Axel Schorcht ist 21 Jahre alt und studiert im 5. Semester Medieninformatik an der Bauhaus-Universität Weimar. Da er zu seiner ehemaligen Schule in Mellingen noch regen Kontakt hält, hat er sich im Rahmen des Projektstudiums an der Fakultät Medien mit Digitalen Tools an Schulen auseinandergesetzt. Das Datenleck, das er dabei aufgedeckt hat, hat deutschlandweit Schlagzeilen hervorgerufen. Wir haben mit ihm über seine Motivation, seine Erkenntnisse und das Studium in Weimar gesprochen.
Red.: Wie kam es dazu, dass du dich näher mit der Thüringer Schulcoud beschäftigt hast?
Axel Schorcht (AS): Im letzten Jahr, also in meinem 4. Semester, untersuchte ich zusammen mit einer Kommilitonin die Digitalisierung der Lehre an Schulen unter Ausnahmebedingungen. Dieses Projekt beschäftigte sich hauptsächlich mit Funktionen und Datenschutz von Konferenzsystemen. Mit dem Projekt, durch die eigene Weiterentwicklung von Lernmanagementsystemen und den Kontakt zu meiner ehemaligen Schule, kam ich mit der Thüringer Schulcloud in Kontakt.
Ich wollte wissen, was die Schulcloud von Moodle, dem an der Universität verwendeten Lerntool, unterscheidet und wie einzelne Funktionen implementiert wurden. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, auf welche Entwicklungsfehler ich stoßen würde, die sich dann als Ursache für die Datenlecks herausstellten.
Red.: Woher kommt die Motivation sich mit diesem Themenfeld näher zu beschäftigen?
AS: Da ich eine Schüler*innen-AG mit dem Thema »Informatik und Medien« leite, bin ich sehr interessiert an neuen und digitalen Möglichkeiten, Wissen zu vermitteln. Zu Beginn der Pandemie stellte ich dem Feininger Gymnasium eine einfache Dateicloud zur Verfügung, um zunächst die Aufgabenverteilung zu gewährleisten. Später kam das Konferenzsystem BigBlueButton und erst kürzlich eine schuleigene Moodle-Instanz hinzu.
Die Freude und Dankbarkeit, die ich als Resonanz auf meine Hilfe erfahren habe, motiviert mich weiter zu machen und am Thema dranzubleiben. Weiterhin versuche ich auch mein Wissen zusammen mit Kommiliton*innen in Projekte einzubringen. Dieses Semester untersuche ich zusammen mit meinen Mitstudierenden Vladimir und Judith den Netzwerkausbau an Schulen. Wir sammeln Informationen zur Infrastruktur und der Umsetzung von digitalem Unterricht, um später Vergleiche zu den Zielen im DigitalPakt Schule des Bundes und der Länder anzustellen.
Red.: Wie hast du die Umstellung der Schulen auf digitale Methoden erlebt? Was hätte es gebraucht, um die Schulcloud sicherer zu machen und was sollte zukünftig getan werden, um mehr digitale Kompetenz in Schulen zu entwickeln?
AS: Durch die jahrelange Vernachlässigung der Digitalisierung in Schulen, standen im letzten Jahr die Länder vor einer schwierigen Entscheidung. Entweder sie führen langsam ein eigenes System ein (z.B. Moodle), oder sie nutzen ein System, welches schon mehrfach Millionen von Euro als Förderung vom Bund erhalten hat und sich noch in der Entwicklung befindet.
Wir wissen, dass unter anderem Thüringen die zweite Variante bevorzugt hat.
Nun folgte eine Massenregistrierung von Schüler*innen, ohne dass jemals eine Alternative oder Vor- und Nachteile diskutiert wurden. Wer sich nicht registrieren wollte oder durfte, fiel oft hinten runter. Denn obwohl in der Datenschutzverordnung der Schulcloud eindeutig steht, dass Schüler*innen ohne Registrierung in keinster Weise benachteiligt werden dürfen und die Lehrer*innen im Zwang sind ihnen die Aufgaben auf einem anderen Weg zukommen zu lassen, gingen diese Schüler*innen zu Beginn häufig leer aus. Genau dieses Problem hätte man durch das Einsetzen von Moodle und entsprechenden Gastzugängen für nicht-registrierte Nutzer*innen lösen können, jedoch stand dies nie zur Diskussion.
Ich wünsche mir, dass in Zukunft vor solchen wegweisenden Entscheidungen eine Diskussion mit Lehrenden, Schüler*innen und Eltern stattfindet, in der Vor-, Nachteile und Alternativen dargelegt werden. Denn weiterhin auf ein System zu setzen, welches schon mehrfach einfach ausnutzbare Datenlecks aufwies, ist nach meiner Meinung eine Farce.
Red.: Die Aufdeckung des Datenlecks wurde sowohl in renommierten Fachmedien als auch in regionalen Tageszeitungen besprochen. Hast du mit dieser Resonanz gerechnet? War dir die Relevanz deines Fundes bewusst?
AS: Die Relevanz war mir bewusst, daher trat ich auch nicht selbst an das Hasso-Plattner Institut, welches die Schulcloud entwickelt hat, heran, da es in der Vergangenheit eher unwirsch reagiert hat.
Ich hätte nicht erwartet, dass solche Datenlecks, die verhältnismäßig einfach auszunutzen sind, immer noch in der Schulcloud existieren, da nach eigenen Angaben des HPI, die Schulcloud regelmäßig von Penetrationstestern auf ihre Sicherheit hin geprüft wird.
Es bleibt zu hoffen, dass nicht noch mehr Datenlecks entdeckt werden, dies könnte sich sehr nachteilig auf die weitere Einführung der Cloud in weiteren Schulen auswirken.
Red.: Welches sind die wichtigsten Kompetenzen und Fähigkeiten, die du aus deinem Medieninformatik-Studium mitnimmst?
AS: Mein Studium hat mir gelehrt, komplexe Probleme mit einfachen Mitteln zu lösen. So habe ich ein Grundverständnis aufgebaut, um Programmiersprachen zu lesen und zu verstehen und selbst entsprechende Erweiterungen zu entwickeln. Das projektorientierte Studium und die gute Vernetzung zwischen Dozierenden und Studierenden trägt zu einem angenehmen Studienumfeld bei.
Red.: Danke für Deine Zeit und das Engagement!
Weitere Informationen zum Bachelor-Studiengang Informatik gibt es unter www.uni-weimar.de/informatik.
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