Ein Bühnenbild als Messestand
Sie sei extra hergekommen, weil der Stand »so anders sei als die anderen«, sagt eine Besucherin am Stand der Bauhaus-Universität Weimar auf der Leipziger Buchmesse. Und weil ihr der Trubel zwischen den Verlagsständen in den Messehallen oft zu viel würde, käme sie hierher besonders gern und könne dann auch noch in so großartigen und ungewöhnlichen Büchern blättern. Besonders interessiert sei sie an Typografie und hält ein Buch eines VK-Studenten in den Händen, das Rot auf Weiß gedruckt ist und sich mit Signets, Piktogrammen und Schrift beschäftigt.
Mit ihrem Urteil liegt sie goldrichtig: »anders« als alle anderen Messestände ist der Buchmessestand der Bauhaus-Universität Weimar ganz bestimmt. Und das ist gewollt: Denn in jedem Jahr hat die Universität den Anspruch, sich mit einem Unikat als Stand zu präsentieren, das zugleich als Metapher steht für das, was einen in Weimar erwartet, wenn man dort ein Studium aufnimmt: Kreativer Geist, Individualität, Zusammenhalt und Engagement. Eine »einfach machen«-Attitüde, wenn man es so will. Aus diesem Gedanken heraus entsteht jährlich ein neuer konzeptioneller Ansatz, der dann mit großer Liebe zum Detail umgesetzt wird.
In diesem Jahr hat sich der Entwurf von Hauke Scholz durchsetzt, der mit der Fantasie spielt, eine Metro zwischen Leipzig und Weimar fahren zu lassen, die Großstadt und Kleinstadt, Buchmessegetümmel und entspannte Campusatmosphäre miteinander verbindet. Der Ansatz aus der Freien Kunst ist eine Referenz an das weltweite Metronetz von Martin Kippenberger. Schon die Idee an sich ist charmant, doch sie wird vervollkommnet durch sehr feine, aber wohlgewählte Irritationsmomente, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden.
So ist der Boden extra so konzipiert, dass er schon bald Gebrauchsspuren aufweisen muss. Je mehr Gäste, desto »schrammeliger«. Imaginäre Tauben werden verscheucht durch entsprechende Drahtvorkehrungen, eine tote Ratte ziert den Boden. Graffiti – kunstvoll gestrickt – zieren die düster gehaltenen Wände. So wandert die Assoziation eher an eine U-Bahn-Station am Rande der glanzvollen Metropole, jenseits des Glamours, hin zu einer Kulisse eines »Film Noir«. Geheimnisvolle Klänge aus dem Inneren der Station unterstützen diese Fantasie zusätzlich. Bei näherer Betrachtung stellen letztere sich als begleitende Sounds von studentischen Kurzfilmen heraus, die auf einem Screen im unteren Teil der Installation laufen. Und: Erstaunlich viele Messegäste wagen einen Blick in das »Düstere und Unheimliche des Untergrunds«, das sich schnell als recht harmlos entpuppt.
Bühnenbild, Filmset, künstlerische Installation – der diesjährige Buchmessestand kann auf vielerlei Weise gelesen und gesehen werden. Dafür erhält er schon am ersten Tag große Anerkennung. Zur Eröffnung sind extra Universitätspräsident Prof. Peter Benz und Staatssekretär Dr. Bernd-Uwe Althaus aus dem Thüringer Wissenschaftsministerium gekommen, um feierlich das »rote Band« zu durchschneiden. Ulrike Köppel von der Weimar GmbH konstatiert begeistert, für sie sei es »der ›Thüringer Stand‹ auf der Buchmesse«.
Am Messetag eins ist jedenfalls durchgängig »etwas los« am Stand und das ist ein großer Erfolg für die sieben Studierenden, die in den letzten Tagen und Wochen all ihre Kraft und ihr Engagement in den Stand gesteckt haben. Deutlich ist ihnen die Erschöpfung am Eröffnungsmorgen des 27. März in die Gesichter geschrieben, irgendetwas zwischen »glücklich, aber sehr müde und trotzdem euphorisch«. Alle Beteiligten haben zuvor bis Mitternacht an dem besonderen Look des Standes mitgewirkt: Die einen haben noch die DDR-Raufasertapetenstücken für den Boden geschnitten und verklebt, andere haben die Wände gemalert oder, wie Freie-Kunst-Studentin Laura Usai, die Nacht hindurch Texte geschrieben für die musikalische Performance zur Eröffnung.
All das wäre – das muss an dieser Stelle unbedingt gesagt werden – nicht möglich gewesen ohne Florian Hesselbarth, den Künstlerischen Mitarbeiter an der Professur Kunst und sozialer Raum, der dieses Wagnis unerschrocken eingegangen ist. Er hat von Anfang an als kreativer Kopf, Motivator und Leiter des Projekts die Vision dieses Messestandes mit geringem Budget konsequent verfolgt und mit immer guter Laune und konstant positiver Energie überhaupt erst möglich gemacht. Merci dafür, Florian. Nun hat das Team noch drei spannende Messetage vor sich – mit vielen Messegästen und Gesprächen über Bücher, Kunst, Weimar und das Leben an sich. Viel Erfolg dabei!
Teilnehmende Studierende: Bruno Domingos, Johannes Fest, Pauline Kuritz, Bennet Mielke, Christina Marie Reinfant, Sina Robering, Hauke Scholz
Text: Claudia Weinreich
Fotos: Thomas Müller