SONS À TOUS LES ÉtAGES
Ein kräftiger Windstoß, herumwirbelndes Papier und geräuschvolles Pfeifen in den Dachgiebeln -geradezu stürmisch begrüßte der Mistral die sieben aus Deutschland angereisten Künstler der Bauhaus-Universität Weimar bei Ihrem ersten Besuch in den Räumen des Museums Réattu in Arles. Vom architektonischen Charme und den ganz eigenen Klängen des Hauses gleichermaßen beeindruckt, wurde diese beinahe wörtliche Begegnung von Natur und Kultur im Dezember 2009 zur Inspirationsquelle für ein klangkünstlerisches Projekt, das die Studenten der Masterklasse Radiokunst Sound is Art?! am Lehrstuhl für Experimentelles Radio in Weimar unter Leitung von Prof. Nathalie Singer und Andreas Feddersen seither organisiert und umgesetzt haben:
Am 15. Mai, zur Nuit des Musées 2010, wehte eine klangvolle Brise durch alle Etagen des Hauses. Das Museum in Arles wurde dabei zum akustischen Erlebnis, bei dem Architektur, Gegenwartskunst, Klang und Natur zu einem Gesamtkunstwerk verschmelzten.
Im Mittelpunkt der Museumsnacht standen vier Klanginstallationen und eine Komposition, die in das Gebäude integriert wurden. So erweckte die amerikanische Künstlerin Chelsea Leventhal mit ihrer Installation Depths (Echo Chamber) den mittelalterlichen Brunnen im Innenhof des Museums aus seinem Dornröschenschlaf während Jan Frederik Vogt und Markus Westphal die charakteristisch klingenden Baumfrüchte des Gleditsia im Innehof des Museums zum Ausgangspunkt ihrer Installation [die eigene Stimme] machten. Die Elemente Wind und Licht, von den Künstlerinnen Anja Erdmann und Maxie Götze als sehr wesentlich für die Region Arles empfunden, wurden auf kunstvolle Weise in ihrer Installation Luftikus Installation with moving fans thematisiert. Stefan Klemms Arbeit s ear ch ermöglichte dem Besucher, an einer Steuerungszentrale eigenständiger Erforscher seines filigranen Klanggewebes zu werden. Schließlich war Anatol Kempkers Klangcollage Tour et Détours Réattu eine atmosphärische Reise durch das Museum und ein schönes Destillat der akustischen Eindrücke jenes Dezembertages, an dem die Künstlergruppe aus Weimar geleitet von der Museumsdirektorin das mittelalterliche Gebäude zum ersten Mal besuchte. Eine deutsch-französische Begegnung wird hier zum Crossover zwischen Soundart, Hip-Hop und Geschichte.
Neben den Klanginstallationen waren im gesamten Haus außerdem Kompositionen aus dem Studio für Elektroakustische Musik in Weimar (SeaM) zu hören. In diesem Studio, das unter der Leitung von Prof. Robin Minard steht, haben Studenten und angehende Künstler die Möglichkeit, eigene kompositorische Arbeiten zu entwickeln und auf höchstem Niveau zu produzieren.
Abgerundet wurde der Abend mit der Aufführung von Kompositionen einzelner « Meister » aus der dem Museum vermachten Klangkunstsammlung von Deutschlandradio Kultur. Somit setzte diese Nacht der Museen 2010, getreu dem Geist des Ortes, ihren visionären Ruf fort: Ein Laboratorium der Gegenwartskunst zu sein.
Diese Nacht der Museen war ein neuer Ausdruck des Schulterschlusses zwischen dem Museum und Phonurgia Nova. Unterstützt von der Stadtverwaltung wurde so die Entstehung dieser neuen Klangkunstabteilung ermöglicht, dessen Ergebnisse man wo anders in Frankreich bereits beneidet.
Diese beispiellose europäische Kooperation zwischen einem städtischen Museum und der Bauhaus-Universität Weimar wird von Phonurgia Nova unter der Leitung von Marc Jacquin getragen, der hiermit eine institutionelle Schnittstelle zwischen dem Museum Réattu in Arles, dem Lehrstuhl für Experimentelles Radio der Bauhaus-Universität Weimar, dem Studio für elektroakustische Musik (SeaM) in Weimar und Deutschlandradio Kultur geschaffen hat.
Eine weltweite Benutzeroberfläche für Klangkunst
Über die Nacht der Museen hinaus ist eine längerfristige Zusammenarbeit zwischen der Bauhaus-Universität und dem Museum Réattu vereinbart worden, die mit dem glücklichen Umstand zusammenhängt, dass Götz Naleppa, Redakteur von Deutschlandradio Kultur, dem Museum 2008 seine über Jahrzehnte gewachsene Klangkunstsammlung von ca. 200 Werken zur Verfügung gestellt hat. Diese Sammlung ist eine einmalige Zusammenstellung von Kompositionen renommierter Künstler aus allen Teilen der Welt und soll der Öffentlichkeit nun zugänglich gemacht werden, indem sie auf informative und zugleich spielerische Weise in Räumen den Besuchern des Museums langfristig präsentiert wird.
Um diese besondere Aufgabe zu bewerkstelligen, soll in einer Kooperation von Phonurgia Nova (Marc Jaquin), Deutschlandradio Kultur, sowie der Lehrstühle für Experimentelles Radio (Prof. Nathalie Singer) und Interface Design (Prof. Jens Geelhaar) der Bauhaus-Universität Weimar eine kreative Benutzeroberfläche entworfen und im Museum installiert werden. Maxie Götze, Anja Erdmann und Christop Bach werden die künstlerische und technische Umsetzung (Design und Programmierung) realisieren und den Besuchern in naher Zukunft somit die Möglichkeit geben, den klangkünstlerischen Reichtum der Sammlung als einen besonderen Schatz für die Ohren und die Stadt Arles zu entdecken.