Seit etwa einem Jahr ist die gebürtige Wienerin Eva Krivanec die neue Juniorprofessorin und Programmbeauftragte für Europäische Medienkultur. Wir haben sie zu Weimar, geplanten Lehrveranstaltungen und weiteren Themen befragt und über spannende Antworten gefreut.
Red.: Sie kommen ursprünglich aus Wien. Was hat Sie nach Weimar geführt und wie gefällt es Ihnen hier?
EK: Ich habe die Aktivitäten der Medienwissenschaft in Weimar und des IKKM schon seit Längerem - vor allem seit meiner Tätigkeit als Koordinatorin des Graduiertenkollegs »Sinne - Technik - Inszenierung: Medien und Wahrnehmung« an der Uni Wien - aus der Ferne beobachtet, war dann ja auch drei Jahre als Post-Doc-Fellow an der Humboldt-Uni in Berlin, und dann kam diese Ausschreibung für die Juniorprofessur Europäische Medienkultur genau zum richtigen Zeitpunkt, nämlich knapp nachdem meine drei Jahre in Berlin zu Ende gegangen sind, und ich habe mich - natürlich nicht nur hier, sondern an vielen Orten - beworben. Und ich bin sehr froh, hier gelandet zu sein!
Ich denke die Atmosphäre der Uni und der ganzen Stadt hat etwas sehr Charmantes und Einnehmendes, und das gefällt mir als Wienerin ganz gut... ;-) Nein, im Ernst, ich sehe trotz des Größenunterschieds recht viele Gemeinsamkeiten zwischen Wien und Weimar, über den ersten Buchstaben hinaus: die Gründerzeitarchitektur, die vielen historischen Schichten und Überlagerungen, die Kombination von leicht musealem Traditionsbewusstsein und aktueller Kreativität, eine gewisse Schnoddrigkeit, etc. Nur die Thüringer Kulinarik kann nicht ganz mithalten mit der Wiener, finde ich... Obwohl mir Thüringer Bratwurst und auch die Klöße (für mich immer noch Knödel) sehr gut schmecken.
Red.: Was ist aus Ihrer Sicht das Besondere am Studienprogramm EMK?
EK: Europäische Medienkultur ist ein Studienprogramm wie ich es bisher nicht kannte. Durch die starke Integration zwischen den Studienteilen, die in Weimar und in Lyon studiert werden, ergibt sich einerseits ein einzigartiger aber sinnvoller Studienplan, der Medien (im weiten Sinne) und Medialität aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und zugleich ein deutsch-französischer fachlicher und interkultureller Austausch, der die Studierenden fast nebenbei, gerade in der Erfahrung von Differenzen und Nuancen im gesellschaftlichen Zusammenleben, im Studien- und Universitätssystem, im politischen Handeln, in den kulturellen Aktivitäten, in Geschichte und Geschichtsschreibung, zu echten Europäer/inne/n macht. Die Erfahrung der studentischen Mobilität schweißt die Studierenden auch stark zusammen und es gibt wirklich so etwas wie eine EMK-Identität, was ich sehr interessant finde ...
Red.: Auf welche Lehrveranstaltungen können sich Studierende in den nächsten Semestern freuen?
EK: Mir ist es wichtig, dass wir das Europäische nicht auf die Zentralität der beiden - zweifellos wichtigen - staatlichen Akteure Frankreich und Deutschland beschränken sondern Europa auch und gerade von seinen Rändern und von unten her (also von aktuellen und historischen kulturellen Praktiken seiner Bewohner/innen ausgehend) erkunden. Ich selbst habe ja meine Forschungsschwerpunkte derzeit vor allem im Bereich der Populärkultur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts und des Frühen Films, aber ich habe auch viel zu Unterhaltung und Propaganda im Ersten Weltkrieg, zu Theater- und anderen kulturellen Initiativen der 60er und 70er Jahre in Portugal, zu Avantgarde-Bewegungen in Europa und allgemeiner zu Fragen der Intermedialität und der internationalen Zirkulation von Artefakten, Akteurinnen, Ideen und Stilen oder Mode gearbeitet bzw. plane hier auch noch weiteres für die Zukunft.
Konkrete Lehrveranstaltungsthemen werden im Herbstsemester - das ja auch das BAUHAUS-Semester wird - einerseits in Richtung Theater- und Medienexperimente der Avantgarde gehen und andererseits zu den Pionieren und (erstaunlich vielen) Pionierinnen des Frühen Films führen, an deren Beispiel wir uns auch anschauen wollen, welche Bedingungen in der Frühzeit der Entwicklung eines Neuen Mediums bestehen, die es für sonst tendenziell ausgeschlossene gesellschaftliche Gruppen öffnen und attraktiv machen und wie nach einiger Zeit wieder Phänomene der sozialen Schließung greifen.
Red.: Was machen Sie, wenn Sie nicht am Schreibtisch sitzen oder in der Uni sind?
EK: Im Moment schaue ich viel Fußball mit meinen beiden Jungs... ;-) Grundsätzlich verbringe ich natürlich viel meiner Freizeit mit meinen beiden Söhnen (7 und 9), die ich ja unter der Woche oft gar nicht so viel sehe. Sonst mache ich auch gerne (Stadt- und Natur-)Spaziergänge, gehe gerne gut essen, reise recht viel und ja, natürlich gehe ich auch sehr gerne ins Theater und ins Kino, obwohl das neben Arbeit und Kindern gar nicht mehr so leicht ist wie früher...
Red.: Welches war ihr witzigstes/interessantestes interkulturelles Erlebnis?
EK: Da gibt es eine ganze Reihe von witzigen Erlebnissen und Episoden, viele hängen mit sprachlichen Erfahrungen und mit dem plötzlichen Einbruch der Nähe in eine Distanzerfahrung oder umgekehrt der plötzlichen Distanz in einer eigentlich Nähe suggerierenden Situation.
Für ersteres fällt mir ein Beispiel von meinem ersten Studienaufenthalt in Portugal, an der Universidade de Coimbra im Wintersemester 1999/2000 ein. Ich hatte zwar schon 3 Semester Portugiesisch-Sprachkurs in Wien gemacht, allerdings bei einer brasilianischen Lehrerin und in den ersten Wochen des "Badens" in der portugiesischen Sprachmelodie ist mir aufgefallen, dass die Aussprache des portugiesischen "L" - ein etwas schwerfälliger, lange an der Zunge klebender Laut - dem Wienerischen sogenannten "Meidlinger L" extrem nahe kommt (Meidling ist der 12. Bezirk in Wien, ein traditioneller Arbeiter/innen/bezirk mit starkem eigenständigen Idiom), dann fiel es mir plötzlich ganz leicht, obwohl ich selber nicht aus Meidling komme und meine Wienerische Sprachfärbung auch nicht sehr stark ist, da ich meine gesamte Schulzeit in einer französischen Schule in Wien verbracht habe.
Red.: Welches ist Ihr französisches Lieblingswort und was bedeutet es?
EK: Ich mag die Bezeichnung der Fächer Theater-, Film- und Medienwissenschaft mit »Arts du Spectacle« im Französischen sehr gerne, weil ich finde, dass diese Bezeichnung einerseits gar keine klare Trennung zwischen Hoch- und Populärkultur zulässt, die im deutschen Sprachraum leider immer noch so fein säuberlich gezogen wird, da sie das Spektakuläre, das Vergnügliche schon im Namen trägt. Und andererseits da es bereits ein Verhältnis von Zuseher/inne/n und Bühne bzw. Screen benennt, das ich in der kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Medien sehr wichtig finde.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen zum Studienprogramm Europäische Medienkultur gibt es unter www.uni-weimar.de/emk und auf der Website der Juniorprofessur https://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/medienwissenschaft/europaeische-medienkultur/willkommen/.
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