Gastvortrag und Workshop: »Autos grölen nicht - Überraschende Erkenntnisse aus Praxisversuchen«
Im Rahmen der interdisziplinären Vortragsreihe »Dimensionen des ruhenden Verkehrs« gibt Dr. habil. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Einblicke in die sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung. Im Fokus steht die Frage, warum das Parken zur Selbstverständlichkeit geworden ist – und wie diese Selbstverständlichkeit verloren gehen könnte. Interessierte sind herzlich zu Vortrag und Workshop am 9. und 10. Dezember an der Bauhaus-Universität Weimar eingeladen.
Der öffentliche (Straßen)raum in der Stadt war über Jahrhunderte da, um sich zu bewegen, später um bewegt zu werden und um sich zu treffen und in den Austausch mit anderen zu treten. Straßen waren Verbindungs- und Verständigungsorte. Mit der Charta von Athen Ende der 1930er Jahre, dem einflussreichsten Manifest für eine moderne arbeitsteilige Stadtentwicklung, wuchs die Bedeutung der Verbindungsfunktion. Straßen sollten die getrennten Funktionen Arbeiten, Wohnen und Freizeit verbinden. Seit den 1960er Jahren, im automobilen Pionierland USA schon früher, wurde der Straßenraum zunehmend auch zum Parkraum. Der ruhende Verkehr belegte den öffentlichen Raum mehr und mehr, dem »Bremer Laternenurteil« sei Dank. In diesem Urteil aus den frühen 1960er Jahren wurde das Abstellen privater Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen legalisiert, Parken gehört seitdem zum »Gemeingebrauch der Straße«. Auch wenn es natürlich nie ein individuelles Recht auf einen öffentlichen Parkplatz gab.
Längst gilt das Parken auf öffentlichen Straßenflächen als selbstverständlich. Doch diese Selbstverständlichkeit hat wilde Blüten getragen. So ist es beispielsweise aus Mangel an Platz für den ruhenden Verkehr seit Jahrzehnten vielerorts üblich, dass Kraftfahrzeuge teilweise auf dem Gehweg parken. Oft wird es geduldet. Manchmal ist es sogar geboten, wenn ein entsprechendes Verkehrsschild auf blauem Grund die Nutzung des Gehweges für das Abstellen von Autos vorschreibt. Mit der Zunahme an zum Teil auch größer werdenden Fahrzeugen führt das Gehwegparken zu weniger Platz vor allem auch für diejenigen, die einen Kinderwagen schieben oder auf einen Rollstuhl angewiesen sind. Nun hat im Sommer 2024 das Bundesverwaltungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt: Anwohner*innen haben ein eigenes Recht an der Benutzung des Gehwegs als Fußgänger*innen und sie können als Anrainer*innen dieses Recht für den Straßenbereich an ihrem Wohnsitz auch einfordern. Die Straßenverkehrsbehörden müssen nunmehr handeln. Ist das der Anfang vom Ende des geltenden Privilegs des ruhenden Verkehrs, den öffentlichen Raum zu belegen?
In seinem Vortrag gewährt Weert Canzler Einblicke in die sozialwissenschaftliche Mobilitätsforschung, die Umsetzung von Praxisversuchen im Hinblick auf Parkraum - besonders in Berlin - und deren überraschende Erkenntnisse. Beide Veranstaltungen sind öffentlich.
»Autos grölen nicht - Überraschende Erkenntnisse aus Praxisversuchen«
Dr. Weert Canzler (Leiter der Forschungsgruppe »Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung«, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung)
Vortrag: 9. Dezember, 19 Uhr (R.116, Geschwister-Scholl-Straße 7)
Workshop: 10. Dezember, 9.15 Uhr (HS A, Marienstraße 13 C)
Parken, Warten, Weiterdenken: Vorlesungsreihe beleuchtet ruhenden Verkehr
Die interdisziplinäre Forschungswerkstatt »Dimensionen des ruhenden Verkehrs« der Bauhaus-Universität Weimar startete am 18. November ihre Vortrags- und Workshopreihe »Was ist das Auto, wenn es nicht fährt?« und lädt dazu ein, das Phänomen des ruhenden Verkehrs aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven zu betrachten. An drei Abenden im Wintersemester 2024/25 werden Expert*innen aus den Bereichen Verkehrsplanung, Sozialwissenschaften und Medienwissenschaften ihre Erkenntnisse präsentieren und bei Workshops an den darauffolgenden Vormittagen zur Diskussion stellen.
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