TRIER | Sie ist etwas Besonderes. Zustande gekommen vor dem Hintergrund der komplizierten politischen Situation vor der Wiedervereinigung, feiert die Städtepartnerschaft mit Weimar ihr 35-jähriges Bestehen. „Die Erzählungen sagen, dass die Verhandlungen schwierig gewesen seien und auf der Kippe ge- standen hatten“, sagt Peter Kleine, seit 2018 Oberbürgermeis- ter von Weimar. So habe es von Seiten seiner Stadt Formulie- rungen gegeben, die für die Trierer schwierig gewesen seien. Und doch fand man sich zusammen. „Die Weimarer haben sich gefreut auf die Partnerschaft. Die Bürger dachten, dass sie so- fort nach Trier reisen könnten.“ Doch es hat drei Jahre gedau- ert, bis jeder Bürger nach Trier fahren konnte: 1990 reisten an zwei Adventswochenenden 1400 Weimarer nach Trier und wurden an der Mosel herzlich empfangen.
Das Symbol dieser Städtepartnerschaft steht seit Ende vergangener Woche auf dem Domfreihof – dem „Wohnzimmer Trier“, wie Kleine sagt – und wurde am Samstag eröffnet: der sogenannte Gropius-Zimmer-Pavillon. Unscheinbar und dominant zugleich ist die Stahlkonstruktion so luftig gehalten, dass sie auf dem großen Platz kaum auffällt. Und doch wirkt sie, in der Verlängerung zum Eingangsportal des Doms ste- hend, sehr präsent und lädt zum Eintreten ein. Der offene Kubus aus Stahlprofilen ist dem Inneren dem Direktorenzimmer von Walter Gropius, dem ersten Bauhausdirektor, in stilisierter Form nachempfunden. Die moderne Architektur bilde einen guten Kontrast zum 2000 Jahre alten Dom, sagt Oberbürger- meister Wolfram Leibe bei der Eröffnung des Pavillons, die von Künstlern des Theaters Trier und dem Jazzclub musikalisch umrahmt wurde. „Mit seinem Zimmer hat Gropius das erste Kunstwerk der Moderne geschaffen“, erklärt Julia Heinemann, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Bauformen- lehre der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus- Universität Weimar. „Es ist das Herzstück des Bauhauses und ein öffentlicher Raum, für alle zugänglich.“ Der Gropius-Zimmer-Pavillon wurde zum Jubiläum 100 Jahre Bauhaus von Studierenden der Universität Weimar konstruiert. 2019 wurde er erstmals in Weimar aufgestellt, seitdem reist er zu den Partnerstädten. „Die Idee dahinter ist“, sagt Heinemann, „Bau- haus in die Welt zu bringen, aus einem geschlossenen Gebäude nach draußen.“ Als Zeichen eines offenen Demokratiegedankens.
Beeindruckt vom Pavillon zeigt sich Professor Matthias Sieveke von der Hochschule Trier. „Ich war selbst im Zimmer. Das Beste ist der Schreibtisch, er ist sehr erhaben.“ Im Pavillon ist dieser und weiteres Mobiliar angedeutet zu sehen. „Gropius war für mich in den 1980er Jahren einer meiner Leitbilder.“ Denn dieser habe sich die Frage gestellt: „Wie kann ich die Ge- sellschaft mit Architektur verbessern“, sagt Sieveke. „Sein An- satz war es, eine bessere Welt zu schaffen“, ergänzt Heinemann. „In einer Demokratie sind wir keine Zaungäste, sondern Akteure, um das Gesamtkunstwerk Gesellschaft mitzugestalten.“ Die Hochschule in Trier habe einen ähnlichen Ansatz wie Bauhaus, sagt Sieveke: „Wir arbeiten für die Gesellschaft.“ Und sie strebe auch eine Zusammenführung von Kunst und Hand- werk an. „Ich hoffe, dass der Geist von Gropius auf Trier abstrahlt.“
Die Städtepartnerschaft habe nach der Wende Früchte getragen. „Trier hat Weimar Verwaltungshilfe geleistet“, sagt Kleine. Auch heute gebe es einen regen Austausch, jetzt nach der Corona-Pause laufe er wieder an. So hospitierte im April einer seiner Beamtenanwärter im Trierer Rathaus, im Sommer und Herbst gehen zwei Auszubildende nach Weimar. Die Stadt habe sich – nach Trierer Vorbild – zwei Mülleimer für die historische Altstadt angeschafft, die den darin enthaltenen Abfall per Solarenergie pressen. „Oberbürgermeister Leibe hat uns das Trierer Modell auf dem Handy gezeigt“, sagt Kleine. Aktuell will Weimar mithilfe von Pollern die Kernstadt autofrei machen. Er sei im Gespräch mit Dezernent Ralf Britten, wie das Konzept in Trier von den Bürgern aufgenommen werde und welche Techniken die Stadt verwende. „Wir haben unser Pollerkonzept im Haushalt 2022 stehen.“
Auch der Austausch der Gesellschaft funktioniere, und es gebe Freundschaften. So sind zur Pavilloneröffnung zahlreiche Weimarer angereist. „Unser Ziel ist es, die nächste Generation für den Austausch zu begeistern. Wir möchten über den Bauhaus- Pavillon auch junge Menschen ansprechen für den Bürgeraustausch.“
VON MECHTHILD SCHNEIDERS