Annette Reese ist International Counsellor und Studiengangkoordinatorin an der Fakultät Medien und hat soeben ihren ersten Kurzroman veröffentlicht. „Verschenkt“ erschien im August 2021 im Christel Göttert Verlag und wurde am Freitag, 17.09.2021, vor ausverkauftem Haus in der Thalia-Buchhandlung Weimar vorgestellt. Wir haben Annette Reese zur Entstehung des Buches befragt.
1.) Liebe Frau Reese, „verschenkt“ handelt von einer alleinerziehenden Mutter, deren Leben auf den Kopf gestellt wird? Warum haben Sie sich entschlossen, darüber zu schreiben?
Mich interessieren Grenzsituationen. Das Ende einer Beziehung, die Diagnose einer Krankheit, die Geburt eines Kindes sind beispielsweise solche Situationen, in denen das Leben auf der Kippe stehen kann, wir manchmal in eine völlig andere Richtung weitergehen müssen, als geplant. Manche ergreifen sie als Gelegenheit, sich neu auszurichten, andere zerbrechen daran. Wie reagiert eine reflektierte, gebildete Frau, die ihr Leben vordergründig „im Griff“ hat, wenn sie vor dem Scherbenhaufen einer Beziehung steht und zusätzlich Sorge für das emotionale und materielle Wohlergehen ihrer Kinder tragen muss? Bei der Protagonist Claudia Schöne war es mir wichtig, die Ambivalenz zwischen ihrer Stärke und ihrer Schwäche zu schildern. Eine Frau zu zeichnen, die es sich neben den enormen Alltagsanforderungen einer alleinerziehenden Mutter herausnimmt, kreativ zu sein, die in ihren Texten wagt, Grenzen zu überschreiten, die aber in ihrer Lebenswirklichkeit in alten Konditionierungen und Begrenzungen haften bleibt. Aufgrund eines Unfalls ihrer Tochter wird Claudia gezwungen, sich aus ihrem Kokon herauszubewegen und sie findet den Mut, manchen Menschen Grenzen zu setzen und sich anderen gegenüber zu öffnen.
2.) Ein Buch schreiben neben einem 30h-Job und mit zwei Kindern – wie geht das?
Um mit einem in der Fakultät Medien gern verwendeten Terminus zu antworten: Die intrinsische Motivation war über zehn Jahre hinweg so hoch, dass ich mich, wann immer Zeit übrig war, hingesetzt und weitergeschrieben habe. Nicht ohne Grund ist „verschenkt“ ein Kurzroman. Aber zum Glück war für mich die Geschichte ohnehin auf Seite 154 zu Ende erzählt.
3.) Der Kurzroman ist im Christel Göttert Verlag erschienen – einem reinen Frauenverlag. Warum haben Sie sich für diesen Verlag entschieden?
Ich bin der Verlegerin Christel Göttert sehr dankbar, dass sie meinen Text gelesen und sein Potenzial erkannt hat. Bei den großen Publikumsverlagen fällt „verschenkt“ aufgrund seiner Kürze und der eher unbequemen Thematik durch alle Raster. Es braucht wohl die Entschlusskraft von mutigen Frauen in Kleinverlagen, um Texte wie „verschenkt“ zu veröffentlichen. Ziel des Christel Göttert Verlags ist es bis heute, die Unterschiedlichkeit von Frauen zu zeigen und die Vielfalt weiblichen Denkens und Schaffens sichtbar zu machen. Ein Blick ins Verlagsprogramm reicht aus, um zu verstehen, dass „verschenkt“ dort sehr gut aufgehoben ist: Vor dem Hintergrund unserer vermeintlich gleichberechtigten westlichen Gesellschaft problematisiert „verschenkt“ Themen, die unbequem sind, mit denen sich der „Mainstream“ selten auseinandersetzt: Die Erschöpfung und Einsamkeit alleinerziehender Mütter, die Geburt als Chance für eine Rückbesinnung auf weibliches Potenzial und nicht zuletzt die fehlende Lobby und Anerkennung weiblicher Kunst.
4.) Was planen Sie für die Zukunft? Wird es weitere Buchprojekte geben?
Mit dem Planen ist das so eine Sache. Ich habe Ideen, bei denen ich aber noch nicht weiß, ob die Handlung trägt, ob ich die Figuren so sehr mag, dass ich bereit bin, sie wieder 10 Jahre mit mir herumzutragen. Ein fast fertiges Kinderbuch liegt in der Schublade. Dafür fehlt noch eine schöne Illustration. Es hat mir viel Spaß gemacht, für Kinder zu schreiben. Wenn ich mir meine derzeitigen Ideen jedoch anschaue, wird ein neues Schreibprojekt eher wieder ein Kurzroman für Erwachsene sein.
Vielen Dank!
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