden innerhalb des Projektes.
Eine weitere Zusammenarbeit mit den israelischen Partnern kann sich Weizman gut vorstellen: »Wir hoffen, dass sich bald die Gelegenheit ergibt, unsere herzlichen Gastgeber auf beiden Seiten der Mauer einmal nach Weimar einzuladen.«
Kontakt
Prof. (jun.) Dr. Ines Weizman
Geschwister-Scholl-Straße 8
99423 Weimar
Tel.: +49 (0) 36 43/58 31 39
E-Mail: ines.weizman[at]uni-weimar.de