Was bleibt? Besetzte Häuser als (im)materielles Erbe und case studies für prozesshaftes Entwerfen
Das Projekt verfolgt das Ziel, innerhalb eines Jahres ein politisch brisantes Thema mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Inhaltlich werden wir aus vorwiegend denkmalpflegerischer und architekturtheoretischer Sicht auf besetzte Häuser der Jahre 1970 bis 1999 in Weimar, Berlin und Wien schauen. Wir erwarten Erkenntnisse sowohl für die in der Denkmalpflege virulente Diskussion um immaterielle Denkmalwerte und Substanzerhalt als auch für die in der Architekturtheorie aktuelle Forschung zu zeitgenössischen Entwurfspraktiken. Die übergeordnete Frage lautet: Was bleibt von Hausbesetzungen?
Hausbesetzungen und die damit verbundenen Subkulturen sind eine wesentliche Facette der Identität der Stadt Berlin. Seit den 1970er Jahren etablierte sich die Besetzung von Gebäuden als Protestform, als politischer Gegenentwurf, zur Wohnraumsicherung und als Experimentierfeld des Zusammenlebens. Viele Häuser wurden durch die Besetzungen überhaupt erst vor einem geplanten Abriss bewahrt. Sie wurden „instandbesetzt“ und sind heute oft eingetragene Denkmale. Neben dem damit erzielten Gebäudeerhalt schrieb sich die Nutzung durch die Besetzer*innen in die Gebäudesubstanz ein – beispielsweise durch geänderte Grundrisse, künstlerische Gestaltungen von Wänden und Fassaden oder auch durch Barrikaden. Die Aneignung der Häuser erfolgte dabei oft spontan und den jeweiligen Bedürfnissen angepasst, gleichzeitig wurden die Häuser oft über einen langen Zeitraum immer wieder verändert. Diese Einschreibungen legen die Prozesshaftigkeit der Architektur offen: Architektur verändert sich im Gebrauch, in der Zeit, mit ihren Bewohner*innen und bei Hausbesetzungen auf eine spezifische Art.
Einige besetzte Häuser wurden letztlich legalisiert, viele andere wurden und werden geräumt. So verschwinden Stück für Stück Gebäude, Räume und damit auch Milieus, die wesenhaft zur Stadt Berlin gehören. Die Gebäude selbst jedoch bleiben und werden weiterhin genutzt. Was aber bleibt von den Hausbesetzungen?
Dieser Frage widmen wir uns in unserem einjährigen Forschungsprojekt an der Bauhaus-Universität Weimar. Aus den Perspektiven der Architekturtheorie, Denkmalpflege und Urbanistik blicken wir auf das Erbe von Hausbesetzungen und stellen uns folgenden Fragen: Wie steht es um den Erhalt besetzter Häuser und der materiellen Spuren ihrer Besetzung? Genügt es, wenn die Gebäude bleiben? Eignet sich der Denkmalschutz hierbei als Erhaltungsinstrument? Gleichzeitig: Welche Prozesse der Aneignung der Häuser und Wohnungen gab es? Existieren hierzu Dokumentationen oder Spuren? Und nicht zuletzt: Wer sind die Akteur*innen, wer erbt, wer schreibt fort?
Zeitraum: November 2022 - Oktober 2023 (verlängert bis März 2024)
Finanzierung: 22.990€
Bearbeiterinnen: Dr. Kirsten Angermann (Forschende), B.Sc. Franka Fetzer (Forschungs-Fellow), Dr. Ulrike Kuch (Forschende/Projektleitung)
Kooperationspartner: Landesdenkmalamt Berlin, Berliner Archiv der Jugendkulturen