Das Problem der Umwelt
Henning Schmidgen zur Aktualität von Maurice Halbwachs und Georges Canguilhem
Am 15. März 1945 starb der französische Philosoph und Soziologe Maurice Halbwachs an den Folgen von Deportation und Lagerhaft im KZ Buchenwald. Zwei Jahre später würdigte Georges Canguilhem in einem Nachruf Leben und Werk Halbwachs’. Im Vordergrund von Canguilhems Würdigung steht nicht die Frage des kollektiven Gedächtnisses, die bis heute vor allem im deutschsprachigen Raum mit dem Soziologen verbunden ist. Vielmehr akzentuiert Canguilhem das soziale Engagement von Halbwachs und dessen Interesse für das Verhältnis von Mensch und Materie. Demnach ist die Beziehung der Gesellschaft zu der von ihr geschaffenen Umwelt und ihre daraus resultierende »Lebensweise« (genre de vie) der zentrale Gegenstand der Halbwachs’schen Soziologie.
In dieser Ausrichtung auf das gesellschaftliche Problem des Lebens liegt die gemeinsame Aktualität von Halbwachs und Canguilhem. Sie ist aber von der forcierten Diskussion nicht zu trennen, die im Frankreich der 1930er-Jahre um Antifaschismus, Kritische Theorie und Marxismus entbrannte. Was durch das gewaltsam unterbrochene Werk von Halbwachs greifbar wird, ist ein aufgeklärter Gegenpol zum rechtskonservativen Ökologiedenken, wie es sich gegenwärtig im Rekurs auf Martin Heidegger und Carl Schmitt neu formiert.
In den Räumen des Matthes & Seitz Verlags wird Henning Schmidgen am Montagabend sein ediertes und kommentiertes Werk "Über Maurice Halbwachs" präsentieren. In einer anschließenden Diskussion widmet sich Schmidgen, moderiert von Morten Paul, der Aktualität von Maurice Halbwachs und Georges Canguilhem.
Die Veranstaltung findet statt am 06.03.2023, 19:00 Uhr, in der Großbeerenstr. 57A, 10965 Berlin. Der Eintritt ist frei. Zusätzliche Informationen finden Sie hier.