»Nachdenken über Architektur und Experimentieren mit dem Entwurfsprozess«: Christina Köchling ist Juniorprofessorin für Bauentwurfslehre
Zum 1. August 2023 ist Christina Köchling auf die neu geschaffene Tenure-Track-Professur für Bauentwurfslehre an der Fakultät Architektur und Urbanistik berufen worden. Zunächst als Juniorprofessur auf sechs Jahre angelegt, geht die Stelle nach positiver Zwischenevaluation in eine Lebenszeitprofessur über. Die Professur ist eine von acht Tenure-Track-Professuren an der Bauhaus-Universität Weimar, die die Universität im Rahmen des Bund-Länder-Programms zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses einwerben konnte.
Christina Köchling, geboren 1979, ist ausgebildete Tischlerin. Ihr Architekturstudium an der Universität der Künste Berlin schloss sie 2008 mit Diplom ab. Anschließend arbeitete sie bis 2012 bei Christ & Gantenbein Architekten in Basel. Von 2012 bis 2014 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studio Krucker Bates an der TU München und ab 2016 bei Prof. Fioretti an der TU Berlin. Vor ihrer Berufung an die Bauhaus-Universität Weimar hatte sie eine einjährige Gastprofessur an der TU Dresden und eine zweijährige Gastprofessur an der BTU Cottbus inne. 2015 gründete sie gemeinsam mit ihren früheren Kommilitonen Christian Felgendreher und Johannes Olfs das Büro Felgendreher Olfs Köchling Architekten in Berlin.
Warum haben Sie sich für Weimar entschieden? Was interessiert Sie an der Bauhaus-Universität Weimar?
Die Fakultät Architektur und Urbanistik an der Bauhaus Universität Weimar ist gut und klein, das gefällt mir sehr. Die Qualität der Lehre und die Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrenden wird durch die studentischen Arbeitsplätze für jedes Entwurfsstudio und den schönen Campus, an dem man sich gern aufhält, sehr unterstützt. In unserem Berliner Büro arbeiten mehrere Architekten, die in Weimar studiert haben und durch eine solide und ernsthafte Ausbildung zum Handlungsschatz des Büros beitragen. Ich denke, das Arbeiten an der Bauhaus-Universität Weimar ist für mich inhaltlich, räumlich und kollegial eine tolle Umgebung zum Nachdenken über Architektur und Experimentieren mit dem Entwurfsprozess.
Welche Schwerpunkte in Forschung und Lehre haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen? Wie sehen Sie das Profil der Juniorprofessur?
Ich habe sechs Themen (für sechs Jahre) aus meiner alltäglichen Praxis benannt, die aktuell Entwurfs-Herausforderungen für Architekt*innen darstellen: Ästhetik der Technik, Recycling, Material vom Ort, additive Konstruktionen, sichtbares Tragwerk, Von allem Wenig. Mich interessiert sehr, wie sich diese Themen auf die Gestalt von heutigen Gebäuden auswirken. Die Themen haben Vorfahren in der Architekturgeschichte. Diese Architektur möchte ich aufdecken, in der Lehre als Referenz für die entwurfliche Auseinandersetzung nutzen und in der Forschung einzelne Gebäude davon vertieft betrachten. Es ist sehr interessant, wie sich über die Zeit das gleiche Entwurfsanliegen in der Gestaltgebung transformiert. Mir ist es wichtig, sowohl im Entwurf als auch im Forschungsseminar (ggf. Bauhausmodul) mit anderen Disziplinen zu kommunizieren und interagieren. Haustechniker*innen, Statiker*innen, Bauphysiker*innen, Ästhetiker*innen werden unsere Gäste und Mitforschenden sein. Wir wollen uns diese Fächer wieder aneignen, Geahntes auch fassen und verarbeiten können.
Die Tenure-Track-Juniorprofessur verstehe ich dabei als Möglichkeit für Architekten, sich – neben junger Selbständigkeit und Familie – inhaltlich zu fokussieren und sich an die Forderungen nach Forschung als Nichtwissenschaftler heranzutasten.
Wie werden Sie sich in ihrem ersten Semester in Weimar, im kommenden Wintersemester, in die Lehre einbringen?
Konkret biete ich im Wintersemester einen Entwurf zum Thema »Ästhetik der Technik« an. Grundlage für mein Interesse an dem Thema ist ein eigenes Projekt, bei dem wir die Haustechnik elementar inszeniert haben und die immer wiederkehrende Anforderung, in Wettbewerben lowtechnische Haustechnikkonzepte zu liefern. Ich denke, der Bezug zu den Elementen kann die Beziehung des Menschen mit der Natur erneuern oder verändern. Im Vorfeld zum Entwurf wird die Beschäftigung mit Häusern stehen, die mit den Elementen Wasser, Feuer, Luft, Erde lowtechnisch energetisch umgehen. Dabei werden die Studierenden die architektonisch atmosphärische Auswirkung auch in Modell und Film untersuchen. Von Interesse ist, inwiefern das Energiekonzept den Grundriss beeinflusst und wie der spezifische Ausdruck in der Architektur ist.
Welchen Herausforderungen müssen sich Architekt*innen heute in und Zukunft stellen?
Es gibt die Dringlichkeit, das Bauen wegen des Klimawandels umzudenken und zu verändern. Es ist sehr positiv, dass es um ein gemeinsames Ringen um neue Wege geht und das »Nicht genau wissen wie« den Diskurs ankurbelt. Die Auseinandersetzung mit dem Material und der Konstruktionsweise ist dabei wesentlich. Vielleicht bietet dies sogar die Möglichkeit, Formalität zu überwinden und wieder zu einfacheren und tieferen Werten in der Architektur zu gelangen. Unbedingt müssen Prioritäten für die konkrete Aufgabe abgewogen werden, so dass wir nicht bei normierten Lösungen ankommen, sondern Ortsspezifik und Universelles zusammenbringen. Zwar ist es auch wichtig auf der legislativen Ebene richtige Förderungen auf den Weg zu bringen, dennoch braucht es eine Offenheit und Handlungsspielraum für das Spezifische des jeweiligen Projektes, um Häuser hervorzubringen, die geliebt werden.
Webseite von Felgendreher Olfs Köchling Architekten
Weitere Informationen zum Tenure-Track-Verfahren an der Bauhaus-Universität Weimar