Maximilian Rünker

Projekttitel

„What was really eaten in this enemy?” – Anthropophagie, Perspektivismus und relationale Potentiale

Projektbeschreibung

Im Zentrum meines Projekts steht die „indigenous alter-anthropology“, die Eduardo Viveiros de Castro in seinen ethnographisch orientierten Texten entwirft. Diese verstehe ich zunächst als Aktualisierung des Anthropophagie-Diskurses: Als dezidiert brasilianische Diskurstradition nimmt diese ihren Anfang bei dem Kulturavantgarden Oswald de Andrade und dem Modernismo der 1920er Jahre und zieht verschiedene Verknüpfungslinien, die über die filmischen Aushandlungen des Cinema Novo und Cinema Marginal bis zur aktuellen Theorieproduktion bei Viveiros de Castro oder der Philosophin Suely Rolnik reichen.
Ich möchte Viveiros de Castro nun als einen Vertreter einer spezifischen Form der Medienanthropologie (avant la lettre) positionieren. Indem er – mit Verweis auf seine ethnologischen Studien – ein Primat der Beziehungsgeflechte gegenüber den Termen postuliert, entwickelt er eine relationale Medienphilosophie. Diese stützt sich einerseits auf poststrukturalistische Positionen (vor allem Deleuze/Guattari) und operiert ebenso mit Elementen indigenen Wissens. Sie eröffnet damit die Möglichkeit das Denken mit Anthropomedialität durch eine außereuropäische und potentiell dekoloniale Impulssetzung zu intensivieren.
Ich möchte daher argumentieren, dass diese „kannibalische Anthropologie“ nicht nur eine produktive Herausforderung der westlichen Philosophie darstellt, sondern ebenfalls anschlussgenerierende Konstellationen für die Medienwissenschaft entfaltet. Dies versuche ich insbesondere durch die Auseinandersetzung mit künstlerischen Arbeiten herauszustellen. Deshalb sollen in meinem Projekt Filme wie auch Romane von beispielsweise Julie Ducournau, David Cronenberg oder Jean-Luc Godard im Hinblick auf ihre anthropomedialen Perspektiven verhandelt werden. 

Vita

Maximilian Rünker (M.A.) ist ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Graduiertenkolleg Medienanthropologie der Bauhaus-Universität Weimar. Zudem ist er an der dortigen Professur für Verkehrssystemplanung in interdisziplinären und internationalen Lehrprojekten tätig.
Zuvor Studium der Medien- und Kulturwissenschaften (B.A.) sowie Medienkulturanalyse (M.A.) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Während dieser Zeit u.a. studentische Hilfskraft am International Office und Studienaufenthalt an der University of Reading (UK). Im Anschluss freier Mitarbeiter im Vermittlungsprojekt „Art Talk“ der Kunsthalle Düsseldorf und freier Autor in der Redaktion „Medien 360 G“ des Mitteldeutschen Rundfunks in Erfurt.
Seit vergangenem Jahr leitet er Bauhaus-Spaziergänge an der Universität Weimar. Darüber hinaus erhielt er 2019 das Promotionsstipendium der Thüringer Graduiertenförderung als Vertreter der Fakultät Medien. 

Publikationen

Rünker, Maximilian. Menschen, Mammuts, Eisbären. Species Thinking und Perspektivismus in Fortitude. In: Kiss, Anna Luise / Pibert, Johann / von Kap-herr, Kathrin [Hrsg.]: ffk-Journal 5, Hamburg: Avinus 2020

Rünker, Maximilian. Mehr als Zu(-)Schauen. Popcornessen und die Körperlichkeit des Kinos. In: Bulletin Esskulturen 3/2020, hrsg. v. BMBF-Verbundprojekt „Esskulturen. Objekte, Praktiken, Semantiken“ (Universität Koblenz-Landau / Universität Bonn)

Vorträge

Kannibalismus, koloniales Erbe, frühe Kriminologie, 33. Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium, Hochschule für bildende Künste Braunschweig, 13.03.2020

Mobilität, Materialität, (brasilianische) Moderne – Jonathas de Andrades Videoarbeit „O Levante“, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM), Universität zu Köln, 29.09.2019

Anthropophagy, Anthropology, Brazilian Cinema Novo, Lehrveranstaltung “Counter Cinema / Third Cinema”, Bauhaus-Universität Weimar, 25.06.2019

Orte des Promovierens, Doktorand_innen-Konferenz „Create the Co!“, Bauhaus Research School Weimar, 10.05.2019

Eating Guilt. Kannibalismus und koloniale Schuld in „Bone Tomahawk“ und „El Entenado“, Ringvorlesung „Esskulturen in Film und Literatur“, Universität Koblenz-Landau, 29.04.2019