(go) 2019 jährt sich die Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar zum hundertsten Mal. Anlass genug, schon heute anders über das Erbe des Bauhauses nachzudenken: Studierende haben sich in einem Semesterprojekt mit einem zentralen Raum der Universität auseinandergesetzt, diesen modular gedacht und neu interpretiert– den Oberlichtsaal.
Fast jeder Weimarer kennt ihn, den Oberlichtsaal im Hauptgebäude der Bauhaus-Universität Weimar. Von Henry van de Velde entworfen, diente der repräsentative Raum zunächst als Ausstellungs- und Verkaufsraum; er war eine zentrale öffentliche Adresse für das Bauhaus, in dem Teile der berühmten Bauhaus-Ausstellung von 1923 zu sehen waren. Später wurde er zum Atelierraum, und als produktiv-experimenteller Ort genutzt. Seine Besonderheiten: die hervorragende Lichtqualität dank des Oberlichts sowie die Konturen des Saals. Heute ist der Raum in erster Linie Vortrags- und Präsentationsraum. Für Ausstellungen wird er nur noch selten genutzt.
Hier setzt das von Prof. Bernd Rudolf (Professur Bauformenlehre) und Prof. Jürgen Ruth (Professur Tragwerkskonstruktion) angebotene Projekt summaery.gallery an. Denn was liegt näher als diesen Raum, ausgehend von seinen besonderen Merkmalen, zeitgemäß zu interpretieren und als Ausstellungsraum zu reproduzieren? Solch ein Raum eröffnet Studierenden zudem neue Flächen, um eigene Projekte auszustellen.
»Zum Semesterbeginn haben wir uns zunächst mit dem Raum vertraut gemacht, seine Proportionen, Geometrie und Farbigkeit aufgenommen. Daraufhin stellen wir uns die Frage, mit welchen Ideen wir Teile des Raumes in Segmenten reproduzieren können. Den Raum haben wir uns dafür in je zwei Meter breite Scheiben geschnitten vorgestellt. Für einen Stegreifentwurf hatten wir nur eine Woche Zeit. Diesen haben wir im Laufe des Semesters ausgearbeitet, mit dem Ziel, Modelle im Maßstab 1:20 zu bauen, das entspricht ungefähr der Größe eines Koffers«, gibt Dana Schreiber Einblick in die Herangehensweise. Dana Schreiber ist eine von sieben Studierenden im Master Architektur, die sich für dieses Projekt eingeschrieben hat.
Sichtbare Spuren in den Entwürfen der Studierenden haben die wöchentlichen Konsultationen mit den betreuenden Professoren hinterlassen, genauso wie ein Kolloquium mit Vertretern von Industrieverbänden – von Ausbau und Fassade über Gips bis hin zu Trockenbau und Systembau- , die im Mai im Oberlichtsaal zusammenkamen.
Die Vielfalt der Modelle spiegelt die verschiedenen Ansätze wider: Von einer leicht anmutenden Holz-Stab-Konstruktion über eine klare Aluminiumstruktur bis hin zu einem filigranen Fadengrafik-Modell. Die Studentin Maria Nulle berichtet, was sie zum künstlerischen Ansatz ihres Modells inspiriert hat und wie sie zu ihrem virtuellen Standort kam: »Die Grundidee meines Pavillons war die Auflösung des Oberlichtsaals in linearen Strukturen. Dadurch entsteht ein organisches Bild, das wiederum an van de Velde erinnert. Durch die Rundung musste ich an die Fadengrafiken denken, die meine Großmutter früher im Wohnzimmer hängen hatte. Um diese Fadengrafik nicht willkürlich zu spannen, habe ich mit einem computerbasierten Berechnungsverfahren ermittelt, welche Partien des Bauraums mit Werkstoff belegt werden müssen, wenn Lasten auf den Baukörper einwirken. Topologie-Optimierung heißt das im Fachbegriff. Meine Reproduktion des Oberlichtsaals kann ich mir gut auf dem Vorplatz des Weimarer Hauptbahnhofes vorstellen. Dort kann er Ankommende auf das Bauhaus-Jubiläumsjahr einstimmen, Wartende lädt er auf Sitzgelegenheiten zum Verweilen ein.«
Welchen Herausforderungen hatten sich die Studierenden zu stellen? Prof. Rudolf erläutert: »Wert gelegt habe ich darauf, dass die Segmente montierbar, demontierbar, transportierbar und lagerbar sind, da ein Aufbau immer temporär sein wird. Durch die modulare Bauweise spielte die Frage nach der Anschlussfähigkeit der Module eine wichtige Rolle: Schließlich sollen die Verbindungen zwischen den Segmenten regendicht sein. Von zentraler Bedeutung waren zudem statische Fragen der Lastenverteilung.«
Auf dem Weg zum Bauhaus-Jubiläumsjahr 2019 haben Studierende in diesem Jahr verschiedene Standorte für ihre Module des Oberlichtsaals erprobt, Skizzen ihrer Ideen im Maßstab 1:20 gefertigt und jeweils ein Detail im Maßstab 1:1 gebaut. Damit ist ein erster Schritt in die Zukunft gemacht.
Prof. Rudolf wagt einen Ausblick: »Für mich ist das Projekt ein Versprechen für die Zukunft. In vier Jahren soll der Oberlichtsaal im Maßstab 1:1 modular nachgebaut sein. Dabei stelle ich mir vor, dass wir nicht nur in Weimar, sondern – gemeinsam mit Partnern – weltweit Segmente dieses zentralen Bauhaus-Ortes realisieren. So könnten wir Orte, die einen Bauhaus-Bezug aufweisen oder Partnerinstitutionen der Bauhau-Universität Weimar sind, mit einer Spur aus Weimar markieren.«
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