(rw) Im Rahmen des Projektes »EXCHANGE« reisten elf Studierende des Masterstudienganges »Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien« im Juni 2012 nach Athen, um vor Ort gemeinsam mit griechischen Künstlerinnen und Künstlern eine beinahe komplett leerstehende Passage neu zu beleben. Erklärtes Ziel war es, in Dialog mit den Bürgern der griechischen Hauptstadt zu treten und sich auszutauschen.
Unter dem Dach des Gebäudes in der Marienstraße sitzen die Studierenden grüppchenweise über ihre Laptops gebeugt und unterhalten sich. Die Erschöpfung der letzten acht Tage ist ihnen anzusehen Temperaturen deutlich über 30 Grad, die körperliche Arbeit beim Auf- und Abbau von Installationen, der kreative Prozess fordern ihren Tribut. Nichtsdestotrotz ist die Begeisterung und Zufriedenheit mit dem Ausgang des Projektes in Athen zu spüren.
Vom 11. bis 19. Juni 2012 war die Gruppe nach Athen gereist, um das Projekt »EXCHANGE« zu realisieren. Sofia Dona, Alumna des Studiengangs und DAAD-Preisträgerin, hatte im Athener Stadtteil Kipseli die Broadway Passage als Raum für künstlerische Interventionen entdeckt und die Idee zum Austauschprojekt geboren. Mit ihrem Konzept stieß die griechische Architektin und Künstlerin auf offene Ohren bei den Lehrenden und Studierenden des Masterstudienganges.
Der Name Broadway Passage steht in krassem Kontrast zur Realität: leere Flure und Gänge, verlassene Geschäfte, Kinos und ein Theater, das schon lange keine Besucher mehr beherbergte, prägen das Bild. Die Fassade des einstigen Shoppingparadieses und Ort des kulturellen Lebens bröckelt auch im übertragenen Sinne. Es ist gar nicht so lange her, dass Kipseli ein »besserer« Stadtteil war. Damals hatte das Theater in der Passage sogar einen richtig guten Ruf. Aber als die Regierung Bauland in Meeresnähe freigab, zogen die betuchten Einwohner ans Wasser und leiteten so das Ende des Konsumtempels ein. Heute ist der Stadtteil eher ein sozialer Brennpunkt, wo unterschiedliche Kulturen aufeinander prallen.
Die Planung und Umsetzung des Projektes erwies sich als Herausforderung: in Skype-Konferenzen und via Internet und Telefon bereiteten sich die Künstlerinnen und Künstler in Griechenland wie in Deutschland auf die gemeinsamen Aktionen vor. Dabei mussten verschiedene Schwierigkeiten überwunden werden: unterschiedliche Sprachen wurden durch die Brücke »Englisch« verbunden, kulturelle Unterschiede wurden übersetzt und ausgetauscht, nicht zuletzt bildete auch die Reise nach Griechenland eine Brücke. Am Montag angekommen, begannen die Künstlerinnen und Künstler sofort mit der Arbeit, denn alles musste gut geplant und vorbereitet werden.
Ab Freitag startete das Programm mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen. Sofia Dona hatte nicht nur griechische Künstler mit ins Boot geholt, sondern auch Architekten und Theoretiker eingeladen, eine Brücke zwischen den Disziplinen zu schlagen. »Es war uns besonders wichtig vor Ort zu sein, auch die Wahlen hautnah mitzuerleben«, berichtet Anke Hannemann, künstlerische Mitarbeiterin des Studienganges. »Griechenland befindet sich ja zurzeit in einer sehr brisanten finanziellen sowie politischen Lage und droht immer weiter an den Rand Europas gedrängt zu werden. Es war ungemein spannend, in Gesprächen die Meinungen einzufangen. Und es gibt unbedingt den Willen zum politischen Diskurs seitens der Athener«.
Am folgenden Montag dann war es endlich soweit: vom 18. bis 19. Juni 2012 öffnete die Broadway Passage ihre Tore und zeigte sich im neuen Gewand. Circa 25 Performances, Interventionen, Installationen und Aktionen hauchten dem verlassenen Gebäude Leben ein. Dabei zeigte sich das Publikum ebenfalls als bunte Mischung: alle Altersklassen und Schichten waren vertreten. Von Kunstschaffenden über Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis zum Handwerker und den Anwohnern: Viele fühlten sich angesprochen und zeigten sich neugierig und offen zum Gespräch, die Kunstwerke und Aktionen boten jede Menge Stoff.
»Mastoras Amesis Drasis« hieß beispielsweise der Service, den Hannes Neubauer den Athenern bot. Das heißt soviel wie Handwerker-Ambulanz oder Handwerker-Notarzt. Das Prinzip ist simpel und bequem: ruft man eine bestimmte Telefonnummer an, kommt Hannes und repariert, was auch immer kaputt ist. Im roten Blaumann und mit Notfall-Werkzeugkoffer bewaffnet, machte sich der Künstler auf den Weg durch die Hauptstadt, immer auf der Suche nach Kundschaft. Er reparierte Stereoanlagen, ein Dreirad, mauerte Löcher zu. Die Entlohnung der Dienstleistung bestand in einem Eintrag in seinem Buch: Hannes sammelte die Ideen seiner Kundschaft, wie man Griechenland am besten »reparieren« könnte. Fotos seiner Einsätze und Kopien der Einträge stellte er dann in seinem Ladengeschäft in der Passage aus.
Auf den Requisitenfundus des alten Theaters und das Gerümpel aus Ladeneinrichtungen gestoßen, war Federica Menin, Austauschstudentin aus Venedig. Sie baute zwei Inseln aus den gefundenen alten Gegenständen, Stühlen, Fenstern, Tischen und vielem mehr. Mit einem Schild wies Sie die Besucher darauf hin, dass »Island« ein Ort des ständigen Wandels sei und forderte die Gäste dazu auf, alles nach Belieben umzustellen. So entstanden spontane Architekturen zwei sich immer wieder verändernde Skulpturen. Eine Anwohnerin erweiterte sogar das Repertoire an Requisiten. Sie selbst hatte zwei Möbelstücke vor über zehn Jahren in einer Performance verwendet und war glücklich, nun »einen Ort für ihre Dinge« gefunden zu haben.
Dienstagnacht begann sofort der Rückbau. Die Broadway Passage legte ihr neues Kleid wieder ab und die Studierenden aus Weimar gingen zurück nach Deutschland. Nun sitzen sie bei Temperaturen deutlich unter 30 Grad im Dachgeschoss der Marienstraße, während der heftige Wind den Regen gegen die Scheiben fegt und tauschen wieder etwas aus: ihre Eindrücke, Erinnerungen, Erfahrungen und Fotos.
Ein Projekt des MFA-Programms »Kunst im öffentlichen Raum und neue künstlerische Strategien« der Bauhaus-Universität Weimar, unter der Leitung von Prof. Danica Dakić, Lisa Glauer und Anke Hannemann. Initiert und konzipiert durch die MFA-Absolventin und DAAD-Preisträgerin Sofia Dona, koordiniert von Jirka Reichmann.
»EXCHANGE« wurde realisiert in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Athen und mit der freundlichen Unterstützung des International Office der Bauhaus-Universität Weimar.
Fotos: Yomayra Puentes und Candy Welz
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