Vom Traum zum Projekt: der Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar
Wer sehnt sich an heißen Tagen nicht nach einem Sprung ins kühle Wasser? Wo kein Meer oder See erreichbar sind, ist das Freibad der erfrischende Anziehungspunkt. Immer öfter heißt es aber: Die Heizkosten sind zu teuer, der Betrieb unwirtschaftlich. So erging es auch dem Ort Rippershausen, gelegen zwischen den grünen Höhen des Thüringer Waldes und der Rhön. Der Verein Schwimmbadfreunde übernahm dort 2011 das kommunale Freibad, suchte nach neuen Ideen. Studierende der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar entwickelten mehrere Vorschläge. Seit einigen Wochen steht der erste Teil eines überdachten Wandelgangs aus Holz, eine sogenannte Kolonnade. So soll das Bad zu einem ganzjährigen Treffpunkt werden.
Folge 3: Gemeinsam bauen, gemeinsam unter einem Dach – Kolonnade für das Freibad Rippershausen
Ein Schwimmbad ist mehr als ein Ort, um Bahnen im Becken zu ziehen: Es ist einer für Begegnungen von Alt und Jung, von Einheimischen und Gästen. Einer für Mutproben beim Sprung vom Dreimeter-Brett. Einer, der nach Sonnencreme und Chlor riecht und nach kreischenden Kindern oder Bauchklatschern klingt. Einer, bei dem die Kinder aus umliegenden Ortschaften noch selbst mit dem Fahrrad ins Freibad fahren können, um dort unbeschwerte Ferientage zu verbringen oder die Seepferdchen-Prüfung abzulegen. Steffen de Rudder, Professor für Städtebau, betont: »Freibäder sind nicht nur Badespaß und Sommervergnügen, sie sind herausragende Orte des Gemeinwesens«. Doch solche Orte werden rar angesichts leerer öffentlicher Kassen und rasant gestiegener Energiepreise.
In Rippershausen versuchen Engagierte dies aufzufangen. 2011 hieß es, die Kommune müsse das Freibad schließen. Eine Bürgerinitiative wollte das nicht hinnehmen, es entstand ein Trägerverein, der sich seitdem um das 1971 errichtete Schwimmbad kümmert. Das himmelblaue Becken liegt einige Meter von der Dorfstraße abgerückt in einer offenen Wiese. Eine kleine Imbissbude, eine Umkleide und ein langgezogenes Gebäude für Technik, Lager, Sanitär sowie Badeaufsicht gehören ebenso dazu. Ehrenamtliche betonierten in diesem Jahr sogar das Becken neu. Sie organisieren alljährlich Konzerte, Turniere und den von dem aus Rippershausen stammenden Musiker Gunther Irmer ins Leben gerufene Kulturbiergarten.
Wäre noch mehr möglich? Wie könnte das Kleinod zu einem Treffpunkt außerhalb des Sommers werden? Und vor allem — woher ließe sich das nötige Geld beschaffen? Um Lösungen zu finden, entstand 2021 eine Kooperation des Vereins Schwimmbadfreunde Rippershausen mit dem Lehrstuhl Städtebau der Bauhaus-Universität Weimar an der Fakultät Architektur und Urbanistik. Studierende entwickelten mit Prof. Dr. Steffen de Rudder Vorschläge und fertigten Skizzen an, wie das Bad aussehen könnte. Wie wäre eine Jugendherberge direkt an das Wasser angrenzend? Ein Naturbad ohne Chlor? Oder eine lange Kolonnade, die vor Regen und Schnee schützt und gleichzeitig die Verbindung des Beckens zum Eingang herstellt?
Während des Kulturbiergartens im Juli 2021 konnten auch die Rippershäuser drei Varianten zum ersten Mal betrachten. Es gab rege Rückmeldung – Lob, Kritik und zusätzliche Wünsche wie mehr Sitzmöglichkeiten, eine Kinderrutsche oder eine Boule-Spielfläche. Später hingen die Vorschläge auf Bannern sechs Wochen im Ort lang aus. Im Oktober 2021 fiel die Entscheidung nach einer letzten Diskussion mit der Dorfgemeinschaft. Der Kolonnaden-Entwurf von den Studierenden Simon Fischer und Gerrit Müller-Scheeßel, deren Abschlussarbeit das Projekt war, erhielt die Mehrheit.
Mit dem neuen Semester übernahm die Juniorprofessur für Konstruktives Entwerfen und Erproben von Dr. Stephan Schütz, seine Kollegin Kassandra Löffler und sein Kollege Julius Tischler sowie eine neue Gruppe von 18 Studierenden die weiteren Arbeiten. Die Herausforderung: Der überdachte Teil soll später 60 lange Meter messen. Wegen des knappen Budgets sollen Ehrenamtliche die Kolonnade aus gemeindeeigenem Holz nach und nach selbst errichten können. Daher war die Aufgabe für die Studierenden, eine gut verständliche und einfach zu bauende Konstruktion zu entwerfen, die mit wenigen Werkstoffen außer Holz auskommt. Und stabil sollte das Ganze natürlich dennoch sein.
Wieder arbeiteten die Studierenden in kleinen Gruppen, erneut gab es drei Varianten zur Wahl. Diese hingen an den Wänden des leeren Schwimmbeckens in Rippershausen aus, das gerade saniert wurde. »Es war ein warmer Frühlingstag«, erinnert sich der Student Nico Schmitt. Der Entwurf seines Teams fand schließlich eine Mehrheit: Sie schlugen Module aus verschraubten Hölzern von acht mal acht Zentimetern vor. Die Teile lassen sich vorab zuschneiden und die Löcher vorbohren, sodass der Aufbau leichter wird.
Klingt einfach und hat dennoch Tücken, verrät Schmitt. »Die Windgeschwindigkeiten sind nicht zu unterschätzen.« Bei der Statik half Kevin Orlamünder, der bereits einen Master in Bauingenieurwesen absolviert hat. Ihren Plan, alles nur mit Muskelkraft zu bauen, mussten die Studierenden überdenken. »Zu kräfteraubend. Bei den Montagearbeiten half uns ein Teleskopstapler, der die größten Bauteile mühelos in die Höhe hob«, erklärt Schmitt.
Die Ideen brauchten aber noch Geld, um Wirklichkeit zu werden. Prof. Schütz stellte einen erfolgreichen Antrag beim Kreativfonds der Universität. »Ziel war, so viel Kolonnade wie möglich zu bauen für das Budget. Den Auftakt bildet eine Überdachung, unter der musiziert, gegrillt oder einfach nur regengeschützt gewartet werden kann.« Ein Statiker berechnete die Entwürfe, die Kommune erteilte rasch die Baugenehmigung.
Die erste Hälfe entstand zunächst auf dem Campus als Teil der summaery, der Jahresschau der Bauhaus-Universität Weimar. Die knappen Baustoffe machten den Studierenden dabei zu schaffen. Es war kein Wellblech für das Dach verfügbar, die gewünschten Schrauben nicht erhältlich. Eine weiße textile Membran musste übergangsweise als Abdeckung dienen. Die Premiere bei der summaery glückte. Zeit, den Erfolg zu genießen, hatte die Gruppe aus deutschen und internationalen Studierenden allerdings nicht. Schon am Abschlussabend mieteten sie den Lastwagen zum Abtransport nach Rippershausen.
Dort angekommen, schlugen sie ihre Zelte auf und machten sich an die schweißtreibende Arbeit bei hochsommerlichen Temperaturen bis in die Nacht. Bohren, sägen, feine wie grobe Arbeiten, alle testeten für sich aus, was ihnen lag. Gegen die Hitze half ein Sprung ins frische Quellwasser des Beckens. Zumal die Muskeln von der ungeübten Arbeit schmerzten. All das hält Prof. Schütz für zentral: »Eine wichtige Erfahrung war, handwerkliche Prozesse auf einer Baustelle kennenzulernen und durchzuführen.« Auf diese Weise wachse das Verständnis für diejenigen, die später im Berufsleben ihre Entwürfe umsetzen müssten. Dazu komme die Erfahrung der Gemeinschaft: Handwerker aus Rippershausen unterstützten sie und die Dorfgemeinschaft sorgte für Essen und Trinken.
Dann war es geschafft, doppelt so schnell wie kalkuliert. Die 15 Meter lange hölzerne Kolonnade erhebt sich am Eingang des Bades. Der Bau füge sich gut in die Landschaft und den Ort ein, findet Schmitt. Die Hölzer sind mit einer Leinöllasur gestrichen, teils mit roten Pigmenten, die das Fachwerk der Region aufnehmen. Mittlerweile hat Wellblech die Membran ersetzt. Der Kulturbiergarten konnte wie erhofft die Kolonnade einweihen.
Zum Schluss übergaben die Studierenden ein Handbuch mit detaillierten Plänen für den Weiterbau, die Hinweise auf jeden Knotenpunkt und jede Schraube enthalten. So, dass es eines Tages weitergehen kann vom Traum zum Bau. Was bleibt? Prof. Schütz ist eines wichtig: »Dass unser Impuls nicht verebbt.« Dem schließt sich Schmitt an: »Ich hoffe sehr, dass es weitergeht.« Auch an der Bauhaus-Universität Weimar könne das Projekt im Sommersemester 2023 eine Fortsetzung finden. Um noch mehr Ideen für das Freibad Rippershausen Wirklichkeit werden zu lassen.
Zum Kreativfonds der Bauhaus-Universität Weimar
Einen Kurzfilm drehen, eine Installation realisieren oder ein Kunstprojekt gestalten – wer kreativ ist, dem kommen immer wieder spannende Ideen. Doch was tun, wenn das Geld dafür fehlt? Seit beinahe 15 Jahren heißt eine Antwort der Bauhaus-Universität Weimar: Die Bewerbung beim Kreativfonds lohnt! Professor*innen, akademische Mitarbeiter*innen, Promovierende und Studierende aller Fakultäten können sich zweimal pro Jahr auf eine Förderung bewerben.
Was wird gefördert?
Künstlerisch-gestalterische Projekte ohne vorgegebene Formate: Entscheidend sind die innovative Idee und ein realistischer Plan sie zu verwirklichen. Die Fördermodalitäten und weitere Informationen finden Sie in der Richtlinie und den FAQ.
Alle Informationen zum Fonds:
Projekte aus 10 Jahren Kreativfonds:
Für Rückfragen zum Kreativfonds steht Ihnen Kristina Hellmann, Dezernat Forschung, gern telefonisch unter Tel.: +49 (0) 36 43 / 58 25 39 sowie per E-Mail unter kristina.hellmann[at]uni-weimar.de zur Verfügung.
Für Rückfragen zum Artikel können Sie sich gern an die Wissenschaftsredakteurin Dr. Stefanie Waske wenden, per E-Mail unter stefanie.waske[at]uni-weimar.de oder telefonisch unter +49 (0) 36 43 / 58 11 24.
Weitere Informationen:
Schwimmbadfreunde Rippershausen
Freibad Rippershausen: Wir lassen das Becken im Dorf