Entschleunigter Messetrubel
Es muss an der kontemplativen Ruhe hier liegen. Oder an der schönen Gewissheit, dass eine eigene Idee funktioniert hat. Maria Seidel, Ken Polster und Matthias Baumbach wirken auch nach 30 Stunden Messestandaufbau in den letzten drei Tagen noch ausgesprochen frisch und alles andere als geschafft.
Es ist der erste Tag der Leipziger Buchmesse 2013 und am Messestand »Nacht und Nebel« begegnet man einem eingespielten, gut gelauntem Studenten-Team. »Mit unserem Messestand wollten wir eine Art Rückzugsort schaffen, eine Oase im Messetrubel. Das hat funktioniert«, freut sich Maria. »Die Besucher kommen herein, genießen die angenehme Atmosphäre, können entspannt unsere Ausstellung anschauen.«
In die Bücher-Oase eintauchen
Die besondere Stimmung des Messestands erzeugen die langen, halbtransparenten Stoffbahnen, die die Ausstellungsfläche von den Vorbeieilenden abschirmen. Die Bahnen sind aus Geotextil und greifen das Motiv des Nebels auf. Nur an zwei Stellen öffnen sie sich für die Besucher. Ein eher ungewöhnliches Konzept, locken doch alle anderen Messestände mit offenen, bis unter die Decke mit Büchern bepackten Regalen. »Doch zum Thema Lesen passt ja eher die Stille und das Innehalten. Deshalb sind die Leute froh, auch mal unbeobachtet in Bücher versinken zu können. An anderen Ständen sind sie beim Bücherblättern ja eher auf dem Präsentierteller – bei uns können sie sich zurückziehen«, sagt Maria.
Verweildauer: lang
Das Publikum an diesem Donnerstag ist gemischt, hat Spaß an den hin und her schwingenden Stoffbahnen und stellt viele Fragen. Diese beantworten die 15 beteiligten Studierenden gern, haben doch alle in den letzten Wochen viel Herzblut in das Projekt und die Umsetzung gesteckt. »Natürlich sind wir nicht immer alle gleichzeitig hier«, erzählt Ken, »dafür würde der Platz nicht reichen. Aber es ist schon toll, die Besucher und ihre Reaktionen direkt zu erleben. Viele bleiben ziemlich lange, bis zu einer halben Stunde, vertiefen sich in die Bücher, wollen etwas zu unseren druckkünstlerischen Arbeiten wissen oder den Stand unbedingt fotografieren.«
Kein Wunder, dass das Interesse groß ist, die ausgestellten Arbeiten sind allesamt eine intensive Lektüre oder Betrachtung wert. Neben studentischen Publikationen wie der Port, dem Horizonte-Magazin oder der Medienkultur-Zeitschrift Eject, werden viele Diplom- und Bachelorarbeiten der Visuellen Kommunikation sowie Postkarten, Anstecker, Schmuck und andere selbstproduzierte Produkte präsentiert – auf eigens entworfenen und gebauten Möbeln.
Begriffe theoretisch und künstlerisch unter die Lupe nehmen
Auch die Ergebnisse von »Nacht und Nebel« können begutachtet werden, steckt doch hinter dem Semesterprojekt eine detaillierte theoretische und künstlerische Beschäftigung mit beiden Begriffen. Architekten, Gestalter, Medienkünstler – sie alle konnten beim interdisziplinären Projekt Erfahrungen auf ihnen sonst unbekannten Gebieten sammeln. Aber so unterschiedlich die Fächer sein mögen, eines haben die Studierenden alle gemeinsam: ihre Abschluss- oder Semesterarbeiten werden erst ganz knapp vor dem Abgabeschluss fertig. Oft erfolgt der letzte Schliff sogar in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. »Daher ist der Projekttitel auch als ironische Anspielung auf die studentische Arbeitsweise zu verstehen«, lächelt Matthias. »So war es, ist es und muss es wohl bei Projekten sein.«
Am 14. März 2013 sprachen wir mit:
Maria Seidel, 25, Fakultät Architektur
Ken Polster, 24, Fakultät Architektur
Matthias Baumbach, 31, Fakultät Gestaltung
Die Fotos machte:
Lukas Beck, Fakultät Gestaltung
Verfolgen Sie die Aufbauarbeiten des Messestandes per Video: