IHZ: Für den Erhalt des Zuschauerraums des Deutschen Nationaltheaters Weimar
In einem offenen Brief machte das Direktorium des Internationalen Heritage-Zentrums auf die Bedeutung eines der letzten und designgeschichtlich wichtigen Zeugnisse der DDR-Moderne aufmerksam. Das Schreiben richtete sich an den Leiter des Stadtentwicklungsamt Weimar, Bernward-Justus Fechtel, in Kopie an den Oberbürgermeister und die Mitglieder und Fraktionen des Stadtrates.
18. Mai 2022
Offener Brief: Für den Erhalt des Zuschauerraums des Deutschen Nationaltheaters Weimar
Sehr geehrter Herr Fechtel,
in Weimar wird zurzeit die Sanierung des Deutschen Nationaltheaters Weimar (DNT) vorbereitet. Im Nachgang des Jubiläums zur Gründung der Weimarer Republik vor einhundert Jahren, deren erstes Parlament 1919 im Weimarer Theater tagte, hat der Bund dem DNT einen unerwartet hohen Förderbetrag für die Sanierung zugesprochen, den der Freistaat Thüringen verdoppelt hat.
In der Folge wird jetzt darüber nachgedacht, den denkmalgeschützten Zuschauerraum des Hauptbaus aufzugeben und komplett neu zu planen. Bei der Innenarchitektur und Ausstattung des Zuschauerraums handelt es sich um eine sehr qualitätsvolle und noch immer überzeugende Raumausstattung der 1970er-Jahre und als solche um eines der letzten auch designgeschichtlich wichtigen Zeugnisse der DDR-Moderne.
Die denkmalpflegerischen Zielstellungen von 2016 und 2020 begründen den Wert des Raumes als herausragendes und integral erhaltenes Zeugnis der modernen Theatersaalausstattung der 1970er-Jahre. Er stellt eine wesentliche Zeitschicht dieses Baudenkmals von nationaler und internationaler Bedeutung dar, das ein bemerkenswertes Zeugnis der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist mit all ihren Brüchen, Verwerfungen und Leistungen.
Entsprechend muss daraus der Erhalt des Saales resultieren. Gewiss sind Anpassungen nötig und möglich, doch dafür sollten geeignete Kompromisse gefunden werden können. Dies zeigen bereits weit fortgeschrittene Planungen, die nach dem Geldsegen von Bund und Land gestoppt wurden.
Zudem muss ein Perspektivwechsel stattfinden, wie ihn etwa der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA in seinem Positionspapier „Haus der Erde“ formuliert hat: Dem Bestandserhalt ist gegenüber dem Neubau Priorität einzuräumen! Angesichts des fortschreitenden Klimawandels ist man sich in der Gesellschaft weitgehend darüber einig, dass gerade im Bauwesen, das für einen Drittel des CO2-Ausstoßes und für mehr als die Hälfte des Abfallvolumens verantwortlich ist, ein grundlegendes Umdenken nötig ist. Wir finden: Dieses Postulat ist muss auch in der Praxis umgesetzt werden. Gerade bei öffentlichen Bauvorhaben und insbesondere solchen von Kulturinstitutionen muss damit endlich ernst gemacht werden.
Wir, das Direktorium des Internationalen Heritage-Zentrums der Bauhaus-Universität Weimar, fordern in Übereinstimmung mit dem Thüringer Landesdenkmalrat (Sitzung vom 3.5.2022) und mit zahlreichen weiteren Fachleuten, Theaterinteressierten und anderen Akteurinnen und Akteuren in Weimar, Thüringen und darüber hinaus die Planungsverantwortlichen auf, bei der anstehenden DNT-Sanierung den Zuschauerraum zu erhalten und den Planungswettbeswerb entsprechend auszuloben!
Das Direktorium des Internationalen Heritage-Zentrums der Bauhaus-Universität Weimar
Prof. Dr. Hans-Rudolf Meier,
Professur Denkmalpflege und Baugeschichte
Prof. Dr. Daniela Zupan,
Jun.-Professur European Cities und Urban Heritage
Prof. Dr. Jan Willmann,
Professur Theorie und Geschichte des Design
Dr. Jenny Price,
Geschäftsführerin des Internationalen Heritage-Zentrums
Das Internationale Heritage-Zentrum (IHZ) ist ein Zusammenschluss von Professorinnen und Professoren aller Fakultäten der Bauhaus-Universität Weimar sowie von weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern innerhalb- und außerhalb der Universität, die sich mit der Erforschung und dem Erhalt des baukulturellen Erbes beschäftigen.