Energetische Quartierssanierung zur Reduktion der CO2-Emissionen unter Berücksichtigung denkmalgeschützter Bauten mittels Integration von Prosumenten im Hochschulquartier
Forschungsprojekt am Lehrstuhl Bauphysik
Gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Bearbeiter: Anja Willmann, Gerd Kiesel, Alexander Benz
Bearbeitungszeitraum: 11/2017 – 07/2021
Zusammenfassung
Anhand des Gebäudebestands der Universität Weimar im Stadtgebiet Weimar werden exemplarisch die Optimierungspotentiale großer Gebäudebestände in Bezug auf Sanierungspotentiale der Gebäude und Energiesysteme analysiert. Der Gebäudebestand der Universität Weimar ist ein prototypisches Beispiel großer Gebäudebestände mit einer besonderen Lage in der Altstadt Weimars Richtung Südstadt. Zudem sind mehrere der 32 Gebäude denkmalgeschützt oder sogar Bestandteil des UNESCO Weltkulturerbes und damit von den herkömmlichen energetischen Sanierungsmaßnahmen ausgenommen. Die Universitätsbauten sind eingebettet in nutzungsgemischte Bebauungen differenzierter Bauperioden; der größte Anteil wird zurzeit für Wohnflächen und Kleingewerbe bzw. Verkaufsflächen im Erdgeschossbereich genutzt. Die Besonderheit am gewählten Stadtteil ist die Beibehaltung der universitären Nutzung und deren direkte Verflechtung mit Leben und Arbeiten als Bestandteil eines heterogenen Quartiers.
Hintergrund
Mittels einer Erweiterung des Betrachtungsperimeters auf das Stadtquartier, statt wie bisher hauptsächlich des Einzelgebäudes, kann so die CO2-Reduktion des Clusters bewertet werden. Dies erlaubt die Integration energetischer Parameter, die bisher in Einzelgebäudesanierungen nicht analysiert wurden, wie die Nutzung von Synergien, die aus unterschiedlichen Gebäudefunktionen und den jeweiligen Lastprofilen entstehen, und die Integration von „Prosumenten“ innerhalb der Nachbarschaften. Hiermit soll vor allem untersucht werden, bis zu welchem Grad sich der Anteil des Gebäudebestands, der nur mit sehr hohem Aufwand energetisch zu sanieren ist, u.a. denkmalgeschützte Gebäude, durch Neubau- und Konversionsprojekte innerhalb des Clusters im Rahmen der CO2-Bilanz ausbalancieren lässt. Der Gebäudebestand der Universität Weimar dient dabei als Pilotstudie mit Modellwirkung für die Entwicklung und Anwendung der Methodologie bundesweit.
Zielsetzung
Im Rahmen einer energie- und ressourcenschonenden Quartiersentwicklung und -erneuerung sollen anhand des Gebäudebestands der Universität exemplarisch die Optimierungspotenziale großer Gebäudebestände in Bezug auf Sanierungspotenziale der Gebäudehülle und Energiesysteme analysiert werden. Mittels einer Erweiterung des Betrachtungsperimeters vom Einzelgebäude auf das Stadtquartier kann so die CO2-Reduktion des Clusters bewertet werden. Dies wiederum dient vor allem der Ermittlung bis zu welchem Grad denkmalgeschützter Gebäudebestand, der nur mit sehr hohem Aufwand energetisch zu sanieren ist, innerhalb des Clusters durch eine ambitionierte energetische Zielsetzung für innerstädtische Nachverdichtung aufzufangen ist. Die Zielsetzung ist angelehnt an das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung.
Ergebnisse
Bereits mit der Umstellung von Einzelfeuerungsanlagen auf Nahwärmenetze mit BHKWs und Geothermie hat die Bauhaus-Universität im Zeitraum von 1996 bis 2015 einen entscheidenden Schritt zur Reduktion der Treibhausgasemissionen gemacht, sodass im Jahr 2015 das Emissionsreduktionsziel von -55% bis 2030 frühzeitig erreicht wurde. Für die weitere Zielsetzung, bis 2050 einen klimaneutralen Campus zu schaffen, müssen allerdings umfangreiche Maßnahmen sowohl zur Erhöhung der Energieeffizienz als auch zur Umstellung auf erneuerbare – und damit treibhausgasfreie – Energiequellen angestrebt werden. Basis der Betrachtung sind die Wärmeverbrauchsdaten des Südcampus der Bauhaus-Universität Weimar für die Jahre 1996 und 2015. Den Simulationen liegt ein GIS-basiertes Modell zugrunde, das mit gebäudespezifischen Informationen zur Gebäudehülle, Gebäudetechnik und Nutzungsprofilen angereichert wurde. Zudem enthält das Modell in der Software City Energy Analyst (CEA) ebenfalls die vorhandenen Nahwärmenetze mit Hochtemperatur- und Niedertemperaturbereichen. Die Analysen und Szenarien beziehen sich auf den Raumwärmebedarf, da das Brauchwarmwasser strombasiert erzeugt wird und die Universität neben der Stromerzeugung über die BHKWs bereits Ökostrom bezieht.
Zunächst wurden Energieeffizienzmaßnahmen für den Gebäudebestand analysiert, u.a. Sanierung diverser nicht denkmalgeschützter Gebäude sowie eine Nutzungsmischung von Wohnen und universitärer Nutzung. Weiterhin wurde das Potenzial einer inneren Nachverdichtung mit Prosumenten untersucht. Diese Effizienzpotenziale können zusammen den Endenergiebedarf für die Raumwärme auf 60% senken, folglich den Primärenergiebedarf auf 38% und die Emissionen weiter auf 28% im Vergleich zum Verbrauch von 1996.
Jedoch wird deutlich, dass Effizienzmaßnahmen alleine weder die ursprüngliche Zielsetzung einer 80-prozentigen Reduktion bis 2050 noch die aktuell angestrebte Klimaneutralität erreichen können. Zusätzlich muss die verbleibende Energie aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt werden, um den Primärenergiebedarf und die Treibhausgasemissionen zu senken.
Die Solaranalyse offeriert vor allem Solarthermiepotenzial auf Dachflächen und an wenigen Südfassaden nicht denkmalgeschützter Gebäude in Höhe von 667 MWh, 3 neue mögliche Geothermiefelder im Rahmen der anstehenden Sanierungen weitere 501 MWh und die Abwärme der Server auf dem Campus ebenso ca. 602 MWh, sodass 45% der benötigten Endenergie für Raumwärme aus lokalen erneuerbaren Energien gedeckt werden könnten. Diese Substitution senkt die CO2-Emissionen auf 15% im Vergleich zu 1996.
Es verbleiben 342t CO2-Äquivalent, die aufgrund der Bestandsgebäude, der Lage der Gebäude zueinander und im Stadtquartier sowie aufgrund des Denkmalschutzes nicht durch Geothermie, Solarthermie oder andere Umgebungswärmequellen ausgeglichen werden können.
Dieser Anteil könnte weiterhin durch die BHKW-Nahwärmenetze bereitgestellt werden, wenn diese mit einem biogenen Brennstoff betrieben werden. Im Vergleich der verfügbaren biogenen Brennstoffe ermöglicht nur Holz – ausgeführt als Holzvergaser-BHKW - eine nahezu klimaneutrale Energieproduktion auf 1,2% im Vergleich zu 1996.
Ausblick
Die Analyse der Campusgebäude wird im Bauhaus2050+ Projekt auf den Campus in der Coudraystraße erweitert. Zudem befassen sich mehrere studentische Projektarbeiten mit weiteren Gebäuden der Universität Weimar, z.B. der Falkenburg, der Ackerbürgerscheune etc.