Auf Spurensuche: Weimarer Bauphysiker helfen bei der Aufklärung eines Tötungsdeliktes
Vor vier Wochen erreichte die Bauhaus-Universität Weimar eine ungewöhnliche Anfrage: Der bekannte Fallanalytiker Axel Petermann bat um Unterstützung bei der Erstellung eines forensischen Gutachtens. Konkret geht es um die Frage: Können DNA-Spuren beim Sprechen oder Atmen über die Luft übertragen werden? Hinweise erhofft sich Petermann durch ein Experiment im Schlierenlabor der Professur Bauphysik.
Eigentlich wird das Schlierenverfahren an der Bauhaus-Universität Weimar zur Messung und Visualisierung von Raumluftströmungen in Innenräumen eingesetzt. Doch seit Veröffentlichung eines Videos zur Coronavirus-Prävention ist alles anders: Täglich erreichen Prof. Dr.-Ing. Conrad Völker und M.Sc. Amayu Wakoya Gena etliche Anfragen zur Visualisierung von Atemluft. Neben vielen medizinischen Fragestellungen stach die Bitte von Profiler Axel Petermann besonders hervor: Er strebe die Wiederaufnahme eines Gerichtsverfahrens an und benötige hierfür Unterstützung von den Weimarer Experten.
Gesagt, getan. Am 14. Mai wurde das Experiment im Schlierenlabor der Professur Bauphysik durchgeführt. Nachgestellt wurde die Fundsituation einer Leiche, bei der möglicherweise DNA des Tatverdächtigen auf das Opfer übertragen wurde. Um den Vorgang möglichst detailgetreu zu rekonstruieren, ließ Petermann vorab eine 3D-Simulation der Fundsituation am Tatort von der Hochschule Mittweida erstellen. Darauf aufbauend, wurde die Szenerie vor dem Schlierenspiegel wiederholt. Als Proband diente das thermische Manikin Feelix, eine menschenähnliche High-Tech-Puppe, die zu vielfältigen Untersuchungszwecken an der Professur Bauphysik eingesetzt wird. Ausgestattet mit einer Perücke, Blazer und Anzugshose simulierte Feelix erstmals eine Tote, die regungslos auf dem Bauch liegt.
Petermann selbst imitierte die Fundsituation am Tatort: Er beugte sich hinunter und zitierte Sätze aus den Protokollen. Was für das menschliche Auge dabei normalerweise verborgen bleibt, tritt vor dem Schlierenspiegel zu Tage: Zu sehen ist Petermanns Gestalt, umgeben von Konvektionsströmungen, verursacht durch die menschliche Wärmeabgabe. Vor Mund und Nase kommt es zu turbulenten Luftströmungen, die je nach Intensität des Atmens oder Sprechens unterschiedlich weit in den Raum reichen. Könnte es dabei zur DNA-Übertragung über die Atemluft bzw. den Sprühspeichel des Tatverdächtigen auf die Leiche gekommen sein? Dies soll ein Gutachten in Zusammenarbeit mit Prof. Brinkmann, Institut für forensische Genetik in Münster, und Prof. Baretto vom Max-Planck-Institut in Bad Nauheim, klären.
Der Profiler
Dokumentiert wird der Fall von einem Fernsehteam des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, welches voraussichtlich im Sommer 2020 eine Reportage zu Petermanns Fall-Analyse veröffentlichen wird. Bis 2014 war Bestsellerautor Axel Petermann als Kriminalkommissar und Fallanalytiker (Profiler) im Polizeipräsidium Bremen tätig. Seit seiner Pensionierung arbeitet er im Auftrag von Anwälten und Angehörigen in Fällen des ungeklärten Todes. Dabei unterstützt er u.a. auch Verurteilte in Wiederaufnahmefällen mit Recherchen und seinem kriminalistischen Wissen.
Über das Schlierenverfahren
Das Schlierenverfahren ist eine Methode zur Visualisierung und Messung von Raumluftströmungen. Bei diesem Verfahren werden Schwankungen des Brechungsindexes der Luft visualisiert, wodurch beispielsweise thermische Konvektionsbewegungen sichtbar gemacht werden können. Im Wesentlichen besteht das System aus einem Spiegel mit der Präzision eines astronomischen Teleskops, einer Lichtquelle sowie einer hochauflösenden Kamera.
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Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Conrad Völker (Schlierenspiegel)
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Bauingenieurwesen
Professur Bauphysik
Tel.: +49 (0) 36 43 / 58 47 01
E-Mail: conrad.voelker[at]uni-weimar.de