Fragen nach der grundsätzlichen Definition von Digital Heritage und damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten bildeten den Fokus des abendlichen Austauschs, das von Professor Jan Willmann moderiert wurde. Was versteht man überhaupt unter Digital Heritage, was sind disziplinäre und interdisziplinäre Möglichkeiten und worin liegen überhaupt die wesentlichen Herausforderungen einer Verzahnung von „Digitalisierung“ und „Heritage“?
Laut Dr. Franziska Klemstein – Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Digital Humanities – müsste zunächst grundsätzlich differenziert werden: zwischen digitalem Erbe im Sinne von Daten, die digital entstehen und digitalisiertem Erbe, das heißt, digital erfasste Bestände oder Bauten. Beide Bereiche, so Dr. Klemstein, stellen sowohl in Form als auch Inhalt ganz unterschiedliche Herausforderungen dar. Um hierfür passende Methoden zu entwickeln, müsse es daher mehr Gelegenheit für gemeinsame Projekte und Explorationen geben. Dem stimmte auch Dr. Dirk Wintergrün, Direktor der Querschnittsdirektion Digitale Transformation an der Klassik Stiftung Weimar, zu. Dort spiele vor allem die Ermöglichung von Teilhabe an Kulturerbe durch Digitalisierung sowie die Vermittlung diesbezüglicher Möglichkeiten, aber auch Risiken, eine zentrale Rolle.
Wie unterschiedlich sich die jeweiligen Kontexte auf den Umgang mit Digital Heritage auswirken, zeigten die Redebeiträge von Dr. Markus Wegewitz, Koordinator des Digitalisierungsprojekts an der Gedenkstätte Buchenwald, eindeutig auf. Digitalisierung könne zwar die Zugänglichkeit breiter (immaterieller und materieller) Bestände ermöglichen, allerdings stellten sich bei historischen Täter- und Opferdaten mitunter datenschutzrechtliche Herausforderungen, die schwer zu lösen seien und weitergehende Debatten notwendig machen.
Den Vorschlag Dr. Klemsteins, dass kritische Medienbildung schon im Schulalter Bestandteil der Lehre sein sollte, unterstützte auch Prof. Dr. Sander Münster von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seine Junior-Professor für Digital Humanities beschäftige sich daher auch mit der Lehrforschung, um digitale Kompetenzen aufzubauen und differenziertere Lehr- und Lernperspektiven einzunehmen. Zusätzlich verwies Prof. Dr. Sander Münster auf die vielfältigen medialen, gesellschaftlichen und rechtlichen Aspekte der Digitalisierung des Kulturerbes und bekräftigte damit die Notwendigkeit, einer grundsätzlichen – und insbesondere fachübergreifenden – Auseinandersetzung mit Digital Heritage.
Hierzu bestätigte Prof. Dr. Steffen de Rudder, Professur für Städtebau an der Bauhaus-Universität Weimar, dass auch aus entwerferisch-städtebaulicher Perspektive die Digitalisierung des Kulturerbes eine wesentliche Rolle spielt und in Lehre und Forschung zunehmend relevant wird, u.a. durch digital-erfasste historische Stadtquartiere und die Möglichkeit, diese auch aus der Distanz zu erleben und planerisch zu nutzen. Auch die Covid-19-Pandemie hat hier, so Prof. Dr. Steffen de Rudder, eine wesentliche Rolle gespielt – nicht nur für die Erschließung neuer technologischer Möglichkeiten, sondern auch zur Schärfung des Bewusstseins im Umgang mit Digitalität an sich.
Vom Internationalen Heritage-Zentrum wünsche man sich nach anderthalb Stunden Diskussion, dass an den beteiligten Institutionen auch zukünftig mehr Raum für einen (fachübergreifenden) Austausch zu aktuellen Themen der Digitalisierung des Kulturerbes geschaffen wird. Hinzu kommt die Realisierung gemeinsamer Projekte und insbesondere die Kommunikation entsprechender Vorhaben. Die lebhafte Diskussion, die sowohl in Präsenz wie auch online verfolgt wurde, war daher als Anfang einer längeren Auseinandersetzung mit Digital Heritage gedacht, wonach weitere Veranstaltungen und Initiativen sicherlich folgen werden.
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