Staub, Patina, Zelluloid.

Rekonstruktionen der Moderne in Bild, Architektur und Film

Dieses Film- und Forschungsprojekt untersucht Diskurse und Methoden der Rekonstruktion von Architekturobjekten der Moderne.
Während der Architekturdiskurs der unmittelbaren Nachkriegszeit noch von moralischen Appellen zum Bruch mit der Geschichte geprägt war und sich gegen den Wiederaufbau der Städte richtete,  hat sich heute ein breiter Konsens für historische Kontinuität etabliert, der sogar die Wiederherstellung von alten Stadtbildern und kompletten historischen Ensembles durchsetzten konnte. Solcherart ‚städtebauliche’ und ‚architektonische’ Korrektur hat eine zeitliche Dyslexie geschaffen, in der Architekturen des 19. Jahrhunderts ‚nach’ Architekturen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts gebaut werden und somit ganz neue Ansprüche und Anforderungen an junge Architekten und Gestalter stellen.

Uns soll in diesem Projekt interessieren, wie solcherart Geschichtsverständnis durch Medien vorbereitet und instrumentalisiert wird, und wie sich architekturtheoretische und denkmalpflegerische Methoden  seit der Nachkriegszeit verändert haben. Eine besondere Problemstellung in diesem Diskurs stellt dabei die Rekonstruktion von Gebäuden der Moderne, die sich einst durch ihre Funktionalität, Ornamentlosigkeit, Einfachheit und kostengünstige Reproduzierbarkeit von den elitären Projekten der Vergangenheit zu lösen versucht hatten, dar. Grober Sichtbeton oder einfach verputzte und weiß gestrichene Außenwände, werden nun ebenso akribisch rekonstruiert und analysiert wie edle Gesteinsoberflächen.

Die Moderne hat sich die Farbe Weiß für seine Architekturprinzipien angeeignet, um Unberührtheit, Reinheit, Neubeginn oder bewusst gewählte Nacktheit ohne Dekoration und unnötigem Ornament darzustellen. Le Corbusier bezeichnete bekannterweise 1924 die Farbe Weiß als das ‘Auge der Wahrheit’! In perfekt wiederhergestellten Gebäuden, wie dem Haus Tugend hat oder dem Bauhausgebäude in Dessau zeigt sich, wie die kürzlich unternommene Entfernung des Staubes und der Patina, zum Teil befremdliche Eindrücke vermittelt, die der Vorstellung vom Original nicht zu entsprechen scheint. Eine Reflektion über die ‚Politik des Staubes’ in der Architekturgeschichte des sogenannten International Style wird uns zu geographisch weitergefassten kulturpolitischen Fragestellungen führen.

Wir werden uns in diesem Projekt mit Zeitzeugen, Architekten, Denkmalpflegern und Dokumenten in Archiven und Nachlässen beschäftigen und durch filmisch dokumentierende Arbeiten versuchen, Eigenheiten und Widersprüche in den Rekonstruktionsprojekten der Moderne zu hinterfragen. Es ist angedacht, die Forschungsarbeiten dieses Projektes in einer Ausstellung zu präsentieren.

 

English
Dust, patina and celluloid. The reconstruction of modernism in image, architecture and film.

This project investigates peculiarities and paradoxes in the reconstruction of modernist architecture.

Modernism adopted the colour white for its architectural principles to present purity, new beginning and an effortless nakedness without decoration or unnecessary decoration. Le Corbusier described the colour white in 1924 as the ‘eye of truth’. However, in perfectly reconstructed iconic buildings of modernism such as House Tugendhat or the Bauhaus building in Dessau which recently removed dust and patina, the ‘new’ white communicates rather alienating effects which seem to betray our ‘image’ of the original. Furthermore we will engage with the ‘politics of dust’ in the architecture of the so-called International style which will lead us to cultural differences and geo-political concerns that affect the meaning of reconstruction of modernism.

In this project we will interview and engage with contemporaries, architects, artists, preservationists as well as with archives, academic literature and a series of documents about specific reconstruction projects. We will use and produce a variety of photographic material, experiment with collages, learn about filming, editing and recording and will aim to present our research in an exhibition.

 

Betreuer:

Prof. Dr. Ines Weizman, Juniorprofessur Architekturtheorie

Dr. Norbert Korrek, Theorie und Geschichte der modernen Architektur

Dr. Christiane Wolf, Archiv der Moderne

Wolfram Höhne, Medien Ereignisse, Fakultät Medien

Gast-Lektoren

Volkmar Umlauft, Berlin

Markus Schlaffke, Weimar

 

Obligatorische Seminare:

Seminar: Zur Bauhaus-Rezeption an der Weimarer Hochschule nach 1960, Dr. Norbert Korrek
Einführung zu Interview und Film, Wolfram Höhne, Blockseminare (siehe Projektprogramm) 

Wahlseminare:
Vorlesung Medien der Architekturtheorie, Mittwochs, 17:00- 18:30 Uhr (siehe Terminplan), Prof. Dr. Ines Weizman
Vorlesungsreihe Bauhaus ARGUMENTE, Mittwochs 19:00-20:30 Uhr (siehe Terminplan)http://documentary-architecture.org


Weitere Informationen:
http://documentary-architecture.org
Termin: donnerstags 9:15 – 16:45, HG,  Raum
Beginn: 15. Oktober 2015