Projekttitel
„The Ultimate Trip“ – Film und Rausch
Projektbeschreibung
In einer auf das gegenkulturelle Klima der 1968er Jahre zugeschnittenen Kampagne wurde Stanley Kubricks Film 2001: A Space Odyssey seinerzeit als „the ultimate trip“ beworben. In der Rhetorik dieser Vermarktung ist ein Topos aufgerufen, der uns abseits findiger Marketingstrategien auch in Alltagssprache, Ästhetik sowie Naturwissenschaften begegnet und den das Dissertationsprojekt erstmalig umfassend rekonstruieren und in seinen medientheoretischen Implikationen reflektieren will: Rausch und Film als verschwisterte Wahrnehmungsmodi.
In einem medienanthropologisch geimpften Versuch möchte ich den Rausch als ephemeres anthropomediales Gefüge begreifen. Neben anderen rauschgenerierenden Kulturtechniken steht dabei der substanzinduzierte Rausch im Fokus, bei dem das Rauschmittel, verstanden als Medium, und das ihm inhärente psychopharmakologische ‚Programm‘ in rekursiver Wechselwirkung mit dem inneren und äußeren Milieu (set / setting) der Konsument*innen eine existenzbildende Verschränkung ergeben, deren phänomenologische Eigenschaften mit denen der Filmrezeption in Beziehung gesetzt werden sollen. Den Ausgangspunkt dafür bildet die Rekapitulation des Topos vom „Film als Rausch“ in seiner filmtheoretischen Verhandlung, die – dem aporetischen Charakter des pharmakon-Begriffs als Heilmittel und Gift zugleich entsprechend – zwischen zwei zunächst disparat erscheinenden ideologischen Polen oszilliert: Bewusstseinsregression und Bewusstseinserweiterung.
Vor dem Hintergrund der soziologischen These einer kulturellen Desintegration des Rausches im Zuge der gesellschaftlichen Institutionalisierung der ratio werfen die ideengeschichtlichen Isomorphien des Rausch- und des Filmdiskurses die Frage auf, ob die Denkfigur des „Films als Rausch“ symptomatisch auf einen umfassenderen Delegationsprozess verweist: Hat, während der Rausch im Übergang vom natürlichen Stoff zum synthetischen Produkt technologisiert wurde, Technologie in ihrer ökologischen Dimension rauschhafte Qualitäten entwickelt? Und verheißt dieser Vorgang lediglich die Disruption des ‚westlichen‘ Rationalitätsbegriffs aufklärerischer Tradition, oder hält er im Sinne einer aisthesis anthropomedialer Verschränktheit die Chance auf experimentelle, onto-epistemologische Alternativentwürfe bereit?
Vita
Gabriel Geffert studierte Kunstgeschichte sowie Literatur- und Kulturwissenschaften an der Technischen Universität Dresden und der Université Sorbonne Paris IV. Nachdem er sein durch das Deutschlandstipendium gefördertes Studium ausgezeichnet mit der Victor-Klemperer-Urkunde der Technischen Universität Dresden abgeschlossen hatte, arbeitete er primär als freier Mitarbeiter des Archivs der Avantgarden (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) im Projekt „Digitalisierung und Neustrukturierung der Sammlung Egidio Marzona“. Er ist ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter des DFG-Graduiertenkollegs „Medienanthropologie“ an der Bauhaus-Universität Weimar und promoviert dort zum Topos des Films als Rausch.
Publikationen
Filmische Rauschdarstellungen. Ein genealogischer Streifzug. In: ffk-Journal (2022). Nr. 7. S. 1–14.
Der Rausch des Raves. Techno-organische Gefüge in Ekstase. In: Christian Rothe: Zum Bundalowdorf 1. A Nachtdigital Book by Christian Rothe. Dahlen: Nachtdigital 2021. S. 200–201.
- The Rapture of the Rave. Techno-organic Assemblages in Ecstasy. In: Christian Rothe: Zum Bundalowdorf 1. A Nachtdigital Book by Christian Rothe. Dahlen: Nachtdigital 2021. S. 202–203.
Film als Rausch. In: [kon]. Magazin für Literatur und Kultur (2019). Nr. 6: Rausch. S. 10.
Vorträge
„Es rauschten leis‘ die Wälder“. Zur Ästhetik des Rauschens in Philippe Grandrieux' Un Lac. Vortrag im Rahmen der Filmreihe Medienanthropologie, Lichthauskino Weimar, 20.04.2022.
Inter-intra-infra: Eine Wissensökologie des Da/zwischen aus medienanthropologischer Perspektive. Experimentelles Vortragspanel gemeinsam mit Charlotte Bolwin, Charlotte Brachtendorf, Maria Brannys, Martin Kallmeyer, Hannah Peuker, Gereon Rahnfeld, Max Walther und Shirin Weigelt auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft zum Thema „Wissensökologien", Universität Innsbruck, 24.09.2021.
Ekstasen, Ekzeme und Exzesse. Eine Genealogie der filmischen Rauschdarstellung. Vortrag im Rahmen des 34. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums, Weimar (Onlineveranstaltung), 25.03.2021.
Christian Borchert. Tektonik der Erinnerung. Führung durch die Ausstellung im Kupferstich-Kabinett (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) zusammen mit Kurator Bertram Kaschek, 22.01.2020.
Film und Rausch. Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung Release [kon] #6, Rote Sonne, München, 26.10.2019.
Veranstaltungsorganisation
Kritik der Relationen – aus medienanthropologischer Perspektive. Tagung organisiert von den Doktorand*innen des Graduiertenkollegs Medienanthropologie, Bauhaus-Universität Weimar, 12. – 15.05.2022.