AAN-Verfahren

"Entwicklung eines Verfahrens zur Beeinflussung der Nährstoffgehalte bei der weitergehenden Behandlung von stabilisierten Klärschlämmen - Verfahren der Aerob-Anoxischen Nachbehandlung – AAN-Verfahren"

Projektförderung:
BMBF - Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie vertreten durch das Forschungszentrum Karlsruhe (FZK)
Emschergenossenschaft, Essen
ZWT- Wasser- und Abwasssertechnik Bayreuth
Ingenieurbüro Lopp, Weimar

Projektlaufzeit:11/1998 bis 10/2001

Projektleitung:
Bauhaus-Universität Weimar

BUW- Projektleiter: Dipl.-Ing. Marcus Lopp

 

Problemstellung

Die Entsorgung von Klärschlamm ist – unabhängig vom Verwertungs- oder Beseitigungsweg – für den Kläranlagenbetreiber ein immenser Kostenfaktor. Bis Mitte der 90er Jahre wurden noch über 60 % der in Deutschland anfallenden Klärschlämme auf Deponien verbracht. Ab dem Jahr 2005 ist gemäß Technischer Anleitung Siedlungsabfälle (TASi) die Aufbringung von Reststoffen mit mehr als 5 % organischem Trockenrückstand oTR auf Deponien verboten. Als Alternativen, auf die sich bisher die verbleibenden 40 % aufteilten, stehen sich der Bereich thermische Behandlung / energetische Verwertung und der Bereich landwirtschaftliche / landschaftsbauliche Verwertung gegenüber.

Die Aufbringungsgrenzen für Klärschlamm auf landwirtschaftliche Nutzflächen bestimmten sich in der Vergangenheit vor allem aus den enthaltenen Schadstoffen. Es ist aber langfristig davon auszugehen, dass im Zuge der weiteren Verschärfung der Düngemittelgesetzgebung, die vor allem dem Schutz von Grundwasser und offenen Gewässern dient, zukünftig die Aufbringungsmenge von Klärschlamm im Landschaftsbau und in der Landwirtschaft zunehmend auch durch die enthaltenen Nährstofffrachten, insbesondere durch die Stickstofffrachten, begrenzt wird.

In tagebaugeprägten Regionen kommt im Rahmen der Rekultivierung der landschaftsbaulichen Verwertung eine besondere Bedeutung zu. Beispielhaft zu nennen sind hier die Kalibergbauregionen in Thüringen, die Uranabbaugebiete in Thüringen und Sachsen sowie die Braunkohleregionen in der Lausitz und in Mitteldeutschland. Bei der Renaturierung dieser geschädigten Landschaften werden erhebliche Mengen an Erdstoff bzw. an geeigneten Ersatzmaterialien benötigt und eingesetzt. Als humusbildendes Material ist Klärschlamm als Bestandteil bei der Vererdung besonders geeignet. Da die Klärschlammverwendung in diesem Zusammenhang deutlich kostengünstiger als die anderer Substrate oder Erdstoffe ist, wird eine Maximierung des Klärschlammanteils angestrebt. Dies birgt jedoch die Gefahr des übermäßigen Eintrags von Nährstoffen bzw. vor allem von auswaschbaren Stickstoffverbindungen, die das Grundwasser belasten. Um dem entgegenzutreten beschränkt beispielsweise die thüringische
Kalihalden-Richtlinie den Auftrag von Klärschlamm auf 1 kg N je 1 m2 abzudeckende Haldenfläche.

Mit einer Reduzierung der Stickstoffkonzentrationen im Klärschlamm könnte also prinzipiell die ökologisch vertretbare Aufbringungsmenge vergrößert und somit die Möglichkeit der stofflichen Verwertung gefördert werden. Inwieweit das AAN-Verfahren einer Reduzierung der Stickstoffkonzentrationen im Klärschlammdurchsetzbar bewirkt, war durch das Forschungsprojekt abzuklären.

Zielsetzung

In vorangegangenen Untersuchungen und Forschungsarbeiten am Weimarer Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft wurde festgestellt, dass mit dem aus der Abwasserbehandlung bekannten Verfahren der Nitrifikation / Denitrifikation (N/DN) durch aerob-anoxische Nachbehandlung (AAN) die Stickstoffgehalte im zuvor anaerob stabilisierten Klärschlamm deutlich reduziert werden können. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass in diesem Zuge die Stickstoffrückbelastung in die Kläranlage vermindert wird, dass der nachbehandelte Schlamm besser entwässert und dass sich eine Verringerung der Trockensubstanzfracht einstellt.

Die Hauptzielrichtungen des Projektes lassen sich also wie folgt darstellen:

  • Reduzierung der Stickstofffrachten im entwässerten Klärschlamm – Verbesserung der landwirtschaftlichen/landschaftsbaulichen Verwertung,
  • Reduzierung der Stickstofffrachten im Prozesswasser aus der mechanischen Entwässerung – Reduzierung der Rückbelastung in die Abwasserbehandlungsanlage,
  • Reduzierung der Trockensubstanzfrachten – Verringerung der zu verwertenden Klärschlammengen,
  • Verbesserung der Entwässerungseigenschaften – Einsparung von Betriebsaufwendungen.

Neben diesen, im Forschungsantrag vom Dezember 1997 definierten, 4 Hauptzielrichtungen, wurden im Rahmen des Projektes auch folgende Nebenaspekte, welche die wirtschaftliche Anwendbarkeit fördern können, untersucht:

  • Anwendung des Verfahrens auf aerob stabilisierte Schlämme,
  • Verkürzung der Faulzeit durch aerobe Nachstabilisierung,
  • Kombination mit der Klärschlammdesintegration – Verminderung von deren negativen Nebeneffekten und Erhöhung des Wirkungsgrades der Stickstoffreduzierung.

Ziel der durchgeführten Forschungsarbeiten war es, die erkannten Zusammenhänge und Nebeneffekte zu verifizieren und zu quantifizieren sowie ein Verfahren zu entwickeln, mit dem die genannten Feststellungen und Zusammenhänge praktisch anwendbar werden. Dabei war neben den verfahrenstechnischen und technologischen Aspekten auch die Wirtschaftlichkeit zu betrachten.

Ergebnisse

Ergebnissüberblick zu den Hauptzielen:
Auf Grundlage der theoretischen Arbeiten und der Versuchsergebnisse könnenen zu allen Hauptzielen konkrete und quantifizierte Aussagen aufgestellt werden.

  • Die Stickstofffrachten lassen sich insgesamt um 60 % reduzieren. Nach der Ent­wässerung verbleibt im AAN-Klärschlamm etwa 45 % weniger Stickstoff als im aus­gefaulten Klärschlamm.
  • Noch stärker als auf den entwässerten Klärschlamm wirkt sich die Reduzierung der Stickstofffrachten auf den Aspekt der Rückbelastung in die ABA aus. Die Konzentrationen an N ges können hier um 85 % verringert werden. Somit vermindern sich die für die Nitrifikation und für die Denitrifikation erforderlichen Becken­volumina in der ABA sowie der Nitrifikations-O 2-Eintrag.

Selbst bei ungünstig verlaufender Denitrifikation in der AAN erfolgt die N-Rückbelastung in die ABA nach der AAN als NO 3-N anstelle von NH 4-N; somit reduziert sich in jedem Fall das Nitrifikationsvolumen sowie der zugehörige O 2-Eintrag.

  • Die Reduzierung der Trockenmassefrachten übertraf die anfänglichen Erwartungen. Nach der für die Faulung üblichen Reduzierung des TR um 30…35 % kann in der AAN eine weitere Reduzierung um 20…25 % erreicht werden. In der Summe entspricht das einer Reduzierung von 45…50 % bezogen auf den Rohschlamm-TR.
  • Die angestrebte Verbesserung der Entwässerungseigenschaften tritt ein.

In Absetzversuchen wurde nachgewiesen, dass der Einsatz eines statischen Nacheindickers für den AAN-Schlamm im Gegensatz zum Faulschlamm sehr effektiv ist.

Die Ergebnisse der Zentrifugier-, CST- und Filtrationsversuche weisen eine deutlich bessere mechanische Entwässerbarkeit des Schlammes nach.

Durch den Labormaßstab dieser Untersuchungen ist jedoch eine monetär verwertbare Quantifizierung der einzusparenden Chemikalien- und Entsorgungskosten schwer möglich. Die in der Versuchsanlage anfallenden Schlammmengen reichen nicht, um die großtechnischen Verfahren real zu erproben.

Überblick zu den Nebenergebnissen:
Nachgewiesene Nebeneffekte und durchgeführte Randuntersuchungen sind wie folgt zu nennen:

  • Die Möglichkeit der Faulzeitverkürzung (ca. 15 d) bringt weitere Einsparpotentiale im Bereich der Schlammfaulung.
  • Die zusätzliche Rückbelastungsreduzierung in Bezug auf P und schwer abbaubaren CSB entlastet die KA.
  • Die Kombination mit der Klärschlammdesintegration kommt vor allem bei sehr kurzen Faulzeiten (ca. 10 d) zum Tragen. Die wirtschaftliche Anwendbarkeit ist nur bei einer Teilstrombehandlung und Faulzeiteinsparung möglich.
  • Die Erprobung des Verfahrens für simultan aerob stabilisierte Schlämme führte, auch in Kombination mit der Klärschlammdesintegration, nur zu Stickstoffreduzierungen von bis zu 15 % und blieb damit unter den Erwartungen.
  • Die Teilstromrückführung von der AAN in die Faulung kann das Zusammenspiel beider Verfahrensstufen sowie vor allem die Denitrifikation stabilisieren.
  • Die weitergehende Hygienisierung war als ästhetische Materialverbesserung festzustellen und konnte quantitativ nur andeutungsweise nachgewiesen werden. Sie sollte Inhalt weiterer Untersuchungen sein.
  • Die nachgewiesenen Möglichkeit der Rückbindung von Phosphor in die Biomasse ent­lastet nicht nur die Kläranlage durch Verminderung der Schlamm­wasser­rück­belastung sondern kann auch den Wertstoff Phosphor im Wertstoffträger Klärschlamm anreichern.

Anhand der dargestellten Ergebnisse konnte das Projekt inhaltlich erfolgreich abgeschlossen werden. Insbesondere zu den Nebenergebnissen sind weiterführende Forschungsarbeiten empfehlenswert.