Die Automatisierung des Lesens: Anschriftenleser*innen der Deutschen Bundespost ca. 1960-2000
Veranstaltung im Rahmen der GfM-Jahrestagung 2022
Ort: Hörsaal G im Melanchthonianum; Universitätsplatz 9, 06108 Halle (Saale)
Datum & Uhrzeit: 30. September 2022; 13.30 Uhr - 15:00 Uhr
Als Teil der Session "Dirty Work: Historische Formen von Medienarbeit" wird Johannes Hess im Rahmen der diesjährigen GfM-Jahrestagung seine Forschung über "Die Automatisierung des Lesens. Anschriftenleser*innen der Deutschen Bundespost ca. 1960-2000" präsentieren.
Der Vortrag betrachtet die Einführung von automatischen Anschriftenlesemaschinen bei der Deutschen Bundespost etwa ab 1960 zum Zweck der Rationalisierung der Briefverteilung. In Vorbereitung auf die Automatisierung des Lesens werden damals weitreichende Maßnahmen ergriffen – die Einführung von Postleitzahlen, Standardisierungen im Aussehen der Briefe sowie die Mechanisierung fast aller manuellen Arbeitsschritte. Diese Maßnahmen bereiten die Einführung automatischer Lesemaschinen vor, aber sie verändern auch grundlegend die Arbeit menschlicher Anschriftenleser*innen in der Briefverteilung. Sie entwickelt sich von einer Tätigkeit, die Können und Wissen erfordert, zu einer teilmechanisierten Arbeit ohne besondere Voraussetzungen. Die historische Darstellung wird zum Anlass genommen, die Rolle von Lese-arbeit in der Geschichte und Gegenwart der Digitalisierung zu fokussieren. Zur Mitte des 20. Jahrhunderts war das Lesen und Abtippen von Daten das gängigste Mittel, um die Welt für den Computer bearbeitbar zu machen. Doch auch heute noch füllt niedrig- oder unbezahlte Lese-Arbeit die Lücken der Digitalisierung, wie an Beispielen von Amazons Mechanical Turk und Googles reCaptcha gezeigt werden kann. Die historische Perspektive der Automatisierung des Lesens bietet hier eine fruchtbare Ergänzung zu bestehenden Digitalisierungsgeschichten.
Die Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) veranstaltet jährlich eine Tagung zur Diskussion aktueller Themen des Fachgebiets und theoretischer sowie methodischer Entwicklungen der Medienwissenschaft. Das diesjährige Tagungsthema „Arbeit“ fragt nach dem Verhältnis von Arbeit und Medien in der ganzen Bandbreite von theoretischen, historischen und analytischen sowie medienpraktischen, sozialen und politischen Problemstellungen: von den gegenwärtigen medialen Bedingungen und Ermöglichungen von Arbeit über Darstellungen, Reflexionen, Modi und Formen des Arbeitens mit und in Medien sowie arbeitende Medien hin zu den Arbeitsmodalitäten der Medienwissenschaft selbst.
Johannes Hess ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Theorie medialer Welten. Sein Promotionsprojekt behandelt die Geschichte von Lesemaschinen.
Die Veranstaltung findet in hybrider Form statt. Für die Zusendung des Zoom-Links registrieren Sie sich bitte hier.