__ Okt. 2021
In Vorbereitung auf das Bauhaus-Jubiläum von 2019 hat Prof. Bernd Rudolf, Professur Bauformenlehre an der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar, das Kernmodulprojekt Bauhaus.Oasen angeregt und gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt.
Aus diesem Bauhaus.Oasen ging das Kooperationsprojekt "Gropius-Zimmer-Pavillon" hervor, das zur "Woche der Demokratie" 2019 erstmals auf dem Theaterplatz in Weimar aufgestellt und danach in Dresden und wiederum in Weimar an der Universität gezeigt wurde, bevor es auf eine Reise zu den Partnerstädten Weimars geschickt wurde. Erster Standort war die Stadt Siena in der Toskana....
Nach einjährigem Corona-Schlaf an der Loire wurde der Gropius-Zimmer-Pavillon in Blois" von den drei Master-Studierenden Hannah Ernst, Raphael Witte und Julian Pracht sowie Henning Schrader (drittes Semester Bachelor) unter der Leitung von Julia Heinemann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Bauformenlehre, wiedererweckt und als begehbare Rauminstallation neben dem Hotel de Ville (dem Rathaus) im Jardin de l'Évêché zusammengesetzt.
Nach dreitägiger Aufbauarbeit fand am Donnerstag, den 28. Oktober 2021, bei strahlendem Sonnenschein die feierliche Übergabe an die Stadt Blois statt. Dazu reiste eine kleine Delegation der Stadt Weimar an. In Vertretung des Weimarer Oberbürgermeisters Peter Kleine, übernahm der Universitätspräsident die ehrenvolle Aufgabe, den Pavillon bei einer feierlichen Ansprache an die Stadt Blois zu übergeben.Die Vizebürgermeisterin der Stadt Blois, Fabienne Quinet begrüßte die deutschen Gäste und die weiteren Besucher der Veranstaltung herzlich, verwies auf die große Bedeutung der Städtepartnerschaft Weimar-Blois und dankte für das Engagement derer, die das Projekt ermöglichten. Nach dem Grußwort des Oberbürgermeisters Peter Kleine, vorgetragen von Martina König als Vertreterin der Stadt Weimar setzte sich Prof. Speitkamp in seiner Grußadresse mit der Aktualität des Bauhaus-Gedankens auseinander. Er erläuterte den Kontext des Projekts und stellte besonders die Verbindung zwischen dem historischen Bauhaus, der heutigen Bauhaus-Universität Weimar und dem Neuen Europäischen Bauhaus her. Julia Heinemann schloss mit der Metaphorik und dem Raumkonzept des Gropius-Zimmer-Pavillons und nahm dabei anschaulich Bezug auf die Relationen am Standort*.
Ein gemeinsam geführter Schnitt durch das Trikoloreband am "Eingang" symbolisierte die Eröffnung für die Öffentlichkeit. Mit dem Anschrauben der erklärenden französischsprachigen Tafel durch die beiden Oberhäupter war die Rauminstallation am Standort vollendet und liegt für Interpretation und Nutzung in französischer Verantwortung.
Rund um den Pavillon fanden zahlreiche Gespräche zu möglichen Kooperationen zwischen den verschiedensten Institutionen satt.Wie z.B. Ein Treffen mit dem für das Hochschulwesen zuständigen Vizepräsident des Gemeindeverbunds Blois, Yann Laffont, dem Bürgermeister Marc Gricout, Prof. Dr. Winfried Speitkamp und weitere Gesprächspartner, bei dem es um Möglichkeiten und Formen der Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen der Region und der Bauhaus-Universität Weimar ging. Oder dem Termin an der "Ecole de la Nature et du Paysage", eine Hochschule für Landschaftsarchitektur, die Teil des "Institut national des sciences appliquées Centre Val de Loire" (INSA) in Blois, in deren Zusammenarbeit verschiedener Hochschulen des Verbundes INSA zeigen sich in vielerlei Hinsicht Parallelen zur Bauhaus-Universität Weimar und vor allem vergleichbare Ziele und Arbeitsweisen. Hier ging es an erster Stelle um die Möglichkeiten eines Studierendenaustausches, der etwa im Rahmen von Spring School und Summer School erprobt werden könnte und ggf. mit einzelnen Professuren auszubauen wäre.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gesamte Veranstaltung als großer Erfolg für die BauhausUniversität und die Stadt Weimar zugleich zu werten ist. Die Reise des nächtlich erleuchteten Gropius-ZimmerPavillons geht somit erfolgreich weiter, begleitet von der Freude über viele neu entstehende Kooperationsmöglichkeiten. Der große Dank gilt an erster Stelle den Studierenden Hannah Ernst, Raphael Witte, Julian Pracht und Henning Schrader sowie Julia Heinemann, die das Projekt initiierte und seit 2019 an der Professur Bauformenlehre unter Prof. Rudolf betreut, sowie den weiteren Helfern die diesen Erfolg ermöglicht haben. Und der Dank gilt ebenso allen in den Städten Blois und Weimar, die diese Botschaftsreise mit so viel Elan und Begeisterung unterstützt haben.
Über die Symbolik des Gropius-Zimmer-Pavillons am Standort Blois im Jardin de l'Évêché (aus der Ansprache)
Vielen Dank an die, die diesen Anlass ermöglicht haben .... Sehr geehrte Damen und Herren, Ich möchte Ihnen gern kurz die Idee dieses Pavillons erläutern, der in den letzten drei Tagen von den Studierenden der Bauhaus-Universität Weimar Hannah Ernst, Raphael Witte, Julian Pracht und Henning Schrader mit Hilfe von Lois und Evree ́ und weiterer hervorragend organisierter Unterstützung durch Rachid Ennajib hier im Jardin de l'Évêché errichtet wurde.
Der Pavillon stellt in abstrakter Übersetzung das Direktorenzimmer des ersten Bauhausdirektors, Walter Gropius, dar. Deswegen wird er Gropius-Zimmer-Pavillon genannt. Das 1919 in Weimar von Walter Gropius gegründete Staatliche Bauhaus war eine Kunstschule. Nach Art und Konzeption damals handelte es sich um etwas völlig Neues, da das Bauhaus eine Zusammenführung von Kunst und Handwerk darstellte.
Das historische Bauhaus stellt heute die einflussreichste Bildungsstätte im Bereich der Architektur, der Kunst und des Designs im 20. Jahrhundert dar. Das Bauhaus bestand zeitlich parallel mit und in der Weimarer Republik von 1919 bis 1933 und gilt heute weltweit als Heimstätte der Avantgarde der Klassischen Moderne auf allen Gebieten der freien und angewandten Kunst und Architektur. Das im Hauptgebäude des historischen Bauhauses und der heutigen Bauhaus-Universität Weimar verortete Gropiuszimmer gilt als die erste gesamtheitliche Raumkomposition der Moderne.
Der Gropius-Zimmer-Pavillon, der dem echten Gropius-Zimmer in einer abstrakten Raumliniatur nachempfunden ist, wurde anlässlich der Woche der Demokratie Anfang des Jubiläums zu 100 Jahre Bauhaus / 100 Jahre Demokratie als Kooperationsprojekt im Februar 2019 erstmalig auf dem Weimarer Theaterplatz errichtet. Der Pavillon bildet über die Grundlinien das "Körper im Körper"-Raumkonzept des Direktorenzimmers nach und definiert somit einen offenen Raum im öffentlichen Raum.
Aus dem Ursprung (in der gefassten Raum-Ecke) dieser kubischen Raumgeometrie heraus projiziert, kann der Raum in seinen Achsen weiter und größer gedacht werden, womit auch seine Bestimmung mit und größer gedacht werden kann und so die Funktion der Direktorenschaft auf die Öffentlichkeit übergeht. Anliegen dieser Installation ist das Gewahrwerden der eigenen Rolle in einer demokratischen Gesellschaft, nämlich dass man nicht nur das Recht der Mitgestaltung innehat, sondern auch die Pflicht, die uns alle betrifft.
In einer Demokratie sind wir keine Zaungäste, sondern Akteure, jeder/jede in seinem Bereich und darüber hinaus, um das Gesamtkunstwerk Gesellschaft mitzugestalten.Gäste und Passanten sind eingeladen, den Pavillon zu interpretieren, sich in ihm aufzuhalten, darin und darüber ins Gespräch zu kommen, sowie die Bedeutung der Direktorenschaft einer demokratischen Gesellschaft offen zu diskutieren._________________________
Jetzt, hier und ab heute steht der Gropius-Zimmer-Pavillon für eine Zeit im "Jardin de l'Évêché": Visasvis mit dem Rathaus, etwas zurückgesetzt, ehrfürchtig in respektvollem Abstand, auf Höhe der Jean D Àrc, bietet er mit "klarer Kante", ein partnerschaftliches Gegenüber. Die Mittelachse des "hotel de ville" aufnehmend (zu interpretieren: mit den Grundwerten d'accord seiend, also mit dem Vermächtnis der Französischen Revolution- und dem Vorbild der Weimarer Republik: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit-) .
Mit der zweiten Achse ist er am Reiterstandbild der jungen Jean D Àrc ausgerichtet und steht ihr unmittelbar zur Seite. Das Ideal ihrer Courage - mutig, für die innere Überzeugung aus dem Herzen heraus zu handeln - steckt als Idee (das Herzstück des historischen Bauhauses) auch in dem Pavillon, der ihr einen Rahmen bietet - von innen heraus betrachtet.
So bildet der Pavillon als Weimarer Delegation zusammen mit den für die Stadt Blois stehenden Wahrzeichen die "Eckpfeiler" eines Raumes, der als verbindender und offener Diskussionsraum aufgemacht wird: ausgerichtet und zugewandt einem fantastischen, weiten Blick über die Stadt und damit der Öffentlichkeit. Der Punkt, aus dem die drei Raumachsen des Pavillons entspringen, wird somit wieder Ursprungspunkt eines viel weiter gefassten (metaphorischen) Raumes: der Verantwortungs- und Spielraum der Demokratie -> die Direktorenschaft.
Der Gast, die Partnerstadt Weimar -> wofür der Pavillon steht, interpretiert somit einen bereits bestehenden Raum neu und bringt eine neue Perspektive mit sich, und damit eine neue Wahrnehmung - wozu der Besuch eines Freundes, mit anderem Blick auf das Gewohnte, ja auch dient.
Drei Monate lang soll er in dieser offenen Geste die gemeinsamen Werte und freundschaftliche Beziehung verkörpern und zum zwischenmenschlichen Dialog einladen. Der Pavillon reiht sich nicht einfach ein, er setzt sich bewusst mit dem Vorgefundenen auseinander, stellt Beziehung her und schafft Raum und auf diese Weise ein neues Selbstverständnis - für sich und die Beziehung, in der er sich positioniert. In diesem Fall hier in Blois ist das ein ganz besonders kraftvoller Raum. Mit der jugendlichen Courage einer Jean D `Arc, mit den für das Rathaus stehenden Werten der franz. Revolution- Gleichheit - Freiheit - Brüderlichkeit - Mit dem weiten Blick in eine alles denkbare Zukunft. Warum also nicht die Vorreiter-Tradition der Partnerstädte aufnehmen und gemeinsam etwas völlig Neues wagen?Was genau das sein kann - können wir ja im Austausch herausfinden. Auf eine inspirierende und kreative Städtepartnerschaft!