Jens Kraushaar

Projekttitel

Die Figur des Avatars – Eine medienanthropologische Betrachtung virtualisierter Körperbezüge (AT)

Projektbeschreibung

Der „Avatar“, eine ursprünglich aus dem Sanskrit kommende Bezeichnung für die Inkarnation einer Gottheit auf Erden, bezeichnet heute den grafischen Stellvertreter einer Person im Cyberspace. Darüber hinaus werden auch künstlich geschaffene Personen (CGI) in virtuellen Umgebungen und in digitalen Bildwelten als Avatare bezeichnet. Die Geschichte dieser Entwicklung, die in den 1980er Jahren mit dem Computer ihren Anfang nimmt, soll in meinem Projekt als Geschichte einer spezifischen Konstruktion sozialer Wirklichkeit mit Blick auf die Verschränkungsweisen von Mensch und Medien gedacht werden.

Aufgrund digitaler Transformationsprozesse des 21. Jahrhunderts interagieren Menschen bereits in vielen lebensweltlichen Bereichen mit Avatartechnologien, wodurch das Zusammenleben zunehmend reorganisiert wird. Es werden nicht nur vielschichtige Resonanzerfahrungen durch die Interaktionsmomente mit künstlich hergestellten Agenten geboten, auch Vorstellungen des Humanen werden mit den gegenwärtigen Technologien in den Bereich des Hybriden verschoben. In meinem Projekt steht in diesem Zusammenhang die Frage im Mittelpunkt, wie Avatare an der Konstruktion von Körper-Wirklichkeiten beteiligt sind. Denn Avatare – so die These des Projekts – sind mehr als computergenerierte Prototypen von Körperbildern, sie sind darüber hinaus als virtualisierte Körperbezüge zu wichtigen Sozialisations- und Enkulturationsfaktoren für den modernen Menschen geworden.

Die Figur des Avatars wird dabei als ein Geflecht aus Bild, Körper und Medium begriffen, weshalb die Arbeit an der Schnittstelle von Körper-, Kunst- und Mediengeschichte angesiedelt ist. Dabei soll eine medienanthropologische Perspektivierung hinsichtlich der Mensch-Medien-Relationen eingenommen werden, um die Bedeutungseben der Figur des Avatars für das gegenwärtige, medialisierte Körperbild respektive für den leiblichen, „echten" Körper herauszuarbeiten. Ausgehend von drei Untersuchungsfeldern - 1. das alltägliche soziale Leben 2. das Museum als Ort der Erinnerungskultur 3. künstlerische Positionen in gegenwärtigen Kontexten - soll die Figur des Avatars historisiert werden. Anhand ausgewählter Avatartechnologien aus den drei Bereichen soll die Entwicklung vom zweidimensionalen (2-D) analogen zum dreidimensionalen (3-D) digitalen Körperbild nachvollzogen werden. Im Kontext digitaler Bildkulturen gilt es die genealogischen Linien der Figur des Avatars mit dessen Implikationen für neue Körperentwürfe bzw. neue Körpervorstellungen noch umfassend zu untersuchen. Mit der Verbindung der drei Untersuchungsfelder soll die geplante Dissertation diese Leerstelle füllen, indem die Avatartechnologien in den verschiedenen lebensweltlichen Bereichen nicht isoliert, sondern anhand ihrer jeweils spezifischen Funktionen an ihren Auftrittsorten untersucht werden. Letztendlich will das Projekt damit der Frage nachgehen, welche Effekte Avatare auf die Wahrnehmung von Körpern haben und welche neuen (digitalen) Existenzweisen sich dadurch bedingen.

Vita

Studium der Kunstgeschichte und Vergleichenden Kultur- und Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt Europäische Ethnologie an der Philipps-Universität Marburg. Während des Studiums Tätigkeiten als studentische Hilfskraft im kunsthistorischen Institut der Philipps-Universität Marburg innerhalb der Fotoreproduktion, Diathek und als hilfswissenschaftliche Assistenz der Lehrenden Dr. Angela Matyssek sowie kuratorische Assistenz im Ausstellungsbereich für die Kunsthalle Gießen. Dann Masterstudium der Kunst- und Bildgeschichte an der Humboldt Universität zu Berlin mit einer Masterarbeit bei Prof. Dr. Ilaria Hoppe und Dr. Matthias Bruhn über die Diskussion um das Ein-Geschlechter-Modell (Theoriemodell von Thomas Laqueur) am Beispiel der Fabrica des Andreas Vesalius. Während des Studiums Verlagsmitarbeiter bei Texte zur Kunst und Mitarbeit als Veranstaltungsorganisator am Dahlem Humanities Center der Freien Universität zu Berlin. Nach dem Studium wissenschaftliches Volontariat bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin mit Schwerpunkt auf Fotografie & Ausstellungen. Im Anschluss wissenschaftlicher Mitarbeiter im kuratorischen Team bei Kulturprojekte Berlin GmbH für die Berlin Ausstellung „BERLIN GLOBAL" im Humboldt Forum unter der Leitung von Paul Spies. 2021 Stipendiat am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam mit einer Anschubfinanzierung für ein Promotionsvorhaben zu der Figur des Avatars und digitaler Körperlichkeit. Seit April 2023 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Graduiertenkolleg Medienanthropologie an der Bauhaus-Universität Weimar.

 

Publikationen

 „Berlin von hinten. Die schwule Szene in Ost-Berlin". In: Jürgen Danyel (Hg.): Ost- Berlin. 30 Erkundungen. Chr. Links Verlag. Berlin. 2019. S.265-278.

„Semiglot. Mariella Mosler." Katalog Kunsthalle Gießen. Ute Riese (Hg.). Kerber Verlag. Bielefeld. 2012. (Redaktion des Ausstellungskatalogs)

Kolumnist und freier Autor bei der Wochenzeitschrift Jungle World