Wie gelingt es, weniger Energie zu verbrauchen? Um Kosten zu sparen und das Klima zu schützen, in dem weniger CO2 freigesetzt wird? Solchen Fragen widmen sich 150 Gäste aus Wissenschaft und Praxis aus ganz Europa vom 20. bis 22. September 2022 auf der Tagung BauSIM an der Bauhaus-Universität Weimar. Neben Universitäten und Hochschulen sind Ingenieur- und Architekturbüros, das Baugewerbe und Verwaltungen vertreten. Worum es bei der Tagung gehen wird und warum Behaglichkeit ein Thema ist, darüber hat Wissenschaftsredakteurin Dr. Stefanie Waske mit dem Tagungsleiter, Prof. Dr. Conrad Völker, Lehrstuhl für Bauphysik, vorab gesprochen.
Wie kalt wird es bald in unseren Wohnungen und an unserem Arbeitsplatz? Welche Energie können wir uns noch leisten? Solche Fragen beschäftigen jetzt alle. Ihre Tagung beleuchtet das Thema aus wissenschaftlicher Sicht. Wie betrachten Sie als Forscher die gegenwärtigen Debatten?
In der Bauphysik und angrenzenden Gebieten stellen wir uns natürlich seit Jahren die Frage, wie wir sukzessive den Energieverbrauch unserer Gebäude senken können, um C02 einzusparen. Aber dass mit einem Mal möglicherweise wenig oder gar keine Energie mehr da ist, das hat in den bisherigen Szenarien keiner durchgespielt. Wir haben in den letzten Wochen bei uns an der Professur einzelne Simulationen durchgeführt, um zu schauen: Was würde denn passieren, wenn plötzlich kein Gas mehr zum Heizen da wäre? Wie stark sinken Temperaturen in Wohnungen möglicherweise ab?
Was war das Ergebnis?
Die Simulationen haben gezeigt, dass durchaus einstellige Raumtemperaturen sehr schnell erreicht werden und dann konstant über mehrere Monate kalte Wohnungen vorhanden sind. Das ist natürlich nicht in jeder Wohnung identisch, das hängt vom Dämmstandard ab, von der Nutzung der Wohnung, von der Anzahl der Bewohner, da diese ja auch Wärme abgeben und über Geräte und Aktivitäten wie Kochen gegebenenfalls zusätzlich Wärme in die Wohnung einbringen.
Wie sind die Folgen für das Gebäude? Ist nicht Schimmel eine Gefahr?
Schimmelbildung wäre ein Problem, das sogar relativ schnell auftreten kann. Davon sind besonders Wohnungen betroffen, in denen viel Feuchtigkeit eingetragen wird, indem zum Beispiel viel gekocht, Wäsche aufgehangen, geduscht und gleichzeitig wenig gelüftet wird. Gerade das Lüften dürfte den Bewohnern schwerfallen, wenn es draußen kalt ist. Wenn ich kaum oder keine Heizung zur Verfügung habe, will ich es ja nicht noch kälter machen und lüfte gegebenenfalls weniger. Es muss aber gerade in einer kalten Wohnung gut gelüftet werden, da kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann und die Gefahr des Schimmelpilzes droht. Die zweite Gefahr für das Gebäude ist, dass wir bei ganz kalten Temperaturen mit dem Frostschutz Probleme bekommen. Das heißt, dass in der Heizung, aber auch an anderen Stellen, das Wasser gefriert, sich dabei ausdehnt und Schäden verursacht. Eine weitere Gefahr ist, dass sich der Frost- sowie der Taupunkt innerhalb der Außenwand deutlich nach innen verschiebt, wodurch auch Bauschäden hervorgerufen werden können.
Alles beunruhigende Szenarien.
Durch diese Krise werden aber auch Sachen angestoßen, die eigentlich gut für uns sind, weil wir CO2-Emissionen reduzieren wollen. Jetzt werden plötzlich Maßnahmen ergriffen, die wir eigentlich schon viel früher hätten ergreifen können. Beispielsweise, dass wir über behutsame Temperaturabsenkungen nachdenken, dass viele ihre Gebäudetechnik einschließlich der Energieerzeugung überdenken oder aber, dass nachts Gebäude nicht mehr so hell beleuchtet werden, was neben Energieaufwand ja auch Lichtverschmutzung bedeuten kann. Das jetzt zu reduzieren, das bringt nicht nur in der aktuellen Krise etwas, sondern ist etwas, was man langfristig an vielen Stellen beibehalten sollte.
Viele Beiträge der BauSIM2022 beschäftigen sich mit Energieeinsparung. Ist das etwas Neues?
Die Tagung dreht sich seit Jahren um die Simulation der Energieeffizienz von Gebäuden, Quartieren und darüber hinaus. Bei dieser Tagung hat es natürlich durch die aktuelle gesellschaftliche Lage einen besonderen Drive. Aber bei den vorherigen Tagungen war das Thema genauso wichtig, weil wir nicht für den jetzigen Winter Lösungen finden wollen, sondern weil uns die Senkung der CO2-Emissionen seit Jahren beschäftigt und auch in den kommenden Jahrzehnten wichtig bleiben wird. Hinzu kommen die ständig steigenden Energiepreise oder aber ungewollte politische Abhängigkeiten durch die Energieversorgung. Insofern ist das Thema ein Dauerbrenner.
Was sind in Fachkreisen die meist diskutierten Wege, um das Ziel zu erreichen?
Wir haben in der Vergangenheit immer nur einzelne Gebäude betrachtet. Davon kommen wir mehr und mehr weg. Wir betrachten in Zukunft Quartiere. Da kann das eine Gebäude mal ein wenig mehr Energie verbrauchen und das wird gegebenenfalls von einem danebenstehenden Gebäude kompensiert. Wenn man sich auf unserem Campus umschaut, dann haben wir Gebäude, die energetisch richtig gut sind. Gleichzeitig haben wir daneben Gebäude, die denkmalgeschützt und UNESCO-Weltkulturerbe sind, die immer mehr Energie verbrauchen werden als die anderen. Wichtig ist, dass die Bilanz im Quartier stimmt.
Wir beheizen im Moment einen Großteil unserer Gebäude mit Gas und Öl. Das ist politisch aktuell ungünstig, aber resultiert auch in hohen CO2-Emissionen. Da braucht es neben der Dämmung der Gebäude auch neue technische Lösungen wie Wärmepumpen, Geothermie, Wasserstoff vielleicht. Gleichzeitig brauchen wir Gebäude und Quartiere nicht nur als Energieverbraucher, sondern auch als Energieerzeuger. Vielleicht sogar als Energiespeicher. Das alles wird besprochen bei der Konferenz. Dort wird der Fokus darauf liegen, wie man so etwas berechnet, simuliert. Man möchte ja an einem Quartier nicht ein paar Sachen ausprobieren, so etwas geht immer schlecht und ist furchtbar teuer. Aus diesem Grund entwickeln wir in unserer Vereinigung IBPSA Verfahren wie Computersimulationen, mit denen man unter anderem solche Dinge berechnen kann.
Was können diese leisten?
Man simuliert die einzelnen Gebäude mit ihren ganz unterschiedlichen Geometrien, Wandaufbauten, unterschiedlichen Fensterflächen-Anteilen oder Ausrichtungen nach Norden, Süden, Osten, Westen. Sie haben unterschiedliche Gebäudetechnik, die einen noch eine alte Erdgas- oder Erdölheizung, die anderen schon eine Wärmepumpe oder sogar einen Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff. Die meisten befinden sich irgendwo dazwischen.
Dann hat man unterschiedliche Nutzungen, die man simulieren muss. Manche Häuser sind Bürogebäude, andere Wohngebäude und dann hat man zusätzlich viele weitere wie Industriebauten oder sogar eine Universität - alle mit ganz unterschiedlichen Nutzungen. Das versucht man alles in der Simulation unterzubringen. Was man dann nach Eingabe all dieser Randbedingungen simuliert, ist die Energiebilanz des Gebäudes oder eben des Quartiers. Als Ergebnis erhält man beispielweise den Heizwärmebedarf des Quartiers. Und dieser Bedarf würde idealer Weise möglichst niedrig sein. Und dieser Restbedarf sollte mit Hilfe erneuerbarer Energien gedeckt werden, so dass in Zukunft weniger CO2-Emissionen entstehen.
Und wo komme ich als Bewohnerin oder Bewohner in der Rechnung vor?
In der Rechnung gehen Sie einerseits als Größe ein, weil Sie ja manchmal Wärme in die Gebäude einbringen, in dem Sie anwesend sind und als Mensch Wärme abgeben, in dem Sie kochen oder in dem Sie Ihre Heizung nach Ihren Wünschen justieren. Sie spielen aber auch bei dem Ergebnis, also dem Heizwärmebedarf eine Rolle, denn sie müssen die Heizkostenrechnung bezahlen. Wir simulieren übrigens auch die Temperaturen, die in den Gebäuden herrschen. Die müssen für uns Benutzer so sein, dass es behaglich ist. Es bringt ja nichts, wenn wir alles nur energieeffizient machen, wenn wir als Nutzer hinterher darunter leiden.
Sie haben das Stichwort »behaglich« genannt. Behaglichkeit taucht als Thema auf der BausSIM auf. Was ist darunter zu verstehen?
Die sogenannte thermische Behaglichkeit setzt sich aus Sicht des Bauphysikers aus sechs Faktoren zusammen: Der erste Faktor wäre die Lufttemperatur, der zweite die Strahlungstemperatur, der dritte die Luftfeuchtigkeit, der vierte die Strömungsgeschwindigkeit – also die Luftgeschwindigkeit im Raum. Dann gibt es noch zwei persönliche Faktoren. Einerseits, wie ich gekleidet bin. Trage ich einen Anzug oder kurze Kleidung? Und der sechste Faktor ist die Aktivität des Metabolismus, also des menschlichen Körpers. Also wie aktiv ich gerade bin. Liege ich und schlafe? Dann ist mein Metabolismus stark heruntergefahren. Oder sitze ich am Schreibtisch und arbeite, dann ist der Wärmeumsatz des Körpers schon höher. Oder arbeite ich aktiv wie ein Handwerker oder treibe Sport, dann ist der Wärmeumsatz am größten und dem Körper wird entsprechend warm. All diese sechs Faktoren haben großen Einfluss, wie behaglich ich ein Raumklima empfinde. Darüber hinaus gibt es noch viele andere, sekundäre Faktoren wie akustische oder visuelle Einflüsse oder Geschlecht und Alter.
Auch die Akustik der Räume spielt auf der Tagung eine Rolle, oder die der Gesundheit wie Covid-19.
Die Bau- und Raumakustik ist ein Thema, zu dem wir an unserem Lehrstuhl intensiv forschen. Und das wir deshalb erstmalig mit in die BauSIM einbringen. Da wir bei uns an der Professur eine Arbeitsgruppe Akustik und ein dazugehöriges Labor haben, haben wir uns zum Ziel gesetzt, hier einen eigenen Tagungsabschnitt einzurichten und auch Führungen anzubieten. Wir denken, dass die Akustik in der Bauphysik eine wichtige Rolle spielt und auf den Konferenzen sichtbar sein muss. Zum Thema Corona gibt es auf der BauSIM auch verschiedene Vorträge. Wir selbst haben ja auch in den letzten Jahren sehr viele Messungen und Simulationen gemacht, viele andere Kolleginnen und Kollegen natürlich auch. Bei uns ging es zunächst um Masken und Abstände ganz allgemein und später spezialisiert um Blasinstrumente, um die Beatmung auf Intensivstationen. Auch das ist ein Thema, das in der Bauphysik nicht ad acta gelegt ist und uns alle im Herbst vielleicht wieder mehr begleiten wird.
Da spielt das Thema Lüften wieder eine große Rolle…
Ja. Und das beißt sich dann mit dem, was sich Nutzerinnen und Nutzer wünschen, wenn sie nicht ausreichend heizen können. Zum Verhalten von Nutzerinnen und Nutzer wird es übrigens auch mehrere Vorträge auf der BauSIM geben.
Welche Forschungsthemen der Bauhaus-Universität Weimar sind sonst noch präsent auf der Tagung?
Da ist zum Beispiel das Forschungsprojekt Smood zu nennen. In diesem Forschungsprojekt entwickeln wir Verfahren zusammen mit den Kollegen Prof. Guido Morgenthal und Prof. Volker Rodehorst, mit denen wir zukünftig Quartiere energetisch simulieren. Die Quartiere werden dabei zunächst mit Drohnen beflogen. Und auf diesen Drohnen sitzen verschiedene Kamerasysteme, die nehmen die Gebäude im Quartier auf. Die Daten, die wir dabei sammeln, werden in unsere Simulation gespeist, die uns dann den Energiebedarf vom Quartier berechnet.
Worauf sind Sie persönlich gespannt?
Ich bin vor allem gespannt, alle Kolleginnen und Kollegen wieder zu sehen. Die letzte Tagung war – natürlich Corona bedingt – an der TU Graz online. Das Wichtige ist ja nicht, dass man nur Vorträge anschaut und vor dem Rechner sitzt, sondern dass man sich in den Pausen miteinander austauscht, dass man sich Labore ansieht und sagt «Mensch, wie macht Ihr das? Wir haben dieses oder jenes Problem» - das fällt online alles weg. Und das ist für mich das ganz zentral bei dieser BauSIM in Präsenz.
Weitere Informationen zur BauSIM2022 erhalten Sie unter: www.BauSIM2022.de
Für Rückfragen steht Ihnen Dr.-Ing. Albert Vogel, Professur Bauphysik, Fakultät Bauingenieurwesen, gern telefonisch unter Tel.: +49 (0) 36 43 / 58 47 06 sowie per E-Mail unter albert.vogel[at]uni-weimar.de zur Verfügung.
Für Rückfragen zum Artikel können Sie sich gern an die Wissenschaftsredakteurin Dr. Stefanie Waske wenden, per E-Mail unter stefanie.waske[at]uni-weimar.de oder telefonisch unter +49 (0) 36 43 / 58 11 24.
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