BAUHAUS.INSIGHTS: Wie verändert Künstliche Intelligenz die Lehre?
Eigentlich ist Künstliche Intelligenz, kurz KI, kein wirklich neues Phänomen, immerhin reichen die wissenschaftlichen Wurzeln bis in die 1950er Jahre zurück. Und dennoch: Spätestens seitdem die Firma OpenAI im November 2022 die Text-KI »ChatGPT« für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, ist KI zu einem der zentralen Themen unserer Zeit avanciert. Dabei beeinflusst KI nicht nur unseren Alltag, sondern auch die Hochschullehre. Das eTeach-Netzwerk Thüringen beschäftigt sich damit, welche Veränderungen KI in der Lehre mit sich bringt und wie diese Herausforderungen und Chancen für Hochschulen in Thüringen einzuschätzen sind.
Für das BAUHAUS.JOURNAL ONLINE haben wir Dr. Nicole Baron im Rahmen unserer Serie BAUHAUS.INSIGHTS einige Fragen gestellt. Sie arbeitet in der Universitätsentwicklung und ist u.a. für die eTeach-Kontaktstelle sowie die mediendidaktische Beratung verantwortlich. Wie Universitäten und besonders die Bauhaus-Universität Weimar dem »Phänomen KI« in der Lehre gegenüberstehen und konkret damit umgehen, erzählt sie im Interview.
Frau Dr. Baron, Sie beschäftigen sich damit, wie sich die Thüringer Hochschulen und deren Lehre durch den Einsatz von KI verändern. Welche Veränderungen nehmen Sie konkret wahr?
Der Wandel vollzieht sich in allen Bereichen. Künstliche Intelligenz findet bereits breite Anwendung in Forschung und Lehre, aber auch Verwaltungsmitarbeitende nehmen an Schulungen teil, um zu lernen, wie sie die Werkzeuge in ihren Arbeitsalltag integrieren können. Im Bereich der Lehre gibt es verschiedene Anwendungsebenen. Lehrende vermitteln Wissen über Künstliche Intelligenz, setzen sie aber auch als didaktisches Werkzeug ein und organisieren ihren Lehralltag damit. Studierende nutzen KI zur Bild- und Textgenerierung, zur Quellenrecherche oder als empathische Lernbegleitung. Auf der Verwaltungsebene müssen wiederum Strukturen geschaffen werden, damit KI-Werkzeuge allen Hochschulangehörigen sicher und gleichberechtigt zur Verfügung stehen. Als Hilfestellung nutzt die Bauhaus-Universität Weimar die vom eTeach-Netzwerk Thüringen zur Verfügung gestellten Materialien, wie z.B. die Eigenständigkeitserklärung der FSU Jena oder die von uns kuratierte Übersicht über KI-Werkzeuge.
An der Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar wird schon länger zum Thema geforscht, d.h. auch innerhalb der Universität wird die technologische Entwicklung von KI vorangetrieben. Können Sie Beispiele nennen, in denen KI bereits jetzt in der Lehre an der Bauhaus-Universität Weimar eingesetzt wird?
Spontan fallen mir drei Beispiele ein: Ich weiß, dass die Professur »Intelligente Informationssysteme« an der Fakultät Medien an einem KI-basierten Chatbot arbeitet, der den Studierenden als Lernbegleitung für die Vorlesung dienen soll. Der Bot wird mit den Skripten trainiert, die für die Vorlesung verwendet werden. Die Studierenden können den Chatbot anschreiben und Fragen stellen. Hierbei sind viele Lernszenarien denkbar. Zum Beispiel könnte man den Bot bitten, Prüfungsaufgaben zu stellen, die man dann beantworten muss. Man könnte den Bot aber auch direkt nach bestimmten Dingen fragen, die man in der Vorlesung nicht richtig verstanden hat. Ein zweites Beispiel von KI in der Lehre ist das kombinierte Theorie- und Praxismodul »Critique and (Artificial) Intelligence - Machine learning and critical theory«, das Dr. Alexander König, Professur »Gestaltung medialer Umgebungen«, an der Fakultät Kunst und Gestaltung anbietet. Während die Studierenden im Wissenschaftsmodul Texte zur kritischen Theorie lesen, erhalten sie im praxisorientierten Fachmodul eine technische Ausbildung rund um die KI. Beide Stränge verbinden sich dann in der Produktion eigener wissenschaftlicher Arbeiten, in denen die Studierenden mit KI arbeiten und sich kritisch damit auseinandersetzen. Ein drittes mir bekanntes Lehrbeispiel stammt nochmals aus der Fakultät Medien. Hier leitet der künstlerische Mitarbeiter Moritz Wehrmann an der Dozentur »Film- und Medienwissenschaft« die Studierenden in einem Seminar an, die Ergebnisse eines KI-Bildgenerators kritisch auf implizite Vorurteile zu prüfen.
Welche Angebote aus dem eTeach-Netzwerk können Universitätsmitglieder nutzen, um sich zu schulen und sich auf dem Laufenden zu halten?
Auf der Website des eTeach-Netzwerks www.eteach-thueringen.de finden sich zahlreiche Angebote zum Thema KI. Besonders hervorheben möchte ich hier die Fortbildungen für Lehrende, die unter der Rubrik »Angebote« zu finden sind. In der Rubrik »Themen« finden sich dann im Bereich »Künstliche Intelligenz« alle möglichen Ressourcen zu KI, die sich um den Einsatz von Tools, um rechtliche Rahmenbedingungen oder um Events zu KI drehen. Eine weitere Möglichkeit, sich zu informieren, sind unsere Veranstaltungen. Die eTeach-Jahrestagung, die jedes Jahr im November stattfindet, hat immer Vorträge und Workshops zum Thema. Das Format Talks@eTeach hingegen findet einmal im Monat, donnerstags von 13 bis 14 Uhr, im Hybriden Lernatelier der Bauhaus-Universität Weimar in der Amalienstraße 13, Raum 003, statt und wird auch online übertragen. Hier kommen regelmäßig KI-Expert*innen aus Thüringen und Deutschland zu Wort. Das Format ist sehr kurzweilig und im Anschluss an den halbstündigen Vortrag besteht die Möglichkeit zu Fragen und Austausch. Nicht zuletzt kann man sich auch über den eTeach-Newsletter auf dem Laufenden halten. Dieser ist zwar nicht ausschließlich auf KI fokussiert, aber das Thema ist derzeit so dynamisch, dass wir in jedem Newsletter mindestens einen Artikel dazu haben.
An der Fakultät für BWL der Prager Wirtschaftsuniversität sind »klassische« Bachelorarbeiten wegen »zu starker KI-Tools« mittlerweile abgeschafft worden. Wie geht die Bauhaus-Universität Weimar damit um: Dürfen KI-Tools in wissenschaftlichen Arbeiten genutzt werden?
Im Allgemeinen folgt die Bauhaus-Universität Weimar der Position des eTeach-Netzwerks Thüringen: Wir sehen in KI vor allem ein großes Potenzial. Wir befürworten und unterstützen einen offenen, transparenten und reflektierten Umgang mit KI. Und wir sprechen uns dafür aus, gemeinsame und gute Regeln zu finden, die einerseits sinnvolle Rahmenbedingungen setzen und andererseits Entwicklungs- und Gestaltungsspielräume offenlassen, wenn es um das Lehren, Lernen und Prüfen an Thüringer Hochschulen geht.
Die Entwicklung und der Einsatz von KI in unserem Alltag sind aus meiner Sicht nicht mehr aufzuhalten. Derzeit ist es auch nicht möglich, rechtssicher zu prüfen, ob jemand seine Hausarbeit mit KI geschrieben hat oder nicht. Es bringt also nichts, KI-Werkzeuge an den Hochschulen zu verbieten. Vielmehr muss man sich der ethischen und rechtlichen Herausforderungen, die mit dieser neuen Technologie einhergehen, bewusst sein und diese angehen. Wir im eTeach-Netzwerk Thüringen setzen uns dafür ein, dass KI auch an Thüringer Hochschulen für alle zugänglich wird und entsprechende Kompetenzen auf allen Ebenen aufgebaut werden.
Wenn Sie mich persönlich fragen, halte ich es nicht für sinnvoll, die »klassische« Hausarbeit oder Thesis abzuschaffen. Denn wenn man heute die KI alleine eine Arbeit schreiben ließe, käme viel Unsinn heraus – von leeren Worthülsen über Wiederholungen bis hin zu Halluzinationen von Quellen. Um eine gute Thesis mit KI zu schreiben, muss man die von der KI gefundenen Quellen und Zitate überprüfen und Prompts, also die Eingaben, immer wieder verfeinern, damit am Ende ein lesbarer und wissenschaftlicher Text herauskommt. Das ist nicht einfach und mit viel Arbeit verbunden! Das heißt, wenn ich als Lehrender eine »mit KI geschriebene« Arbeit vorgelegt bekomme, die wissenschaftlich und sprachlich korrekt ist, dann steckt da genauso viel wissenschaftliche Arbeit drin, wie in einer Arbeit, die »von Hand« geschrieben wurde. Der Aufwand verschiebt sich nur. Denn der oder die Studierende muss beweisen, dass er oder sie nicht nur die Regeln der Wissenschaft beherrscht, sondern Medienkompetenz in Bezug auf die neuesten KI-Entwicklungen. Wichtig ist derzeit nur, dass die Person den Einsatz von KI auch in der Eigenständigkeitserklärung kenntlich macht.
Im eTeach-Netzwerk Thüringen sind Sie als Kontaktstelle für die Bauhaus-Universität Weimar zuständig. Gibt es denn ein übergeordnetes Ziel für die Arbeit des Netzwerks und wenn ja, wie sieht dieses aus?
Das Netzwerk verfolgt mehrere übergeordnete Ziele. Zum einen agiert es als hochschulübergreifende Landesinitiative und bündelt Kompetenzen. Dabei geht es vor allem darum, die Kommunikation zwischen den Hochschulen zu stärken und Synergien zu schaffen. Der zweite große Schwerpunkt ist die Qualifizierung im Bereich der medienbereicherten Lehre. Dazu gehören zum Beispiel Schulungen für Lehrende und Studierende, die finanzielle Förderung innovativer Projekte und Lehrformate und der Transfer von Best-Practice-Beispielen über Talks, Tagungen und unsere Website www.eteach-thueringen.de.
Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Was glauben Sie, was sich zukünftig ganz sicher etablieren wird, wie wird Hochschullehre zusammen mit KI im besten Fall funktionieren?
Ich denke, da KI bereits in so vielen Bereichen der Universität eingesetzt wird, gibt es verschiedene Antworten auf diese Frage. Wenn wir bei der Hausarbeit bleiben, denke ich, dass KI-Tools im besten Fall das werden, was die Rechtschreibprüfung in Office-Anwendungen bisher war – eine Schreibhilfe. Gleichzeitig hoffe ich, dass KI der Menschheit hilft, sich selbst den Spiegel vorzuhalten. Denn KI-Systeme wie Large Language Models und Machine Learning bilden – zumindest derzeit – vor allem die Text-, Bild- und Videoproduktion ab, wie sie im Internet existiert. Da spielen kulturelle Hegemonien mit rein, aber auch Rassismus, Sexismus und andere Ungleichheiten, die auch real in unseren Gesellschaften existieren. Für eine Universität wäre es mein Anspruch, dass wir uns in der Arbeit und kritischen Auseinandersetzung mit KI selbst erkennen und so Ungerechtigkeiten und Vorurteile in unserer Gesellschaft sichtbar machen und diesen entgegenwirken.
Eigenständigkeitserklärung: Dieser Text wurde mithilfe des KI-Tools »DeepL Write« überprüft und korrigiert.
Nachtrag: Trotzdem haben die Kolleginnen aus dem News- und Kommunikationsteam den letzten Blick auf den Text gehabt.
Alle Informationen zu Künstlicher Intelligenz im eTeach Netzwerk erhalten Sie unter: www.eteach-thueringen.de
Die BAUHAUS.INSIGHTS-Fragen zu KI in der Hochschullehre stellte Luise Ziegler.