Der Weg ins Semester #6 – Experiment Bauhaus: Ein »Semester Remote«?
»Remote Work« ist in der Medienbranche ein weit verbreitetes und viel erforschtes Phänomen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interessieren sich für unterschiedliche Aspekte dieser neuen Arbeitsform: Wie verändern Medien unsere Lebens- und Arbeitswelt? Welche Konsequenzen ergeben sich für Unternehmen, wenn digitale Nomaden mithilfe moderner Technologien weitestgehend orts- und zeitunabhängig ihrem Job nachgehen?
Mit dem digitalen Semester wird die Bauhaus-Universität Weimar selbst zum Labor für neues Arbeiten: Die Lehrenden der Fakultät Medien haben die letzten Wochen intensiv genutzt, die geplanten Vorlesungen und Seminare in digitale Formate zu übertragen, um das »Studium Remote« zu ermöglichen.
»Wegen Social Distancing Inhalte und Kompetenzen ausschließlich auf digitalem Weg zu vermitteln, hat auch für uns als Lehrende experimentellen Charakter. Spannend ist es, wie unterschiedlich die Kolleginnen und Kollegen aus den Fachbereichen Medienwissenschaft, Medieninformatik und Medienmanagement das digitale Semester angehen«, erläutert Prof. Dr. Henning Schmidgen, Dekan der Fakultät Medien und Professor für die Theorie medialer Welten.
Shift happens: Mit dem Radio zurück in die Zukunft
Unter dem Titel »Shift.fm – Das Remote Programm der Bauhaus-Universität Weimar« haben Prof. Nathalie Singer, Fakultät Kunst und Gestaltung, und Prof. Dr. Christiane Voss, Fakultät Medien, ein interdisziplinäres Radioprojekt initiiert: Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen werden ein Semester lang aus der Zukunft die Herausforderungen der Gegenwart – so auch die Corona-Krise – denken und auditiv bearbeiten: Wie blickt man im Jahr 2025 auf das Sommersemester 2020 zurück? Welcher gesellschaftliche Wandel hat sich vollzogen? Wie haben sich Einstellungen und Verhalten der Subjekte verändert?
Mit digitalen Input-Veranstaltungen, Tutorials und Übungen in moodle vermitteln externe Lehrbeauftragte sowie Dozierende der Bauhaus-Universität Weimar das technische Knowhow des Radiomachens und unterstützen die studentischen Teams beim konzeptionellen Aufbau ihrer eigenen fiktionalen Radiodokumentation aus der Zukunft. Die Lektüre von Texten bildet die Grundlage, mit der Hörbeiträge erarbeitet werden, die zurückblickend fragen, was sich in der Gegenwart epistemisch, ästhetisch und politisch verändert hat. Dabei soll es auch um die veränderte Kulturtechnik des Radios gehen und um neue, daraus resultierende Ästhetiken: Wie lassen sich Podcast und Radiokunst im Home-Studio realisieren oder Audio-Walks auf Google Street View? Wie können Jam-Sessions mit Musikerinnen und Musikern über Video-Chats vermittelt werden?
Mithilfe zahlreicher Praxispartner, wie usmaradio.org und dem Museum für Kommunikation Berlin, soll am Ende des Sommersemesters ein gemeinsam erarbeitetes mehrwöchiges Radioprogramm stehen, das die sich rapide verändernde Gegenwart künstlerisch-inhaltlich und multiperspektivisch reflektiert. Gesendet wird auf bauhaus.fm (im Stream) und zeitweise auf Radio Lotte (auf der Frequenz 106,6 kHz). »Nicht zuletzt soll shift.fm – das Remote Radio in Zeiten der physischen Isolation eine gemeinsame Kommunikations- und Austauschplattform für die Aktivitäten des Campus bieten«, unterstreicht Prof. Singer die Intention des Projektes.
Die digitale Reorganisation universitärer Lehre
Die gegenwärtige Krise beschleunigt den ohnehin stattfindenden Medienwandel und wirft neue Fragen nach der Innovationsfähigkeit von Medienunternehmen und der damit verbundenen veränderten Mediennutzung auf. »Das Sommersemester 2020 bietet aus meiner Sicht einen geeigneten Rahmen, um den nun umso rasanter voranschreitenden Strukturwandel des Medienmarkts zu beobachten, zu analysieren und seine gesellschaftlichen Konsequenzen zu hinterfragen. Denn einfach zur Tagesordnung überzugehen, das funktioniert jetzt nicht mehr«, so Dr. Christopher Buschow, Juniorprofessor für Organisation und vernetzte Medien, mit Blick auf die kommenden sechs Monate.
Im Masterstudiengang Medienmanagement wird seine Vorlesung »Die digitale Reorganisation von Medienkonzernen« die Transformation etablierter Medienhäuser aus organisationstheoretischer Perspektive beleuchten. Jun.-Prof. Buschow plante eine Präsenzveranstaltung mit kleineren interaktiven Elementen, wie Diskussionsrunden, Case Studies und Gastvorträgen von Expertinnen und Experten aus der Praxis. Bei der Umstrukturierung setzt er nun auf eine Kombination neuer Tools mit Altbewährtem: »Die Situation ist für alle Beteiligten neu, die technische Infrastruktur ist komplex und die möglichen Lehrmethoden sind vielfältig. Leitend ist für mich deshalb die Überlegung, Formate und Kommunikationswege zu nutzen, die die Studierenden zumindest in ihrem Alltag schon erprobt haben.«
So bieten beispielsweise Sprachnachrichten zu Beginn des digitalen Semesters nicht nur die Möglichkeit sich persönlich vorzustellen, sondern auch Vorkenntnisse zu eruieren und Erwartungshaltungen der Studierenden auszuloten. Auch weitere Formate, wie regelmäßige Mails zum Wochenstart, Podcasts oder Instant-Messaging-Dienste können helfen, den Studierenden die Wissensvermittlung und -aneignung vorrangig orts- und zeitunabhängig zu ermöglichen. Ein »Studium Remote« eröffne damit, so Buschow, neue Möglichkeiten des Lehrens und Lernens, die sich auch für die zukünftige Präsenzlehre als unterstützende Werkzeuge als nützlich erweisen könnten.