6. Dezember 2023, ab 18 Uhr, GRAMA-Lounge (Universitätsbibliothek, Steubenstr. 6, 99423 Weimar) und im Online-Stream
Prof. Dr. Friedrich Balke widmet sich den Techniken, Institutionen und Bedingungen, von denen menschliches (Über-)Leben abhängig ist. Am zweiten Termin der Vortragsreihe Medienanthropologie geht es um das Schiff – speziell B. Travens Das Totenschiff – als lebenswichtiges, -gefährliches und nicht zuletzt politisches Milieu.
Der Vortrag wird ausgerichtet vom DFG-Graduiertenkolleg Medienanthropologie (GRAMA) der Bauhaus-Universität Weimar und ist frei zugänglich.
Alle Infos unter: www.uni-weimar.de/grama
Zum Vortrag:
»Der Mensch führt sein Leben und errichtet seine Institutionen auf dem festen Lande«, stellt Hans Blumenberg im ersten Satz seiner Studie Schiffbruch mit Zuschauer fest. Dennoch fährt der Mensch zur See und verletzt damit die ‚existenzielle‘ Grenze, die seinem Dasein gesetzt ist. In der Medienwissenschaft, die in den letzten Jahren einen oceanic turn vollzogen hat, hat sich diese philosophische Perspektive auf den Menschen als »Landtreter« umgekehrt. Jetzt ist es das Schiff, an dem wir unsere radikale Angewiesenheit auf Technik erfahren: »On a ship, existence and technology are one. Your being depends radically on the craft«, hat John Durham Peters diesen Zusammenhang formuliert. Wir können am Meer gewissermaßen in extremis ablesen, wie unwahrscheinlich unsere Existenz auch zu Lande ist, von wie vielen Institutionen, Techniken und Organisationsformen unser Dasein abhängig ist. Auch unser politisches Zusammenleben ist seit der Antike am Modell des Schiffes expliziert worden. Im Vortrag wird einer der bedeutendsten See-Romane des 20. Jahrhunderts – B. Travens Das Totenschiff (1926) – zum Anlass genommen, um diese anthropomediale Konzeption auf eine politische Situation zu beziehen, in der das Schiff selbst zu einem feindlichen Milieu wird. Statt die Gesamtheit der Mittel und Techniken zur Verfügung zu stellen, mit der ‚der Mensch‘ in einer denkbar feindlichen Umwelt überleben kann, hat es sich in eine Todeszone verwandelt, die die letzte Zufluchtsstätte derjenigen ist, denen die Führung eines (bürgerlichen) Lebens auf dem »festen Land« verweigert wird: dem »Volk der Staatenlosen« (Hannah Arendt).
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Friedrich Balke ist Professor für Medienwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Theorie, Geschichte und Ästhetik bilddokumentarischer Formen am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. Er ist ebenfalls Sprecher des Graduiertenkollegs »Das Dokumentarische. Exzess und Entzug«. In Weimar ist er alles andere als unbekannt: Vor seinem Ruf nach Bochum war er Professor für Geschichte und Theorie künstlicher Welten an der Bauhaus-Universität Weimar und ebenfalls Sprecher des Graduiertenkollegs »Mediale Historiographien« der Universitäten Weimar, Erfurt und Jena.
Seine Forschungsschwerpunkte umfassen Medien und Mimesis; Techniken der Sichtbarmachung und die Medialität epistemischer Bilder; Körpertechniken und Formierungen der anthropologischen Differenz; sowie dokumentarische Formen.
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