Jonathan Jaschinski, Bachelor-Thesis 2019
Modernistische Architektur in Afrika wird häufig als Ausdruck der Selbstbestimmung der jungen Nationen verstanden – obwohl es zumeist europäische Architekten waren, die diese Gebäude westlichen Traditionen folgend planten. Im Gegensatz dazu wird in dieser Arbeit modernistische Architektur in ihrem kolonialen Kontext untersucht. Mithilfe der postkolonialen Theorien Homi Bhabhas werden diskursive Verhandlungen über das Medium der Architektur herausgearbeitet, die sowohl Widerstand und Handlungsmacht der Kolonisierten als auch Machtstrategien der Kolonisierenden zutage fördern.
Gegenstand der Analyse sind zwei Gebäude des Architekten Ernst May im kolonialen Ostafrika: das nur als Prototyp realisierte Typenhaus Hook-on slab (1945) und das KNCU-Hauptquartier in Moshi (1949-53). Im Ergebnis zeigt sich, dass das allein für Afrikaner*innen konzipierte Typenhaus als Instrument der Kontrolle von Wanderarbeiter*innen und der Markierung ihrer Andersheit dient. Das KNCU-Hauptquartier, von einer halbstaatlichen Genossenschaft in Auftrag gegeben, transportiert durch seine kolonial-modernistische Gestaltung westliche Ideologien von Rationalität und Entwicklung, während es gleichzeitig die Überlebensstrategie der Kolonisierten ausdrückt, die dominierende Kultur nachzuahmen. Schlussendlich ist es aber die Umdeutung der Architektur durch Kolonisierte, die die beiden Gebäude von einem Symbol der kolonialen Herrschaft zu einem Symbol des Widerstands werden lassen und damit die Architektur zu einem Ort der Verhandlung machen.
Betreuung:
Vertr.-Prof. Dr. phil. habil. Eva von Engelberg, Professur Theorie und Geschichte der modernen Architektur
Anton Brokow-Loga, M.Sc., Professur Sozialwissenschaftliche Stadtforschung