Martina Mellenthin Filardo, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Baubetrieb und Bauverfahren, und Judith Krischler, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur Intelligentes Technisches Design und BIM-Expertin bei der DB Netz AG, haben sich intensiv mit der Methodik des Building Information Modelings (BIM) beschäftigt. Herausgekommen ist ein Nachschlagewerk aus der Reihe BIM Basics, das sich mit Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) befasst, die entscheidend für erfolgreiche BIM-Projekte sind. Wir haben mit den beiden Wissenschaftlerinnen über ihr neues Buch gesprochen und sie gefragt, ob es Frauen in der Ingenieurwissenschaft schwerer haben.
Im Oktober dieses Jahres ist Ihr neues Buch erschienen. Wie kam es zur Buchidee und warum wollten Sie es schreiben?
MMF: Zu der Buchidee kam es recht spontan. Im Herbst 2019 war ich bei einem Treffen der buildingSMART Gruppe Mitteldeutschland (nun umbenannt in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) und habe zu dem Thema AIA einen Vortrag gehalten. Das Treffen war gut besucht und meiner Präsentation folgte eine der längsten und engagiertesten Diskussionen. Wilma Marx, eine der Hauptmitstreitenden des buildingSMART-Verlags, hat mich daraufhin angesprochen. Wir erkannten die Notwendigkeit für mehr zugängliche Literatur zu dem Thema AIA. Und so machte ich mich an die Arbeit. Dabei fiel mir auf, dass meine Kollegin, Freundin und nun Co-Autorin Judith Krischler da eine hervorragende Partnerin darstellte. Unsere Sichten auf das Thema und unser Background ergänzten sich in den ersten Gesprächen wunderbar und genau so lief es auch während der ganzen Bearbeitung!
JK: Die Notwendigkeit dieses Buch zu schreiben, liegt auch darin, dass viele kleine und mittelständische Unternehmen oft nicht die Kapazitäten haben, viel Arbeitskraft für die Einarbeitung in die BIM-Thematik aufzuwenden. Das Buch soll helfen, einen Einstieg in die Thematik zu finden, ohne dabei unnötig aufgebläht zu sein. Die relevanten Themen werden angerissen, es finden sich zudem Hinweise auf vertiefende Literatur und relevante Normen sowie auf Veröffentlichungen vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Aus unserer Sicht ein perfekter Einstieg für Vielbeschäftigte.
Sie behandeln in Ihrem Buch die Thematik des Building Information Modeling (BIM) und legen Ihren Fokus dabei gezielt auf die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA). Können Sie kurz erläutern, worum es sich bei den beiden Aspekten handelt und wie Ihr Werk inhaltlich aufgebaut ist?
JK: Building Information Modeling ist eine Arbeitsmethodik, welche digitale Modelle von Bauwerken in den Mittelpunkt des Lebenszyklus stellt. Diese enthalten dann sowohl geometrische Informationen zu den Bauwerken, als auch Informationen zum Planen, Bauen und Betreiben. Oft wird der Vergleich gezogen, dass es sich von der Umstellung auf die Arbeitsmethode BIM um eine ähnlich große Veränderung handelt wie damals von der Umstellung von Stift und Papier auf computergestützte Planung. Die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) sind ein Schlüsseldokument bei der vertraglichen Verankerung von BIM in Bauprojekten. Dieses Dokument stellt die Grundlage für BIM-gestützte Prozesse dar und erläutert, welche Informationen im Modell vorhanden sein sollen, für welche Anwendungsfälle diese genutzt werden und wie Prozesse z.B. die Qualitätssicherung ablaufen sollen. Dabei definiert das Dokument diese Anforderungen aus Auftraggebersicht, daher der Name.
MMF: In unserem Buch führen wir die Lesenden kurz in die BIM-Thematik ein und anschließend durch ein solches Dokument, also durch eine AIA. Dabei gliedern wir AIA-Dokumente in geschäftliche, Management- und technische Anforderungen. Zu allen Gliederungspunkten gibt es Erläuterungen und hin und wieder auch ein paar Tipps. Auch hilfreich kann das Glossar am Ende des Buchs sein, in dem verwendete Begriffe samt englischer Übersetzung kurz und prägnant dargestellt werden.
Sie haben das Buch während des ersten Lockdowns geschrieben. Hatte dies einen Einfluss auf Ihre Arbeitsweise?
MMF: Wir konnten im ersten Lockdown zum Glück im Home-Office weiterhin gut arbeiten. Etwa jede dritte Woche haben wir uns nach Feierabend online getroffen und sind die einzelnen Abschnitte durchgegangen, haben unsere Texte gegenseitig gelesen und besprochen.
JK: Das hat ziemlich gut geklappt! Wir haben uns – bis auf ein einziges Treffen in Präsenz im Juli 2020 – lediglich in Onlinekonferenzen mit Bildschirmübertragung abgestimmt.
Der Frauenanteil in den sogenannten MINT-Berufen ist auch im Jahr 2020 noch deutlich geringer als der der Männer. Sehen Sie sich als Ingenieurwissenschaftlerinnen in der Pflicht, Ihren Fachbereich voranzubringen?
MMF: Diese Frage müssen wir ganz klar mit ja beantworten. Wir haben während des Schreibens schnell gemerkt, wie schwierig es ist, im Bereich des Bauwesens inklusiv zu schreiben und dies sehen wir in direkter Relation mit der Gleichstellung in der Branche. Allein unser Titelbegriff AuftragGEBER-Informationsanforderungen sagt schon vieles. Natürlich behebt der Sprachgebrauch alleine nicht diesen Missstand, aber das ist etwas, was wir persönlich in diesem Projekt steuern konnten.
JK: Dabei geht es darum, die öffentliche Wahrnehmung so zu verändern, dass es niemand mehr thematisieren muss, ob man als Frau in einem »Männerberuf« ist oder umgekehrt. Auf jeden Fall wollen wir dazu auch unseren Beitrag leisten.
Haben es Frauen Ihrer Ansicht nach schwerer in der Ingenieurwissenschaft Fuß zu fassen als Ihre männlichen Kollegen?
MMF: Ich denke in vielen Branchen der Gesellschaft gibt es sehr verfestigte Rollenbilder und für viele Menschen ist es oft schwierig, sich von diesen zu lösen. Dabei ist es wichtig für kommende Generationen, Berufsbilder unabhängig von den bisher geprägten Rollenbildern zu präsentieren. Frauen durften in der Vergangenheit oft nur unterstützende Tätigkeiten ausüben – wir sind aber im 21. Jahrhundert. Es muss jedem und jeder klar werden, dass diese Zeiten vorbei sind.
JK: Es gibt da noch eine Menge zu tun. Frauen müssen sich da mehr zutrauen, es gibt keinen Grund, kleine Brötchen zu backen! Das gelingt durch positiv-verstärkende Unterstützung untereinander und durch inspirierende Frauen in Schlüsselrollen – nicht nur in der Ingenieurwissenschaft.
Was wünschen Sie sich beide für Ihre wissenschaftliche Zukunft?
JK: Die erfolgreiche Promotion steht natürlich im Vordergrund. Zudem ist aber die Verknüpfung der Erkenntnisse aus der Wissenschaft mit dem Projektalltag ein hochspannendes Thema, vor allem bei dem Einsatz der BIM-Methodik. Zu sehen, dass Erkenntnisse auf der einen Seite auch die andere Seite voranbringen, motiviert mich ungemein und das möchte ich auch in Zukunft miteinander verbinden.
MMF: Wie Judith schon sagte, die Doktorarbeiten in absehbarer Zeit schaffen, das wäre schön. Wir beschäftigen uns in unseren Promotionen einerseits mit dem Thema unseres Buchs und andererseits mit der Einbindung von BIM in frühen Projektphasen, z.B. bei Machbarkeitsstudien und Bedarfsermittlungen. Ansonsten lassen wir uns überraschen: Das letzte Jahr hat uns gezeigt, wie unvorhersehbar alles sein kann.
Das Buch »Basiswissen zu Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA)« der buildingSMART-Reihe BIM Basics von Martina Mellenthin Filardo und Judith Krischler ist ab sofort per Mail über den bSD Verlag oder im Buchhandel erhältlich. Es dient als Handreichung für die Praxis und liefert anhand einer kommentieren Mustergliederung Hintergründe und Tipps auf wissenschaftlicher Basis. Weitere Informationen zum Buch erhalten Sie unter: https://www.buildingsmart.de/buildingsmart/aktuelles/neu-basiswissen-zu-auftraggeber-informationsanforderungen-aia
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