Anfang August ist Burkhard Grashorn, der zwanzig Jahre lang als Professor für Entwerfen und Baugestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar wirkte, verstorben. Sein langjähriger Kollege Karl-Heinz Schmitz gedenkt des Architekten und Hochschullehrers in einem Nachruf.
Als Burkhard Grashorn sich 1995 in Weimar auf die Professur für Entwerfen und Baugestaltung bewarb, da kannten wir seinen Namen und seine Arbeit schon. Durch sein künstlerisches Schaffen und seine Rolle im internationalen architektonischen Diskurs der 1970er Jahre, seine Berufung als Deutscher Kommissar für die erste Architektur-Biennale in Venedig und seine Beiträge zur Internationalen Bauausstellung im Berlin der 1980er Jahre wurde er bekannt. Sein gebautes Werk war nicht groß, aber sein Vortrag machte Eindruck und seine Arbeit hatte etwas Widerspenstiges, und das konnte die Fakultät zu dieser Zeit gut gebrauchen. Es hatten sich einige anerkannte Kollegen auf diesen Lehrstuhl beworben, Burkhard Grashorn setzte sich durch und das erwies sich als großes Glück für Weimar. Er war ein inspirierender Lehrer, ein anregender Kollege und ein guter Freund. Jetzt ist er nicht mehr da, der Aufrüttler und impulsive Querdenker. Er wird uns fehlen, der finstere Blick, der sich schlagartig in ein Lächeln umwandeln konnte.
Gleichgültigkeit gegenüber den Entscheidungen der Zeit war seine Sache nicht. Es entsprach nicht seinem Temperament. Er musste dagegen oder dafür sein. Und das konnte er nicht nur mit Worten zum Ausdruck bringen, sondern mit seinem ganzen Körper, mit seinem Blick, mit einer Skizze, mit einem Entwurf oder mit einer Ausstellung. Alles konnte ihn stimulieren, das Gute und das Schlechte, er benötigte immer Anlässe, an denen er sich aufregen konnte. Wer mittelmäßige Arbeit ablieferte oder Plattitüden von sich gab, hat sich vor ihm fürchten können, wer ihn nicht gut kannte, hätte sich schon vor seinem Blick fürchten können. Der strenge Blick täuschte jedoch ein wenig. Die, die ihn etwas näher kannten, wussten, wie schnell er seinem Humor weichen konnte. Burkhard Grashorn war ein großes Kind, das ständig gegen die Welt rebellierte, gegen ihre Mittelmäßigkeit und ihre Boshaftigkeit. Und er tat dies zu jeder Gelegenheit. Noch im Krankenhaus beschwerte er sich über die Farbgestaltung seines Zimmers. Man solle das Zimmer umstreichen oder ihm ein anderes geben. Das erinnert an Oscar Wildes letzte Worte: »Entweder diese Tapete geht oder ich gehe«.
Und wie bei einem Kind, konnte die Welt ihn immer wieder in Staunen versetzen - die Architektur konnte ihn immer wieder in Staunen versetzen. Das Entstehen von Bauten war ihm jedoch viel zu träge, es konnte seiner impulsiven Art nicht gerecht werden. Vielleicht hat er deswegen so wenig gebaut. Seine Skizzen, Entwürfe und Ausstellungen rüttelten jedoch an den Gedankengebäuden der Zeit. Er war ein Künstler-Architekt, eigenständig, eigenwillig und symbiotisch verbunden mit seiner Frau Manon, die ebenfalls Künstlerin ist.
Burkhard Grashorn konnte aus einer Verlegenheit etwas Großartiges schaffen. Als die Fakultät 1999 erkennen musste, dass das Hauptgebäude nicht rechtzeitig zum Kulturstadtjahr fertig werden würde, bat sie ihn, den Rohbau zu inszenieren. Mit wenigen Mitteln stellte er in den kargen, unverputzten Räumen die Stimmen der alten Meister aus, die hier gelehrt hatten: u.a. Walter Gropius und Mies van der Rohe; in jedem Raum sprach eine vergangene aber doch vertraute Stimme. Das Unfertige, immer auch Zukunft, und das Vergangene vermischten sich auf seltsame Art und Weise und dem Besucher wäre nicht in den Sinn gekommen zu fragen, warum dieser Bau nicht rechtzeitig fertig geworden war.
Als Burkhard Grashorn 2005 gebeten wurde, die Diplomfeier der Fakultät zu gestalten, lud er einen der berühmtesten Architekten zu einem Vortrag ein – Peter Zumthor. Das war typisch. Es musste der Beste sein. Und es passierte was passieren musste: Zumthor sagte kurz vorher ab. Es war aber genau diese Verlegenheit, die ihn zur Höchstform antrieb. Am Abend der Feier las er einen Brief vor, den ein Überraschungsgast geschrieben hatte, der für Peter Zumthor eingesprungen war. Dieser Gast schrieb über den Zustand der Architektur, was aus ihr seit Beginn der Moderne geworden war und er beklagte den Zustand der Städte. Er zog Bilanz und, wenn ich mich richtig erinnere, lobte er die Ausbildung an der Bauhaus-Universität Weimar.
Und dann kam der Schluss: Mit freundlichen Grüßen, Ihr Walter Gropius.
Es war eine der gelungensten Diplomfeiern an der Fakultät.
Kunst und Architektur waren für Burkhard Grashorn unzertrennlich, er wurde von beiden getragen und sie wurden eine Zeitlang von ihm getragen. Auch Weimar, die Bauhaus-Universität Weimar und die Fakultät haben davon profitiert. Im Oktober erscheint das Buch: Poetische Utopie: Der Architekt und Hochschullehrer Burkhard Grashorn. Er wird es leider nicht mehr sehen. Unser Kollege Burkhard Grashorn ist am 6. August gestorben. Wir trauern um ihn.
Karl-Heinz Schmitz
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