Ein Gemeinschaftsprojekt von Medienwissenschaftlern, Informatikern und Bibliothekaren der Bauhaus-Universität Weimar wird für die kommenden drei Jahre mit über 600.000 Euro durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Unter dem Titel »Prozessorientierte Diskursanalyse« wird eine virtuelle Forschungsumgebung zur Medien- und Wissenschaftsgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entstehen. Kooperationspartner ist die Universität Regensburg.
Wie hat sich der Diskurs der Lebenswissenschaften verändert, als um 1860 die ersten Laboratorien für Physiologie und Psychologie entstanden? Wann wurden bestimmte Forschungsinstrumente und -medien erstmalig benutzt? Und mit welchen Forschungsthemen und -gegenständen standen sie in Verbindung? Die Beantwortung solcher Forschungsfragen ist durch das individuelle Studium einzelner Textquellen nur im Ansatz zu leisten. Der Zugriff auf einen umfassenden Korpus von digitalisierten Quellen und der Einsatz lernfähiger Informationsextraktions- und Textanalysetechnologien eröffnen neue Möglichkeiten. In Zukunft werden Medien- und Wissenschaftshistoriker maßgeschneiderte Fragestellungen in eine dynamische wachsende Forschungsumgebung integrieren, um so die vielzitierte »Laborrevolution« der Lebenswissenschaften diskursanalytisch zu untersuchen. Die für diesen Zweck entwickelten Werkzeuge können auf ähnliche gelagerte Projekte in benachbarten Disziplinen (Literaturwissenschaft, Kulturgeschichte, Technikgeschichte usw.) übertragen werden.
Das Projekt basiert auf dem »Virtuellen Labor« für die Geschichte der experimentellen Lebenswissenschaften, das derzeit von Medienwissenschaftlern der Universität Regensburg betrieben wird. Diese digitale Plattform enthält Text- und Bildquellen zu einzelnen Laboratorien, Experimenten und Personen. Sie geht über eine schlichte Online-Bibliothek hinaus, denn die Zusammenstellung des Korpus beruht auf der Expertise von Medien- und Wissenschaftshistorikern und wurde durch Kontextinformationen systematisch angereichert. Die jetzt bewilligte Förderung erlaubt es, die Funktionalität des Virtuellen Labors in den nächsten drei Jahren erheblich zu erweitern. So wird es unter anderem möglich sein, Suchanfragen mittels maschineller Lernverfahren maßgeschneidert an Forschungsvorhaben anzupassen und in ihrer Komplexität so zu erweitern, dass Diskursanalysen durch Algorithmen intelligent unterstützt werden.
Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird die Universitätsbibliothek in Regensburg zunächst aus den bisher vorhandenen Scans Volltexte extrahieren, um die Digitalisate für automatische Analyseverfahren zugänglich zu machen. Dann wird die Digitalisierung weiterer Quellen durch die Universitätsbibliothek der Bauhaus-Universität Weimar durchgeführt. Anschließend wird die interdisziplinäre Gruppe exemplarische Forschungsfragen implementieren und für die Nachnutzung auf anderen Plattformen zugänglich machen. Kooperiert wird dabei u.a. mit der Arizona State University, Tempe, der Universität Luxemburg und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin.
Beantragt wurde das Vorhaben von Prof. Dr. Henning Schmidgen (Weimar, Medienwissenschaft), Prof. Dr. Benno Stein (Weimar, Medieninformatik), Prof. Dr. Bernhard Dotzler (Regensburg, Medienwissenschaft), Dr. Frank Simon-Ritz (Weimar, Universitätsbibliothek) und Dr. Gernot Deinzer (Regensburg, Universitätsbibliothek).
Website zum Projekt: http://www.uni-weimar.de/de/medien/professuren/theorie-medialer-welten/projekte/prozessorientierte-diskursanalyse/
Website zum Virtuellen Labor:http://vlp.uni-regensburg.de/index_html
Für Fragen zur Virtuellen Forschungsumgebung können Sie sich gern an den Sprecher des Projekts »Prozessorientierte Diskursanalyse«, Prof. Dr. Henning Schmidgen, wenden:
Bauhausstr. 11, Raum 225
99423 Weimar
Tel.: +49 (0) 36 43/58 38 03
E-Mail: henning.schmidgen[at]uni-weimar.de
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