Neu an der Fakultät Medien: Dr. Maurice Jakesch auf W1-Professur mit Tenure Track für »Computational Social Science« berufen
Wie wird künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft verändern? Beeinflussen Algorithmen unsere Politik? Können digitale Technologien Vertrauen erschweren? Diesen Fragen geht Jun.-Prof. Dr. Maurice Jakesch nach, neu berufener Informatikprofessor an der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar. Seine Professur für Computational Social Science nutzt Computersysteme, um Erkenntnisse im Hinblick auf gesellschaftliche Fragestellungen zu gewinnen. Jakesch und sein Team werten große Datenmengen mit Methoden des maschinellen Lernens aus, führen Online-Experimente durch und testen selbst entwickelte KI-Prototypen. Ihr Ziel: Ein besseres Verständnis der Chancen und Risiken von Algorithmen und KI-Systemen. Im Interview beantwortet Maurice Jakesch die wichtigsten Fragen zur neu geschaffenen Professur und dem Forschungsfeld der Computational Social Science.
Wie wollen Sie das Profil der Professur ausgestalten und welche Themen liegen Ihnen am Herzen?
Die Computational Social Science ist ein junges interdisziplinäres Feld, das die Werkzeuge der Informatik mit Perspektiven aus Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaft, und Wirtschaft kombiniert. Die Fakultät Medien und die Bauhaus-Universität Weimar bieten hierfür ein ungemein spannendes Umfeld: Von intelligenten Informationssystemen über Mensch-Computer-Interaktion zu Medienwissenschaft und -management gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte für Kooperationen. Computational Social Science versteht sich hier als Schnittstellenprofessur, die über Fachgrenzen hinweg zukunftsrelevante Fragestellungen mitgestaltet und vorantreibt.
In diese interdisziplinäre Ausrichtung der Professur bringe ich zwei thematische Schwerpunkte ein, die mir am Herzen liegen: Das ist zum einen das Thema der Technikfolgenabschätzung. Da Algorithmen und KI-Systeme zunehmend integrale Bestandteil unseres Alltags werden, müssen wir verstehen, was ihr Wirken für unsere Gesellschaft bedeutet. Zum anderen werde ich mich mit der Frage beschäftigen, wie KI-Systeme kollektives Handeln unterstützen können. Um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten, werden Menschen besser global kooperieren müssen. Ich will erforschen, welchen Beitrag KI-Systeme dazu leisten können.
Welche Forschungsschwerpunkte haben Sie sich für die nächsten Jahre vorgenommen?
In den letzten Jahren gab es im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz drastische Fortschritte. Hinter OpenAI’s ChatGPT oder Google’s Gemini stehen technische Entwicklungen, die wir noch kaum verstehen. Doch Produkte dieser Entwicklungen werden in den kommenden Jahren zunehmend Teil unseres Lebens werden und werden die Art und Weise, wie wir kommunizieren und handeln verändern. Bereits beim Schreiben dieses Textes könnte ich mir von KI-basierten Tools Themen vorschlagen oder meinen Schreibstil optimieren lassen – um Zeit zu sparen oder um überzeugender zu klingen. Und wenn Sie über Suchmaschinen oder einen Feed zu diesem Artikel gelangt sind, sind es Algorithmen, die Sie hierhergeführt haben.
KI-Systeme werden so ein zunehmend aktiver Teil unserer täglichen Kommunikation, und hier setzt meine Forschung für die nächsten Jahre an: Was passiert — und was kann schiefgehen — wenn KI-Systeme unsere Kommunikation und Handeln verändern? Ich habe etwa gezeigt, dass Texte, die Menschen mithilfe eines KI-Schreibassistenten formulieren, ein gutes Stück weit die „Meinung“ und Ideen der KI übernehmen. In unseren Experimenten änderte ein KI-Schreibassistent nicht nur, was Studienteilnehmer schrieben; wenn wir Teilnehmer nach Abschluss nach ihren persönlichen Meinungen fragten, waren auch diese von der KI beeinflusst.
An solchen Schnittstellen von Mensch, Maschine, und Kultur gibt es viele spannende und dringliche Fragen, denen ich nachgehen möchte. Dabei ist es mir wichtig, dass meine Forschung einen Bezug zu den gesellschaftlichen Debatten unserer Zeit herstellt und diese wissenschaftlich begleitet. Eben genannte Studie etwa wurde im U.S. Senat zitiert und im Wall Street Journal referiert. Ich möchte Wege finden, mit meiner Forschung auch in Weimar und Europa einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.
Worauf können sich Studierende in ihren Veranstaltungen freuen?
Auf aktuelle Themen mit gesellschaftlicher Relevanz, die wir mit den Werkzeugen der Informatik und Perspektiven benachbarter Disziplinen erarbeiten. In meiner Lehre lege ich Wert auf erfahrungsorientiertes Lernen, transdisziplinäre Diskussionen, und eine klare Anbindung an die Forschungstätigkeit der Professur. Im laufenden Semester biete ich etwa ein Projekt an, in dem Studierende Experimente entwerfen, um Risiken von generativer KI zu verstehen. Dabei wird die praktische Arbeit am Projekt zum Ausgangspunkt für Auseinandersetzungen mit psychologischen, politischen, aber auch ökonomischen Fragen. Gleichzeitig vertiefen Studierende ihre Kompetenzen in Programmierung, maschinellem Lernen und wissenschaftlichem Arbeiten.
Ich bin überzeugt, dass sozialwissenschaftlich versierte Informatikerinnen und Medienwissenschaftler mit technischem Verständnis einen ganz besonderen Beitrag zu den Entwicklungen unserer Zeit leisten können. Je weiter wir Digitaltechnologie in unser Leben integrieren, desto dringender braucht es interdisziplinäre Spezialist*innen, die technische Entwicklungen nicht nur vorantreiben, sondern auch gesellschaftlich reflektieren und gestalten. Hier möchte ich mit meinen Veranstaltungen ansetzen.
Was ist für Sie »Bauhaus«?
Experimentierfreude, gelebte Interdisziplinarität und ein Gestaltungswille, der auf die Fragen unserer Zeit antwortet.
Zur Person:
Maurice Jakesch hat Elektrotechnik an der ETH Zürich, Informationstechnologien an der Hong Kong University of Science and Technology, Technikphilosophie an der TU München und Information Science an der Cornell University studiert. Promoviert wurde er an der Cornell University zur »Bewertung von Auswirkungen und Risiken großer Sprachmodelle«. Dort legte er den Grundstein für seine heutige Forschung, die in hochrangigen Fachzeitschriften veröffentlicht und in internationalen Medien und Politik referiert wurde. Jakesch war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie Fellow der Cornell Digital Life Initiative und hat wissenschaftliche Stationen am MIT, Harvard und am Leibniz-Institut absolviert. Er hat bei mehreren Startups, Microsoft, GE, Facebook und der Boston Consulting Group innovative Digitalprojekte umgesetzt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Website der Professur: https://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/medieninformatik/computational-social-science/
Die Professur Computational Social Science ist eine von drei an der Bauhaus-Universität Weimar geförderten W1 Professuren mit Tenure Track aus dem Programm »PROF-IT 25« zur Unterstützung der Digitalisierung im Hochschulbereich des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft.