Call

Call zur Tagung „Zivilgesellschaftliches Engagement und Stadterneuerung“

Tagung zum Jahrbuch Stadterneuerung und Jahrestagung des Instituts für Europäische Urbanistik am 28. und 29. November 2024 in Weimar

Arbeitskreis Stadterneuerung an deutschsprachigen Hochschulen

Bauhaus-Universität Weimar, Institut für Europäische Urbanistik, Lehrstuhl Raumplanung & Raumforschung

  • Wissenschaftliche Fachtagung mit Praxisbezug für Absolvent*innen, Promovierende, Forscher*innen
  • Interessierte Praktiker*innen aus Verwaltung, Büros und Zivilgesellschaft

In der Stadterneuerung ist die Zivilgesellschaft oft ein treibender Akteur: Bei der Gestaltung von öffentlichen Räumen und der Sanierung leerstehender Gebäude in Selbsthilfe, in der Baukultur mit Engagement für die „Neue Altstadt“, bürgerschaftlicher Initiative zur Aktivierung von Innenstädten oder Stiftungen zur gemeinwohlorientierten Bodenpolitik – die engagierte Zivilgesellschaft kommuniziert, initiiert, projektiert und trägt somit aktiv zur Stadterneuerung bei.

Der Begriff Zivilgesellschaft meint stets nichtstaatliche und nichtunternehmerische Akteure. Ihr Engagement in der Stadterneuerung umfasst politisch, unternehmerisch und sozial ausgerichtete Tätigkeiten in der Bestandsentwicklung – dies schließt klassisches Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Protest mit ein. Sie können als Intermediäre, Raumpionier:innen und Raumunternehmer:innen auftreteten ebenso wie Vereine und Initiativen. Jedoch geht mit dem Begriff „Zivilgesellschaft“ auch eine Begrenzung einher: Es bedarf eines gewissen Grads an Institutionalisierung, damit aus dem Engagement einzelner Bürger:innen eine bürgerschaftliche Initiative und schließlich eine zivilgesellschaftliche Organisation wird.

Zivilgesellschaftliches Engagement wird dabei in der Regel positiv konnotiert. „Zivil“ steht für einen zivilisierten Umgang miteinander ebenso wie für humanitäre Grundwerte. „Engagement“ bedeutet, sich freiwillig und selbst aktiv einzusetzen. In der Kombination kann zivilgesellschaftliches Engagement als auf gesellschaftliche Werte und/ oder am Gemeinwohl orientiert aufgefasst werden. Durch die selbstorganisierte, häufig ehrenamtliche und nicht auf Profit ausgelegte Tätigkeit können soziale Integration erreicht, Netzwerke gebildet, Sozialkapital gestärkt oder die soziale Infrastrukturausstattung verbessert werden – und dies in unterschiedlichen räumlichen Maßstäben von der Hausgemeinschaft bis zum Quartier, in die Gesellschaft und unterschiedliche Akteurssphären hinein.

Diese positiven Zuschreibungen können allerdings im Kontrast zur Realität stehen und diese sogar verdecken, wenn mit dem Engagement private Interessen oder dem Gemeinwohl entgegenstehende Ziele verfolgt werden. Auch kann mit der Förderung von ehrenamtlicher Arbeit eine Responsibilisierung der Zivilgesellschaft für staatliche Aufgaben und ein Rückzug des Staates einhergehen. Insbesondere im Rahmen der Bund-Länder-Programme wurden hierzu zwiespältige Erfahrungen gesammelt, wenn mit weniger Fördermitteln mehr ehrenamtliches Engagement erwartet wurde. Diese Formen des „top-down aktivierten“, instrumentalisierten Engagements bleiben außerdem oftmals auf die Förderperioden beschränkt, wenn keine Verstetigungsstrategie folgt.

Nachdem es in den vergangenen Tagungen oftmals eine wichtige, aber stets dem jeweiligen Thema untergeordnete Rolle gespielt hat, soll dieses Jahr das Verhältnis von Stadterneuerung und zivilgesellschaftlichem Engagement grundsätzlich thematisiert werden. Dabei werden unterschiedliche Handlungsfelder der Stadterneuerung und Städtebauförderung angesichts unterschiedlicher Formen des Engagements betrachtet – von institutionalisierten bis hin zu emanzipativen Initiativen oder selbstorganisierten Protesten. Willkommen sind sowohl Einzelfallstudien, vergleichende Ansätze, die etwa Unterschiede zwischen Programmen, Programmgebieten, Landesteilen oder Stadt- und Raumtypen untersuchen, als auch überblicksartige und analytische Beiträge denkbar. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragen:

1) Zivilgesellschaftliche Strukturen in der Stadterneuerung

Wie und in welchem Maße wirkt zivilgesellschaftliches Engagement an der Stadterneuerung mit?

  • Wie unterscheidet sich zivilgesellschaftliches Engagement von Formen der Partizipation? Wer engagiert sich – warum (Ersatz/Kooperation/Protest)?
  • Welche Unterschiede bestehen im Engagement alten und neuen Ehrenamts - wie werden etwa traditionelle Vereine und Verbände in die Stadterneuerung eingebunden?
  • Welche Formen der Responsibilisierung entstehen bei der Mitwirkung von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Rahmen der Stadterneuerung und wie werden diese in der Praxis bewertet?
  • Welche Rahmenbedingungen im Sinne von Möglichkeitsstrukturen für zivilgesellschaftliches Engagement bestehen mit Bezug zur Stadterneuerung?
  • Wie und unter welchen Herausforderungen sind (neue) Strukturen entstanden und konnten gefördert bzw. verstetigt werden?

2) Praxis und Prozesse zivilgesellschaftlich orientierter Stadterneuerung

  • Was kann aus Praxisbeispielen gelernt werden, bei denen bestehende zivilgesellschaftliche Organisationen in Stadterneuerungsvorhaben integriert wurden?
  • Wie können zivilgesellschaftliche Organisationen Teil kooperativer Stadterneuerungsvorhaben und privat-öffentlicher Partnerschaften werden?
  • Steigert zivilgesellschaftliches Engagement die soziale Integration, urbane Resilienz und das Zusammenleben in Quartieren? Welche (sozialen) Innovationen werden sichtbar?
  • Welche Beiträge leistet zivilgesellschaftliches Engagement zur sozialen und baulichen Erneuerung von Quartieren und darüber hinaus?
  • Welche Ressourcen und Kapazitäten benötigen zivilgesellschaftliche Akteure, um sich an Stadterneuerungsvorhaben zu beteiligen?

3) Zivilgesellschaft, Stadterneuerungsstrategie- und politik

  • Welche Herausforderungen und Chancen entstehen für die lokale Stadterneuerungspolitik durch die Mitwirkung der Zivilgesellschaft?
  • Welches politische Engagement der Zivilgesellschaft lässt sich mit Bezug zur Stadterneuerung feststellen? Wie unterscheidet es sich von anderen Formen der Partizipation?
  • Wie verändert sich lokale Stadterneuerungspolitik hinsichtlich ihrer Zielsetzungen und Beteiligungsverfahren, wenn zivilgesellschaftliche Organisationen mitwirken?
  • Inwiefern sind Ansätze koproduktiver Stadtentwicklungspolitik auf Kooperation, Engagementföderung oder die Nutzung zivilgesellschaftlichen Engagements für öffentliche Aufgaben der Stadterneuerung ausgelegt?
  • Führt zivilgesellschaftliches Engagement zu gleichberechtigten Partnerschaften zwischen öffentlichen Akteuren und zivilgesellschaftlicher und gemeinwohlorientierter Organisationen? Was sind fördernde, was eher verhindernde Bedingungen?
  • Besteht ein Zusammenhang zwischen starkem zivilgesellschaftlichem Engagement und Kommunen mit kritischer Haushaltslage? Lassen sich Zusammenhänge zwischen Austeritätspolitik und zivilgesellschaftlichem Engagement ableiten?
  • Bedarf es neuer rechtlicher Regelungen zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements und privater Initiative in der Stadterneuerung? Oder sind informelle Verfahren eine gebotene Bedingung gelingender Initiative von unten?

Seit 2008 veranstaltet der Arbeitskreis Stadterneuerung an deutschsprachigen Hochschulen jährlich eine Tagung zu wechselnden Fragestellungen zur Stadterneuerung. Weitere Informationen zum Jahrbuch Stadterneuerung und der Tagung sowie früheren Tagungen des Arbeitskreises finden Sie unter https://www.springer.com/series/14364.

Das Institut für Europäische Urbanistik an der Fakultät Architektur und Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar feiert in diesem Jahr seinen zwanzigsten Geburtstag, Seit 2004 dient es als Ort für Forschung und Lehre in den Bereichen Urbanistik, Planung und Urban Studies. Die IfEU-Jahrestagungen stellen jeweils Forschungsthemen einzelner Lehrstühle in den Mittellpunkt. Anlässlich seines zwanzigsten Bestehens richtet das Institut für Europäische Urbanistik am 27. November 2024 eine Vorabendveranstaltung aus. Weitere Informationen zum Jubliäumsprogramm finden Sie unter https://www.uni-weimar.de/de/architektur-und-urbanistik/institute/ifeu/ifeu-20-jubilaeum/.

Die Veranstalter*innen suchen wissenschaftlich fundierte Beiträge, welche die Problemwahrnehmung schärfen, die Fachdebatte anregen und einen Beitrag zur grundsätzlichen Weiterentwicklung der Stadterneuerung in Deutschland leisten. Nach einer Auswahl durch die Herausgeber*innen des Jahrbuchs Stadterneuerung können ausgewählte Beiträge auf der Tagung in einem Vortrag vorgestellt werden. Anschließend besteht die Möglichkeit, den Beitrag im Jahrbuch Stadterneuerung zu veröffentlichen.

Bitte senden Sie Ihr Abstract (ca. 2.000-3.000 Zeichen) mit Angaben zu Ihrer Person (Kurzvita) bis zum 15. Juni.2024 an ifeu.jahrestagung@uni-weimar.de

Ansprechpartner für Rückfragen ist Jun.-Prof. Dr.-Ing. Grischa Bertram, grischa.bertram@uni-weimar.de

Die Einreichenden eines Abstracts werden voraussichtlich bis zum 15. Juli 2024 über eine Annahme informiert.

Das Jahrbuch Stadterneuerung wird herausgegeben von Uwe Altrock, Grischa Bertram, Ronald Kunze, Detlef Kurth, Jan Polivka, Holger Schmidt, Gisela Schmitt und Renée Tribble.