Der Weg ins Semester #1 – »Das digitale Sommersemester 2020«
Eigentlich hätte in diesen ersten Apriltagen das Sommersemester starten sollen. Statt Studierendengruppen, die sich im Bauhaus.Atelier ihren ersten gemeinsamen Kaffee in der Sonne gönnen, sieht man momentan nur eine einzelne, recht verloren wirkende Taube auf dem Hof der Universitätsbibliothek hin- und hertrippeln. Menschenleerer Campus statt eines mit Veranstaltungen und Projekten gefüllten Sommersemesters? Weit gefehlt, die Universität und ihre Fakultäten arbeiten mit großer Energie daran, das Semester vorzubereiten, vielfach aus dem Home-Office. Das Semester wird auf jeden Fall stattfinden – jedoch unter sehr besonderen Bedingungen.
Kaum drei Wochen ist es her, dass die Stadt Weimar am 13. März auf Grund des sich ausbreitenden Coronavirus eine Allgemeinverfügung erließ, nach der die Bauhaus-Universität Weimar für Lehrveranstaltungen geschlossen wurde. Noch am selben Tag verschoben die Präsidenten der Thüringer Hochschulen den Start des Sommersemesters 2020 in den Mai. Doch wann und in welcher Form Präsenzveranstaltungen wieder wahrgenommen werden können, ist bisher nicht abzusehen.
Prof. Dr. Winfried Speitkamp, Präsident der Bauhaus-Universität Weimar, spricht sich ausdrücklich dafür aus, das Semester stattfinden zu lassen und zwar anders und dafür besonders kreativ: »Wir bemühen uns gerade mit aller Kraft darum, auf den Neustart der Universität am Ende der Krisenzeit hinzuarbeiten« und: »Es wird neu, es wird herausfordernd, aber es kann gut werden.«
Alle Kraft für den digitalen Start
Quer durch alle Fakultäten organisieren Professorinnen und Professoren mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Lehrveranstaltungen mit den geplanten Inhalten, aber eben digitalen Tools und Mitteln. Die »Arbeitsgruppe Studium.Digital« koordiniert die Aktivitäten innerhalb der Universität.
Prof. Dr. Christian Koch, seit April Vizepräsident für Studium und Lehre berichtet: »Wir wollen am 4. Mai starten, vorerst digital, aber wirklich starten. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die notwendige Hard- und Software bereitzustellen und die Lehrenden zu schulen, damit es Anfang Mai losgehen kann. Zudem müssen wir mit den Studierenden klären, ob und inwieweit ihnen privat Hard- und Software sowie ein Internetzugang zur Verfügung stehen.«
Das digitale Lehren und Lernen ist an der Bauhaus-Universität Weimar auf unterschiedliche Art und Weise möglich. Gemeinsamer Startpunkt für die meisten Anwendungen ist das zentrale Lernmanagementsystem Moodle. Vizepräsidentin Prof. Dr. Jutta Emes erläutert: »Mit Moodle lassen sich verschiedene Kursformate und Prozesse organisieren, angefangen bei der Kurseinschreibung und Terminvereinbarung, aber auch, um Materialien bereitzustellen und Dateien auszutauschen. So können Studierende und Lehrende eines Kurses beispielsweise gemeinsam Wiki-Seiten oder Blogs erstellen und darin gleichzeitig Material aus dem Semesterapparat der Universitätsbibliothek einbinden.«
Das Studieren wird also sehr anders aussehen in den kommenden Wochen und Monaten und bedeutet zugleich für alle Beteiligten eine große Umstellung. »Natürlich kann man das physische Arbeiten in Werkstätten, bei Workshops und Exkursionen nicht einfach durch digitale Formate ersetzen. Hier müssen wir alle komplett neu denken«, beschreibt Prof. Koch den Ausgangspunkt.
Viele verschiedene Fächer fordern viele kreative Lösungen
Doch wie geschieht die Erstellung digitaler Lehrformate konkret? Bedingt durch die Fächerkulturen müssen die Herangehensweisen naturgemäß unterschiedlich sein, Seminare der Medienwissenschaftlerinnen und Medienwissenschaftler sind sicher einfacher digital abzuhalten als Gruppenarbeiten und Konsultationen mit mehreren Architektinnen und Architekten vor Modellen.
»Hier ist vor allem die Kreativität der Lehrenden gefragt, die für die Umstellung umfangreiche Beratung und Hilfestellungen von der Universitätsentwicklung erhalten – sowohl für die technische Umsetzung als auch im Hinblick auf die didaktische Gestaltung der Lehrangebote«, so Prof. Emes. Analoge Formate werden dabei nicht eins zu eins ins Digitale übersetzt, sondern Vorlesungen beispielsweise in kleinere Einheiten aufgeteilt. Der »Flipped-Classroom« bietet etwa die Möglichkeit, Aufgaben an Studierende herauszugeben. Danach bearbeiten diese die Aufgaben allein oder in Gruppen, um sich grundsätzliches neues Wissen anzueignen. Erst dann findet der erneute Kontakt mit den Lehrenden statt, und zwar in Form einer Frage-Antwort-Runde, in der das bereits Erlernte vertieft wird, Probleme gelöst und weitere Denkanstöße gegeben werden.
Die virtuelle Begegnung ermöglichen
Dies klingt bereits sehr konkret, doch die digitalen Inhalte vorzubereiten ist für die Lehrenden zeitlich aufwändig. Bei vielen Detailfragen unterstützt sie das eLab. Unter anderem hat das eLab auf der Seite https://www.uni-weimar.de/de/universitaet/studium/digital-studieren eine »Digital Toolbox« zusammengestellt, die alle vorhandenen digitalen Werkzeuge vorstellt und kurze Erklärvideos bereithält, etwa zu Moodle oder dem Konferenztool BigBlueButton. Auch studentische eTutoren, die im Umgang mit den Anwendungen geschult sind, helfen Lehrenden bei den Vorbereitungen auf das Semester.
Gerade die Begegnung zwischen Lernenden und Lehrenden ist für reibungsloses Studieren wichtig, daher haben digitale Räume eine große Bedeutung. Hierfür kann auch der DFNconf-Pexip-Service genutzt werden, der das kollaborative Lehren und Lernen unterstützt und synchrones sowie asynchrones Arbeiten ermöglicht, insbesondere Online-Vorlesungen und Online-Seminare mit den so wichtigen Interaktionen und Feedbackschleifen.
Die Krise als Chance begreifen
Doch nicht nur die Tools in der Lehre sollen neue sein im kommenden Semester. Präsident Speitkamp wünscht sich: »Ein Semester während und nach der Krise kann nicht so tun, als sei nichts gewesen. Die Krise stellt unsere Gewissheiten in Frage und wir müssen neue Fragen stellen.« Die Universität hat deshalb eine Sonderausschreibung im Rahmen der Bauhaus.Module ins Leben gerufen, die Projekte unterstützt, die sich mit der aktuellen gesellschaftlichen Situation auseinandersetzen. Die Universitätsleitung will damit ausdrücklich dazu ermutigen, vor dem Hintergrund der Krise neue Themen aufzurufen.
So initiiert Prof. Nathalie Singer, Professorin für Experimentelles Radio und ehemalige Vizepräsidentin für Studium und Lehre, zusammen mit dem studentischen Radio bauhaus.fm ein Radioprogramm, das aus der Zukunft heraus auf die Gegenwart schaut: »Shift.fm – das Remote Radio«. Aus der Perspektive des Sommers 2021 wollen Studierende unterschiedlicher Disziplinen auf die aktuelle Krisensituation blicken und utopische oder dystopische Reflexionen anstellen: Was hat sich in der Krisensituation verändert? Was wollen wir in der Gesellschaft davon behalten und was nicht? Dabei hinterfragen sie zum einen die Kulturtechniken des Radios, da es »aus der Ferne« produziert werden muss. Eine Diskussionsrunde muss an unterschiedlichen Orten gleichzeitig stattfinden oder das experimentelle Konzert aufgenommen werden, ohne dass Musiker sich begegnen. Vielleicht entstehen daraus sogar ästhetische Chancen.
Zum anderen blicken die Studierenden interdisziplinär auf das Jetzt und beziehen Studierende aus der Medienphilosophie oder der Biologie in die Programmgestaltung ein. »Das Ziel ist es, ein künstlerisches Radio zu erschaffen, das die rasant veränderte Gegenwart künstlerisch-inhaltlich reflektiert. Und dem Einzelnen die Möglichkeit gibt, sich darin wiederzufinden«, erklärt Prof. Singer. Senden soll »Shift.fm – das Remote Radio« ab Mitte Juni bis in den Juli hinein.
Die Bauhaus-Universität Weimar und das digitale Semester – vieles wird sich ab Mai in der Lehre neu gestalten, doch zukunftsgewandte Themen sowie der experimentelle Charakter werden eine unverändert große Rolle spielen. Weitere Formate und Projekte für das Sommersemester 2020 sowie deren Entstehung begleiten wir in den nächsten Teilen dieser Artikelreihe.
Kontakt und Redaktion:
Claudia Weinreich und Miriam Rebsamen // presse@uni-weimar.de