In dem Erinnerungskonzept werden Informationen zur Geschichte der Gebäude aufbereitet und ihre Funktionen während der Zeit des Nationalsozialismus an und in den Gebäuden sichtbar gemacht. So sollen beispielsweise Wandtafeln angebracht oder Stelen aufgestellt werden. Zusätzlich diskutieren die Initiator*innen in verschiedenen Lehr- und Vermittlungsformaten die ehemalige Funktion der Gebäude und erforschen diese.
Dr. Horst Henrici, der Kanzler der Bauhaus-Universität Weimar, erläutert: »Die Universität stellt sich ihrer Verantwortung und setzt sich mit der Geschichte der Einrichtungen, die sie heute wie selbstverständlich nutzt, auseinander. Uns liegt daran, Studierende, Wissenschaftler*innen, Lehrende und Beschäftigte, aber auch Besucher*innen und Tourist*innen gleichermaßen im wahrsten Sinne des Wortes ›anzuhalten‹. Wir möchten, dass sich alle, die die Gebäude betreten, mit der Geschichte auseinandersetzen, die sich hinter der allgemein formulierten Gedenktafel verbirgt. Dazu liefert das Projekt ›Erinnerungsmedien‹ einen relevanten Baustein – Erinnerung wird sichtbar gemacht.«
An dem durch Mitarbeitende der Fakultäten Medien sowie Architektur und Urbanistik initiierten Vorhaben, das Jannik Noeske, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europäische Urbanistik, federführend koordiniert, sind weiterhin das Servicezentrum Liegenschaften der Universität und das Internationale Heritage Zentrum beteiligt.
Hintergrund
Die Stadt Weimar wurde durch die Verbrechen des Nationalsozialismus stark geprägt und auch Gebäude, die heute durch die Bauhaus-Universität Weimar genutzt werden, sind Träger dieser Vergangenheit. Schon seit 2018 setzt sich eine fakultätsübergreifende Initiative dafür ein, dass vor Ort über die Geschichte der Bauhausstraße 11 berichtet wird. Das Haus wurde 1937 als sogenanntes Ärztehaus durch die Kassenärztliche Vereinigung errichtet und avancierte in der Folge zur Schaltzentrale der nationalsozialistischen Gesundheitspolitik. Die heutige Eigentümerin des Gebäudes, die Kassenärztliche Vereinigung Thüringens, förderte ein Forschungsprojekt zur Geschichte des Gebäudes (2021-2023). Zum geplanten Rückzug der Fakultät Medien nach erfolgter Sanierung im kommenden Jahr wird das Erinnerungskonzept auch auf dieses Gebäude erweitert.
Die Gebäude in der Marienstraße 13 und 15 waren zwischen 1935 und 1945 Sitz des sogenannten Thüringer Landesamtes für Rassewesen, das in Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen der Universität Jena rassistisch motivierte Studien über die Thüringer Bevölkerung durchführte, Schulungskurse in Fragen von sogenannter Rassekunde und Eugenik anbot oder Gutachten für die euphemistisch als Erbgesundheitsgerichte bezeichneten Entscheidungsgremien der Eugenik-Verbrechen ausstellte. Der Direktor dieses Amtes, der nationalsozialistische Sportarzt Karl Astel, wurde 1939 Rektor der Jenaer Universität, bis er sich im April 1945 das Leben nahm. Seit den 1950er Jahren wurden die Gebäude erst durch die Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (HAB) und dann durch die Bauhaus-Universität Weimar genutzt. Zwar schweigen die Gebäude selbst zu dieser Vergangenheit. Angehörige der Universität haben es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, ihnen eine Stimme zu geben, die Geschichte der Gebäude aufzuarbeiten und daran zu erinnern.
Das Gebäude in der Belvederer Allee 6, heute Sitz des Büros des Kanzlers sowie des Dezernats Personal der Bauhaus-Universität Weimar, war ein sogenanntes Ghettohaus. Das 1900 errichtete Wohnhaus der Familie Fleischer ging nach dem Tod des Kunstschul-Professors Friedrich Fleischer im Jahr 1937 an seine Frau Jenny Fleischer-Alt, eine in Weimar und darüber hinaus bekannte Sängerin. Mit der rassistischen Gesetzgebung der Nationalsozialisten fand eine zunehmende Entrechtung statt, ab 1940 wurden Jüdinnen und Juden im Haus zwangseinquartiert. Als Folge der anhaltenden Demütigungen und aus Angst vor der anstehenden Deportation nahm sich Jenny Fleischer-Alt zusammen mit ihrer Nichte Edith Gàl im Jahr 1942 das Leben. Die anderen Bewohner*innen des Hauses wurden in der Folge deportiert und das Haus zur Isolierstation des städtischen Krankenhauses umgebaut. Nach der Nutzung durch ein Ingenieurbüro in der Nachkriegszeit beherbergte es seit den 1970er Jahren das Institut für Marxismus-Leninismus der damaligen HAB Weimar. Nach 1990 wurde es saniert und wird seitdem für Funktionen der Universitätsverwaltung genutzt. Seit 1996 erinnert eine Gedenktafel am Eingang an die im Haus einquartierten Jüdinnen und Juden.
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