Ulrike Garde (UG): Vielen Dank dafür, dass Sie sich Zeit für ein Interview nehmen. Meine erste Frage lautet „Welche Sprachen sprechen Sie?“
Peter Benz (PB): Darauf habe ich tatsächlich keine ganz präzise Antwort . Ich spreche Deutsch und Englisch fließend, und ich würde sagen, eigentlich auch mehr oder weniger gleich gut. Ansonsten spreche ich zum Beispiel Neugriechisch einigermaßen gut und habe rudimentäre Kenntnisse in einer ganzen Reihe von Sprachen: vor allem Spanisch, aber auch Französisch, Japanisch oder Kantonesisch. Ich habe einmal Russisch gelernt, aber ich würde es nicht darauf ankommen lassen, meine Kenntnisse anwenden zu müssen. Außerdem hatte dass ich neun Jahre Latein in der Schule. Das ist keine gesprochene Sprache, trotzdem hat sie mir in meinem Leben doch erheblich geholfen.
UG: Wie haben Sie die Sprachen, die Sie sprechen, gelernt?
PB: Ich bin in Griechenland aufgewachsen, bin dort in den Kindergarten gegangen und habe dort Griechisch gelernt. Unsere Nachbarn waren meist Amerikaner oder Engländer, daher kann ich Englisch. Zuhause haben wir Deutsch gesprochen. Das waren meine drei Grundsprachen. Einige weiteren Sprachen, wie Französisch und Latein, habe ich vor allem in der Schule gelernt.
Meine Mutter ist Peruanerin, wir haben allerdings zu Hause kein Spanisch gesprochen; das habe ich eher nebenher irgendwie aufgeschnappt. Andere Sprachen, zum Beispiel Russisch, Japanisch und Kantonesisch, habe ich in Sprachkursen angefangen. Danach kam es darauf an, ob ich die Sprache wirklich im täglichen Leben gebraucht habe: Kantonesisch habe ich während meiner Zeit in Hongkong im Alltag anwenden können und entsprechend ist es lebendig geblieben. Andere Sprachen – wie Russisch und Japanisch – sind dann letztlich irgendwann weggefallen.
UG: Darüber würde ich gerne noch mehr erfahren: Welche Rolle spielen die kulturellen Aspekte, die mit den jeweiligen Sprachen verbunden sind, in Ihrem alltäglichen Leben?
PB: Die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse haben über lange Strecken meines Lebens sehr große Rollen gespielt. Wie gesagt, bin ich in Griechenland aufgewachsen und zuletzt habe ich 17 Jahre in Hongkong gelebt. Damit habe mehr als die Hälfte meines Lebens im Ausland verbracht, und da war es immer wichtig, die jeweilige Sprache zumindest ansatzweise sprechen zu können und damit Zugang zu den anderen Kulturen zu haben. Es war aber auch wichtig, die Sprache zu sprechen, um selbst auch dazu zu gehören, also sich in eine Gemeinschaft integrieren zu können.
Die Kultur eines Landes drückt sich unter anderem in der Sprachlichkeit aus. Zum Beispiel kann man im Chinesischen, einer tonalen Sprache, eine Frage nicht durch die Tonlage kennzeichnen, sondern man muss sozusagen das Fragezeichen aussprechen. „Ni hao“ heißt zum Beispiel „Du gut“ und wird wir das Deutsche „Hallo“ verwendet; „ni hao ma“ dagegen heißt „Du gut?“. Der Laut „ma“ ist einfach das Fragezeichen, verändert aber die Bedeutung des Satzes zu „wie geht’s?“. Ähnlich kann man in Chinesisch durch angehängte Partikel Höflichkeitsformen ausdrücken. Im Endeffekt kann man über diesen Formen elaborierte soziale Konstrukte sehr effizient und dabei irgendwie niedrigschwellig sprachlich ausdrücken, aber auch heraushören.
Interessant ist, dass ich, obwohl ich nur Basiskenntnisse im Chinesischen habe, über die Sprache gewisse chinesische kulturelle Konventionen angenommen habe. Ich glaube, dass ich heute tatsächlich auch im Deutschen meine Tonalität – im Sinne wie ich bestimmte Dinge in Abhängigkeit zur jeweiligen Situation formuliere – präziser einsetze, weil ich das über das Chinesische gelernt habe. Das hat scheinbar auf mich abgefärbt.
UG: Interessant; eine ähnliche Erfahrung habe ich mit dem australischen Englisch gemacht.
Am Sprachenzentrum gibt es auch Kursteilnehmende, die Sprachen vor allem aus akademischen oder aus beruflichen Gründen lernen. Von daher lautet meine nächste Frage: Inwieweit haben die Sprachen, die Sie gelernt haben, Ihre akademischen und beruflichen Erfahrungen beeinflusst?
P.B: Hätte ich kein Englisch gekonnt, hätte ich nicht im Ausland unterrichten können, hätte ich keine Professur gekriegt, wäre ich heute also nicht da, wo ich jetzt bin. Hätte ich nicht zumindest ansatzweise ein wenig Kantonesisch gelernt, hätte ich mich in meiner Position in Hongkong nicht durchsetzen können und hätte mich dort nicht wohl gefühlt. Insofern lassen sich in gewisser Weise professionelle oder akademische Aspekte von der Bedeutung der Sprache im Alltag nicht trennen. Aber zweifellos waren die Sprachkenntnisse ganz wesentlich für meinen beruflichen Werdegang.
UG: Sie sprechen schon sehr viele Sprachen. Angenommen, Sie würden eine weitere lernen. Wie würden Sie heute eine weitere Sprache lernen?
PB: Ein wenig hängt es davon ab, wofür ich die Sprache brauche und warum ich sie lernen möchte. Zum Beispiel will ich sie einfach nur zum Spaß lernen und kann mir beim Lernen Zeit lassen? Oder brauche ich sie jetzt konkret und schnell, weil ich bald irgendwo hinziehe? Tendenziell würde ich wahrscheinlich erst einmal an einem geeigneten Sprachkurs teilnehmen. Im Anschluss würde ich mir möglicherweise einen Privatlehrer suchen.
UG: Bewegen wir uns gedanklich vom Sprachenzentrum zur größeren Institution, also der Bauhaus-Universität Weimar. Welche Rolle spielt hier die Mehrsprachigkeit, und wie könnte man Mehrsprachigkeit im Universitätsalltag fördern?
PB: Leider spielt sie wahrscheinlich keine genügend große Rolle. Man kann an der Bauhaus-Universität im Allgemeinen gut überleben, wenn man nur Deutsch sprechen kann. Diese Sprachkenntnisse sind für große Teile unserer Studierenden und Mitarbeitenden völlig ausreichend. Tatsächlich bin ich jedoch auch aus Gründen meiner persönlichen Biografie davon überzeugt, dass die Fähigkeit, in mehreren Sprachen kommunizieren zu können und die vorhin beschriebenen kulturellen Werte erleben und über sie verfügen zu können, das Leben reicher macht.
Insofern wäre es tatsächlich schön, mehr Mehrsprachigkeit an der Universität zu haben, wobei im professionellen und/oder institutionellen Kontext dann immer gleich an Englisch gedacht wird. Englisch ist eine Sprache, die ich persönlich sehr gerne mag, aber ich finde, allein Englisch als Merkmal für Mehrsprachigkeit anzusetzen, zu einfach. Ich hätte gerne eine Mehrsprachigkeit, die tatsächlich eine Mehrsprachigkeit ist, d.h. ein fluides Wechseln zwischen mehreren verschiedenen Sprachen – also zum Beispiel von möglicherweise von Englisch nach Spanisch und Russisch dann Vietnamesisch – fände ich tatsächlich noch schöner. Ich weiß, das ist utopisch, da werden wir noch ein bisschen brauchen, aber es wäre inhärent wertvoll.
UG: Eine Frage zu Sprachen und Kreativität. Ich habe gehört, Sie mögen Löffel. Wenn jede Sprache, die Sie sprechen, ein Besteckteil wäre, welches Gerät würden Sie mit welcher Sprache assoziieren und warum?
PB: Ich bin tatsächlich ein enthusiastischer Löffelsammler, ab Löffel sind natürlich nicht das einzige Besteck. Wenn ich also an Messer, Gabel und Löffel denke…
Ich glaube, ich muss ein wenig ausholen: Ich bin kein besonders musischer Mensch; allerdings ist mir bei einer Sprache deren Klang sehr, sehr wichtig. Ich mag zum Beispiel Kantonesisch, aber nicht Mandarin, obwohl beide aus dem gleichen Sprachbereich kommen. Aber im Gegensatz zu Mandarin hat Kantonesisch große Vokale, einen sehr großen Tonumfang, eine sehr ausgeprägte Rhythmik, sehr hart ausgeprägte Endungen, die die man klar hören kann. Das gefällt mir besser als die Verschliffenheit der Laute im Mandarin. Auch Französisch oder Portugiesisch mag ich aus dem gleichen Grund nicht. Wenn ich also Besteck mit Sprachen vergleichen soll, dann wären tatsächlich diese weichen, verschliffenen Sprachen die Löffel, in denen die einzelnen Element weich in einander übergehen. Und dann gibt es die Gabeln: das sind die Sprachen mit Spitzen, mit Aufs und Abs, wie z.B. im Kantonesischen. Und dann muss man natürlich noch überlegen, was die Messer sind. Das kann ich jetzt gerade nicht sagen; aber es gibt die Gabeln, und es gibt die Löffel, und zumindest bei den Sprachen bevorzuge ich die Gabel.
UG: Vielen Dank. Zu literarischen oder kulturellen Werken in den Sprachen, die Sie sprechen. Gibt es Werke, die Sie besonders berührt oder beeinflusst haben? Ich könnte mir z.B. vorstellen, Deutsch lernen zu wollen, allein um Kafka im Original lesen zu können...
PB: Im Deutschen ist es für mich Georg Büchner, dort insbesondere Leonce und Lena, aber auch Lenz. Das sind Werke, die ich unter anderem aufgrund ihrer Sprachlichkeit fantastisch finde.
Im Englischen – das ist jetzt ein bisschen flacher – mag ich Limericks und die englischen puns, die Wortspiele, die man in der Sprache vielleicht besonders gut machen kann… In dem Zusammenhang muss ich zugeben, dass ich nach wie vor große Freude an den Kinderbüchern von Dr. Seuss habe, zum Beispiel Green Eggs and Ham oder die Sneetches. Das ist keine große Literatur, aber den kreativen Umgang mit sehr simpler Sprache finde ich amüsant. Im Chinesischen gefällt mir die Bildhaftigkeit, der Bildreichtum; meine Theorie ist, dass die Sprache so geworden ist, weil die Schriftzeichen ihren Ursprung in Piktogrammen – also in Bildern – haben, und das wirkt sich aus: Chinesische Beschimpfungen sind ganz wundervoll bildgewaltig.
UG: Ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
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