Exkursion zu Lernräumen der Zukunft I
18.-19. November 2024
Universität St. Gallen
- Labor für Digitalität (HfS Ernst Busch),
- New Practices in Art and Technology: Studio (UdK/TU Berlin) + InKüLe – In Künsten Lernen (UdK Berlin),
- (R)Evolution im Seminarraum // Reallabore (HTW Berlin)
Teilnehmende: Jörg Brinkmann, Uwe Cämmerer-Seibel, Ulrike Garde, Martina Jacobi, Emilia Justen, Andreas Mai, Salma Virag Pethoy-Hayed, Tarek Rishmawi, Steffen de Rudder, Martha Steinmetz
Organisation: Anne Brannys, Andreas Wolter
Die Exkursion zu den Lernräumen der Zukunft wurde als eine Forschungsreise im Projekt „LeerRaum“ konzipiert. Ziel der Exkursion war es, auf Erkundungstour durch einige der neu enstandenen Lehr-und Lernräume in Berlin zu gehen und gemeinsam mit den Lernraumplaner:innen und Gestalter:innen vor Ort in einen kollegialen Austausch zu treten. Gezielt haben wir dabei Projekte ausgewählt, die sich ebenfalls an Kunsthochschulen verorten und von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre gefördert werden.
Unsere Fragen an die Räume, in denen wir gut lehren und lernen können, denen wir im LeerRaum-Projekt nachgehen, haben wir mit auf die Reise genommen und mit den Personen, die wir besucht haben und mit den Teilnehmenden der Exkursion vor dem Hintergrund der jeweils eigenen Beobachtungen und Fragestellungen diskutiert und voneinander gelernt.
Auch für das Abendprogramm haben wir das Thema der besonders gestalteten (Arbeits-)Räume aufgegriffen und in einem Künstleratelier gemeinsam mit Berliner Künstler:innen zu Abend gegessen. Selbst die Übernachtung wurde themengerecht geplant in einem einzigartigen Hotel, das statt regulärer Zimmer ehemalige Berghütten und Wohnwagen in einer großen Halle versammelt. Ziel war es, die Exkursion als ganzheitliche Erfahrung zu sehen, in der lebendige und produktive Diskussionen und nachhaltige Eindrücke entstehen.
Dies waren unsere B e o b a c h t u n g s s c h w e r p u n k t e, anhand derer wir eine Sammlung von Fragen entwickelt haben, die wir auf die Exkursion mitgenommen haben als Manual:
S t r u k t u r e l l e V e r o r t u n g
D i d a k t i s c h e E r m ö g l i c h u n g
S t u d e n t i s c h e P a r t i z i p a t i o n
Z u g ä n g l i c h ke i t
B e t re u u n g
A t m o s p h ä r e
A u s s t a t t u n g
We g e , O r d n u n g e n , L e i t s y s teme
S i c h t b a r k e i t u n d Tr a n s f e r
Fe e d b a c k p r o z e s s e u n d E v a l u a t i o n
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Labor für Digitalität // Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin
Unsere Tour startete an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch am Zentralstandort in der Zinnowitzer Straße. Das umgestaltete Gebäude der ehemaligen Opernwerkstätten setzt sich aus drei Teilen zusammen, dem Altbau, dem mit Holz verkleideten Bühnenturm mit zwei übereinander gesetzten Bühnen und einem Glasbau, in dem sich die Mensa befindet. Im Inneren trifft rauer Sichtbeton auf beschreibbare Tafelwände und bodentiefe Fenster, eine Verschränkung von Offenheit und Verschachtelung, Werkstatt und Bühne. In Empfang nimmt uns Julian Jungel, Leiter des Labors für Digitalität.
Wir beginnen unseren Rundgang mit einer Besichtigung der Werkstattbereiche: Zunächst der Puppenfundus, ein Archiv in Bewegung, dann die Puppenbauwerkstatt und schließlich die Metall- und Holzwerkstatt, die wir hier miteinander kombiniert finden. Die Werkstattleiter Ingo Mewes und Jonathan Gentilhomme nehmen uns herzlich auf und wir steigen direkt in eine lebendige Diskussion ein, die uns schließlich zu unserem eigentlichen Ziel führt – dem Labor für Digitalität.
Das Labor für Digitalität versteht sich als „ein studiengangsübergreifendes und interdisziplinäres Angebot zur Erforschung digitaler Bühnen, Körper und Objekte. Dazu bietet es allen Studierenden und Lehrenden der Hochschule die Möglichkeit, sich mit zeitgenössischer (Digital-)Technik im Kontext der Bühne zu befassen. Die Auseinandersetzung dreht sich dabei um die Themen Digitalkultur, Mensch-Maschinen-Interaktion, Virtuelle und Alternative Realitäten, (Video-) Spiele, Internetpolitik und vieles mehr. Die sozialen und ökologischen Komponenten dieser Themen werden kritisch betrachtet.“
Das Labor besteht in enger Nachbarschaft und regem Austausch zu den anderen Werkstätten und stellt die logische Erweiterung der analogen Anwendungen ins Digitale dar. Auf knapp 30 qm werden verschiedene Aufgabenbereiche miteinander koordiniert: 1. Die technologische Beratung von Lehrenden und Studierenden mit (täglich geöffneter) Ausleihe von Technik. 2. Die Erforschung neuer Technologien und Anwendungen für den Einsatz innerhalb der Hochschule und externer Kooperationen mit anderen Forschungseinrichtungen oder Ausstellungsinstitutionen. 3. Das Durchführen von Workshops und Schulungen von Studierenden und Lehrenden. Für den ersten Arbeitsbereich der Ausleihe und Beratung wurde eine Stelle geschaffen, die auch für das Ordnungssystem im Raum verantwortlich ist.
Wir diskutieren den Einsatz von digitalen Technologien in einer vorrangig analog operierenden Institution. Dozentin für Choreografie Isabel Robson präsentiert uns passend dazu ein Forschungsprojekt, in dem VR- und AR-Technologien in eine zeitgenössische, sich iterativ mit dem Publikum weiterentwickelnde Performance eingesetzt werden. Die Verschränkung des Labors für Digitalität mit der Disziplin des Puppenspiels nebst Werkstätten zeigt sich im Schwerpunkt der additiven Fertigung von Puppenteilen und der anschließenden Animation mithilfe von Robotik. Diese Schwerpunkte führen zu eigener Forschung in Kooperation mit anderen Institutionen, wie einem Projekt zur Entwicklung eines neuen, biologisch abbaubaren Filaments (TU Dresden) oder einer interaktiven künstlerischen Installation mit einer vom Publikum zu steuernden Elon Musk-Marionette in Lebensgröße (Kunstkraftwerk Dresden). Die Profilierung des Labors als gleichzeitig unterstützende wie selbst forschende Institution hob Kanzlerin Christiane Linsel im Gespräch hervor. So sei das Labor ein unverzichtbarer Teil der Hochschule geworden und wird auch nach Ende der Förderung weiter bestehen.
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New Practices in Art and Technology: Studio, InKüLe //UdK und TU Berlin
Das Studio des interdisziplinären Studiengangs Design and Computation versteht sich „als Raumlabor zur dynamischen, prozesshaften und kontinuierlichen Erforschung und Gestaltung innovativer, zukunftsorientierter und inter- und transdisziplinärer Lern- und Lehrräume“. Situiert im Hauptgebäude der Technischen Universität in der Straße des 17. Juni im Baudenkmal auf den 220 qm des ehemaligen Lesesaals der Bibliothek betreten wir einen Ort mit Geschichte und großzügigem Blick über Berlin. Der Raum selbst wird für Seminare, für Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit, für Präsentationen, Ausstellungen, Versuchsanordnungen und Vorträge ebenso genutzt wie als Werkstatt und Konferenzraum. Möglich wird diese Diversität durch eine Zonierung, einen transparenten Belegungsplan und – nicht zuletzt – gegenseitige Rücksichtnahme. Ein schnelles Umschalten zwischen verschiedenen Nutzungen wird durch vielseitig einsetzbares und hochflexibles Mobiliar erreicht. So sind die meisten Tische und Stühle, aber auch die Regale, die als Aufbewahrungsort wie als Raumtrenner funktionieren, rollbar. Aus Gründen der Nachhaltigkeit wurden bereits vorhandene Tische und Regale aufgearbeitet durch die hauseigene Tischlerei. Das extrem auf Funktionalität beharrende Design kontrastiert die historischen Raumelemente, überhaupt fiel uns eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit der Bausubstanz auf, die die Frage nach sich zog, ob die derzeitige Nutzung nicht auch an jedem anderen Ort hätte sein können und der ehemalige Lesesaal vielleicht einer breiteren Öffentlichkeit als Herzstück des Gebäudes geöffnet werden könnte. Zum jetzigen Zeitpunkt haben nur Personen Zugang, die mit dem Studiengang assoziiert sind. Diese jedoch dürfen je nach Auslastung zu jeder Tageszeit im Studio arbeiten und sich so einrichten, dass sie optimal arbeiten können. Leider konnte uns das Studio-Team nicht in Empfang nehmen, dafür lernten wir Franz Siebler vom Projekt InKüLe kennen, der uns den Raum und das eigene Projekt vorstellte. In Künsten lernen (InKüLe) wird an der Universität der Künste realisiert und unterstützt dort innovative, digitale Lehrformate. Die Unterstützung wird durch mediendidaktische Beratung und Workshops zur Schulung im Einsatz von neuen Technologien wie Streaming oder Mixed-Reality für Lehrende und Studierende geleistet. In diesem Zusammenhang hat das Team von InKüLe Toolkits zusammengestellt, mit denen experimentiert werden darf und entwickelt zugleich ein Glossar um über Begrifflichkeiten aufzuklären. Mit seinen Werkzeugen und Schulungsangeboten geht das Team proaktiv auf Studierende und Lehrende zu, wirkt so in ganz unterschiedlichen Räumen und Situationen und verfügt selbst nicht über eigene (Lern)Räume. So erscheint eine Kooperation mit dem Studio New Practices in Art and Technology folgerichtig, da beide Projekte voneinander profitieren können.
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(R)Evolution im Seminarraum – Innovatives Lernraumdesign
Die Reallabore der HTW Berlin
Die im Projekt (R)Evolution im Seminarraum – Innovatives Lernraumdesign entwickelten vier neuen Lernräume waren uns aus mehreren Präsentationen bei einschlägigen Netzwerkveranstaltungen zumindest als Abbildung sehr vertraut. Umso mehr waren wir gespannt auf den Eindruck beim Betreten der Räume. Das Konzept dieser Lernraumentwicklung sieht sich doppelt wirksam: Zunächst auf die konkreten Anforderungen in verschiedenen Lehr- und Lernsettings angepasst, soll das Lehren und Lernen sich wiederum in der Nutzung verändern, auf das jeweilige Raumsetting reagierend. „Mittels partizipativer Prozesse des Co-Design, der Co-Produktion und der Co-Evaluation werden anhand realer Problemstellungen gemeinsam Lösungen mit differenzierten Akteur*_innen erarbeitet, getestet und beforscht. Dabei können nachhaltige Veränderungsprozesse initiiert und damit einhergehende Lernprozesse verstetigt werden.“ (Selbstbeschreibung Website)
Der neu gestaltete Campus Wilhelminenhof der HTW liegt in Oberschöneweide auf dem Gelände der ehemaligen Kabelwerke Oberspree. Die historischen Fabrikgebäude wurden umgestaltet und durch Neubauten ergänzt zu einem harmonischen Gesamteindruck. Die als Reallabore gestalteten neuen Lernräume befinden sich gut erreichbar im Gebäude C. Unterrichtet wird hier vor allem im MINT-Bereich, erzählte uns Lioba Rubik, die Projektkoordinatorin, die uns anschließend durch die Räume führte, aber grundsätzlich solle sich das Angebot an alle Fachbereiche gleichermaßen richten. Zuerst durften wir den Raum Rollercoaster anschauen, der gänzlich ohne Tische, dafür mit Drehstühlen samt Tablar und einer Whiteboardgalerie ausgestattet ist und maximale Flexibilität gewährleisten soll. Nachgerüstet wurde eine längerer Arbeitstisch mit Steckdosen als Ablage.
Zum Zeitpunkt unseres Besuches fand gerade eine Lehrveranstaltung statt, sodass wir den Raum in der direkten Nutzung erleben und sowohl die Lehrperson, als auch die Studierenden zu ihrem Raumeindruck und einer möglichen Auswirkung auf Lehre und Lernen befragen konnten. Während die Professorin sehr begeistert von den neuen didaktischen Möglichkeiten berichtete (z.B. Die Möglichkeit zur Gruppenarbeit, zwei Richtungen des Unterrichts durch verschiedene Screens, insgesamt mehr Flexibilität und damit mehr Bewegung im Denken), waren die Studierenden eher neutral gestimmt und wiesen auch auf Einschränkungen hin, die sie in der Benutzung der rollenden Stuhl-Tisch-Einheiten erlebten. Nach diesem tollen, realitätsnahen Einstieg konnten wir die Diskussion in den folgenden Räumen gut fortsetzen.
Im Raum Level Up wurde eine Kollegin zugeschaltet und so die Möglichkeit zur hybriden Lehre demonstriert, die eine auf eine Raumansicht statt einer lehrendenzentrierten Ansicht und damit mehr Immersion und Teilhabe für die Online-Teilnehmenden setzt. Der Name des Raumes verweist darauf, dass durch den Einsatz von Steh- und Klapptischen in den verschiedenen Raumzonen mobiler auf verschieund auf unterschiedlichen Höhen gearbeitet werden kann.
Die Stehtische begegnen uns wieder im Raum X-Mode, wo die fest verorteten und mit Screen und Steckdosen ausgestatteten Tischinseln speziell für die Lehr- und Lernsituation Gruppenarbeit konzipiert wurden. Durch die Stehhöhe wird eine „Interaktion von Lehrenden und Studierenden auf Augenhöhe“ angestrebt.
Der vierte und letzte Raum mit der Bezeichnung O Mode war mit runden Tischen ausgestattet, an denen bis zu sechs Personen gemeinsam arbeiten können. Jedem Tisch ist eine hängenden Steckdose und ein Monitor für Präsentationen zugeordnet. Auch hier ist das Thema der Gruppen- oder Partnerarbeit zentral.
Frau Rubik berichtete aus dem Projekt, vom partizipativen und transformativen Ansatz der Idee des Reallabors als „experimentelle Umgebung, in der Innovationen in realen Kontexten erprobt werden“ und in der „mittels partizipativer Prozesse des Co-Design, der Co-Produktion und der Co-Evaluation (...) anhand realer Problemstellungen gemeinsam Lösungen mit differenzierten Akteur*_innen erarbeitet, getestet und beforscht“ werden. Die in den Räumen eingesetzten Möbel und Technologien sind jedoch mehrheitlich von einem prominenten Anbieter für Lernraumausstattung gekauft, was Fragen hinsichtlich des gemeinsamen Designs aufwarf. Durch diese Einheitlichkeit auch innerhalb der Materialwelt entstand für viele innerhalb unserer Gruppe der Eindruck von Sterilität und Kühle. Das flexibel bewegliche Mobiliar lässt sich zwar zur Seite schieben, aber nicht gänzlich verräumen, weil – wie an fast allen Hochschulen üblich – kaum Lagerraum vorhanden ist. So entsteht mitunter ein chaotischer Raumeindruck durch die in die Ecke geräumten nicht genutzten Möbel. Beeindruckt waren wir durch das Kommunikationskonzept, was die neu entstehenden Möglichkeiten für die Didaktik betrifft. Auch dass die Räume außerhalb der Unterrichtszeiten von den Studierenden als Arbeitsräume genutzt werden können, hat uns sehr gefallen. Nicht zuletzt jedoch hat uns der Forschungsansatz beeindruckt, die klare Zielstellung, etwas zu verändern und genau zu untersuchen und zu überprüfen, was verändert werden soll und wodurch positive Entwicklungen angestoßen werden können. Von dieser Grundlagenarbeit profitieren andere Projekte der Lernraumgestaltung sehr, nicht zuletzt auch wir.
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Statt eines Fazits ein Ausblick
Nach vollen und eindrücklichen eineinhalb Tagen Exkursion müssen wir die Erfahrungen wirken lassen und sortieren. Die vorher ausgegebenen Arbeitshefte verbleiben noch bei den Teilnehmenden und in intensiven Nachgesprächen entstehen erste Erkenntnisse auch für das eigene Denken und Tun. Einige davon möchten wir gern teilen.
Lernräume sind Räume in Kontexten, sie leben von einer sinnvollen und sinnstiftenden Einbettung in die Zusammenhänge ihrer Institution. Sie leben durch die Personen, die in ihnen agieren und sollten eng entlang der Bedürfnisse dieser Personen gestaltet werden. Hierzu bedarf es einer frühen Einbeziehung der Nutzenden.
Lernraumgestaltung ist auch Gestaltung und Gestaltung bedarf Expertise, Erfindungsreichtum und Sensibilität im Umgang mit Architektur und Material.
Wenn wir Lernräume als lernende (also als adaptive, sich entwickelnde) Raumkonzepte verstehen, müssen Freiräume und sich entwickelnde, gut alternde Elemente eingeplant werden.
Wenn wir Lernräume als dritte Lehrkräfte verstehen, also als lehrende (auf den Lehr- und Lernprozess einwirkende) Raumkonzepte, muss eine (medien-)didaktische Begleitung eingeplant werden.
Es gibt wiederkehrende Fragen und Empfindungen im Hinblick auf die Konzeption von Lernräumen und damit auch übertragbare Lösungen, dennoch sollte immer auch individuell auf die jeweilige Situation eingegangen werden.
Frei zugängliche, behagliche und durchdacht ausgestattete Orte, an denen sich Personen auch außerhalb von Lehrveranstaltungen aufhalten können, sind nach wie vor an den meisten Hochschulen rar.
Die Nutzung von Räumen in hybriden didaktischen Settings hat unbedingt Auswirkungen auf die Raumplanung, da besondere Herausforderungen an Akustik, Lichtverhältnisse, Perspektiven und Blickrichtungen sowie die Ermöglichung und Integration von Technologie mitgedacht werden müssen.
Teilnahme am Kongresse "Campus der Zukunft - Lernräume gestalten und erleben"
6.-7. November 2024
SRH Berlin University of Applied Sciences
Anfang November sind wir nach Berlin gereist, um am Kongress "Campus der Zukunft – Lernräume gestalten und erleben" teilzunehmen. Veranstaltet wurde dieser von „Steelcase“, einem US-amerikanischem Unternehmen für Büroausstattung und Raumlösungen, gemeinsam mit der SRH Berlin University in den neu gestalteten Räumlichkeiten der privaten Hochschule und der Agentur „Congress und Presse“. Alle drei Institutionen sind privatwirtschaftlich, wobei die SRH Berlin University staatlich anerkannte Abschlüsse anbietet.
In verschiedenen Vorträgen u.a. von Karen Lee ( „The Evolving Campus“, University of Glasgow) oder Katja Ninnemann („Reallabor Innovatives Lernraumdesign“, HTW Berlin) wurden Praxisbeispiele von Raumgestaltungen und Campusentwicklungen präsentiert und diskutiert. Von besonderem Interesse war für uns dabei der Vortrag von Inka Wertz (HIS – Institut für Hochschulentwicklung), in dem sie eine Handlungsanweisung für die Lehr-/Lernraumentwicklung skizzierte und analytisch aufzeigte, welche Themen bzw. Fragestellungen geklärt werden müssen, um die Entwicklung und Transformation von (gebauten) Lehr-/Lernarchitekturen voranzutreiben. Weitere Vorträge waren privatwirtschaftlicher Natur, etwa von Unternehmen, die bei der Einrichtung von Lehr-/Lernräumen beraten und die anschließende Umsetzung begleiten. Da die angebotenen Lösungen stark an den Produktkatalog der jeweiligen Firmen gebunden sind, entstand der Eindruck eines Operieren mit Standardlösungen und so für uns die Frage, wie flexibel auf unterschiedliche Hochschulformate mit unterschiedlichen Budgets für die Lernraumgestaltung eingegangen werden kann. Herausforderungen und übergeordnete Themen, die insbesondere öffentliche Einrichtungen betreffen – wie Zugänglichkeit, Betriebssicherheit, Ausschreibungs- und Verwaltungsverfahren, Zustand der Räume, Hochschulpolitik wurden nur am Rande oder gar nicht angesprochen.
Im Rahmen der Veranstaltung wurden die komplett neuen Räumlichkeiten der SRH Berlin als „Good-Practice“-Beispiel im Rahmen einer Campusführung vorgestellt. Das Raumkonzept der SRH Berlin University sieht vor, dass die verschiedenen Fachbereiche durchmischt werden, sodass ein Großteil der Räumlichkeiten allen Disziplinen zur Verfügung steht. Beeindruckende und gut durchdachte Raumgestaltungen (wohlüberlegt platzierte und ausgestattete Medienwerkstätten oder Proberäume inklusive Buchungssystem für Bands, moderne, hochwertig ausgestattete Seminar- und Arbeitsräume) ergänzen sich mit kritischen Beobachtungen (Sterilität der Materialwelt, Einheitlichkeit und Geschlossenheit eines "Showrooms", der unbelebt wirkt, mangelnde studentische Partizipation) zu einem gemischten Eindruck. Leider war ein Austausch mit Studierenden oder Lehrenden war nicht vorgesehen, sodass keine Informationen über die alltägliche Nutzung gewonnen werden konnten.
Exkursion zum "The Square" nach St. Gallen
25.-26. September 2024
Universität St. Gallen
Ende September fuhren wir mit Kolleg*innen des eTeach-Netzwerks Thüringen gemeinsam an die Universität St. Gallen und folgten einer Einladung des dortigen Kollegen Sebastian Meisel, Fachexperte für didaktische Lehrentwicklung, der einen Austausch organisiert hatte.
Für das Projekt "LeerRaum" interessierte uns vor allem der Neubau "The Square", der auf der eigenen Website als "The Future of Learning" angepriesen wird. Dort wurde für einen Gesamtwert von 63 Millionen Franken ein Neubau des Architekten Sou Fujimoto auf einer Nutzfläche von 7.800 qm errichtet. Laut eigener Aussage ist der SQUARE "das innovative Denk- und Experimentierfeld an der Universität St. Gallen, das neue Lern- und Interaktionsarten ermöglicht". Wir waren also sehr gespannt, was uns erwartet.
Die Universität St. Gallen gehört zwar zu den kleineren Universitäten, zählt aber trotzdem zu den größten Business Schools des deutschsprachigen Raums. Das Studienangebot umfasst Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften, Internationale Beziehungen und Informatik. Sie gilt im internationalen Ranking als eine der führenden Wirtschaftshochschulen in Europa und weltweit.
Am Anfang wurde uns das Hauptgebäude, das als "Wunder von St. Gallen" bekannte Werk, präsentiert. Das Bauwerk aus den frühen 1960er-Jahren hat neben der brutalistischen Sichtbetonbauweise die Besonderheit, dass moderne Kunstwerke namhafter Künstler – u. a. von Hans Arp, Georges Braque, Alexander Calder und weiteren – direkt in die Architektur integriert wurden. Interessant in diesem Gebäude war die behutsame Integration von Arbeits- und Aufenthaltszonen in die bestehenden Transferflächen (Flure) und Sammlungsorte (Foyers etc.). Sicherlich mussten hier viele Auflagen in Bezug auf Sicherheits- und Denkmalschutz beachtet werden. So finden sich lange Sitzbänke in langen Fluren und kleine Arbeitsbereiche in bestehenden Nischen und kleinen Foyers. Das Mobiliar dieser neu integrierten Bereiche entspricht stilistisch den derzeit modernen Arbeitswelten, wie man sie bei Einrichtungsherstellern wie Vitra, Sedus, Steelcase u. a. finden kann. Diese Stilistik begegnete uns auch an den weiteren Stationen.
Die nächste Station war die Universitätsbibliothek. Im Gegensatz zur Sichtbetonarchitektur finden wir hier sehr viel Holz als Baumaterial, was auch zu einer deutlich besseren Akustik beiträgt. Auch hier wurden viele Bereiche mit neuen Einrichtungsobjekten ausgestattet – im Lesebereich vor allem Einzel- bzw. Fokusarbeitsplätze und in den Gemeinschafts- bzw. Foyerbereichen sehr viele Theken- und Steharbeitsplätze.
Danach ging es in den "Square", den wir schon mit Spannung erwarteten. Gleich im Eingangsbereich erwartete uns eine sehr offene und gläserne Gestaltung. Im hinteren Bereich des Erdgeschosses fand eine Podiumsdiskussion in der offenen Halle statt. Eines der markantesten Merkmale von "The Square" ist die offene Raumgestaltung. Der Innenraum ist bewusst flexibel gehalten, um eine Vielzahl von Nutzungsszenarien zu ermöglichen. Lernbereiche gehen fließend in Begegnungszonen über, während mobile Wände und modulare Möbel eine rasche Anpassung an unterschiedliche Anforderungen erlauben. Diese Flexibilität soll kollaborative Arbeitsweisen fördern und Möglichkeiten für Teamwork, Workshops oder individuelle Konzentrationsphasen unterstützen.
Das Erdgeschoss ist eine einzige große Fläche, die in unterschiedliche Zonen eingeteilt ist und an zwei gegenüberliegenden Seiten große Besprechungsräume hat. Die Idee ist hier, dass im hinteren Bereich auf einer Bühne größere Konferenzen und Präsentationen stattfinden können, die nicht nur universitär, sondern auch von der Öffentlichkeit (bspw. der Stadt St. Gallen, Vereinen etc.) genutzt werden können. Eine imposante Treppenkonstruktion führt in einem Lichthof nach oben, wo sich auf Galerien die offenen Arbeits- und Lernsituationen befinden. Auf den Etagen, umlaufend in den Außenbereichen, finden sich dann wieder die abgeschlossenen Lehr- und Schulungsräume.
Die Situation ist im Groben also, dass sich in den Transferräumen (Flure etc.) die Bereiche für individuelles Lernen oder Zusammenarbeit in Kleinstgruppen befinden, während das Lehren bzw. Unterrichten in abgeschlossenen Bereichen darum herum stattfindet.
Akustisch ist das Erdgeschoss problematisch, weil durch die offene Situation die Veranstaltungen überall zu hören sind. Hinzu kommt, dass dort fast nur "harte" Materialien wie Terrazzo, Glas und Metall verbaut wurden, die den Schall stark weiterleiten. In den oberen Etagen verbessert sich die Akustik merklich durch den dort verwendeten Teppichboden. Trotzdem sind die Veranstaltungen auch dort noch zu hören, was sich in den weiteren Etagen immer mehr abschwächt.
Im Sinne eines Smart-Building-Ansatzes ist "The Square" mit modernster Technologie ausgestattet. Digitale Whiteboards, Videokonferenzsysteme und interaktive Displays sind in den meisten Lehr-/Lernräumen zu finden. Es gibt ein Buchungssystem, welches durch kleine Monitore an den Räumen ablesbar ist. Mit der Raumbuchung bucht man auch direkt einen medientechnischen Service – so kamen kurz vor unserem Seminar zwei AV-Techniker zur Unterstützung bei der Einrichtung des technischen Settings vorbei. Allerdings konnten wir das Problem, unseren eigenen Rechner an die Raumtechnik anzuschließen, nicht lösen und nutzten unsere selbst mitgebrachte mobile Konferenztechnik (Webcam + Audioeinheit).
Neben Schulungsräumen mit flexiblem "klassischem" Mobiliar sind Räume mit ganz speziellen Nutzungsszenarien zu finden. So gibt es bspw. einen japanischen Teeraum ohne bewegliche Stühle und Tische, der nur ohne Schuhe betreten werden darf. Oder eine Art kleines Auditorium, in dem wir als Seminargruppe unsere Präsentationen zeigten und Diskussionen führten.
Durch die fast durchgängigen bodentiefen Fenster in allen Schulungsräumen ergibt sich nahezu überall ein fantastisches Panorama auf die Voralpenlandschaft. Allerdings müssen diese bei sonnigem Wetter oftmals komplett verschattet werden, um mit der vorhandenen Monitor- und Beamertechnik arbeiten zu können.
Insgesamt wirkt das Gebäude sehr kuratiert. Es gibt eine eigene Intendanz, die sich um die Organisation und Gestaltung des Gebäudes kümmert. Das hat den Vorteil, dass die Abläufe und Organisationsstrukturen sehr kontrolliert sind. Der Nachteil daran scheint jedoch zu sein, dass partizipative Prozesse zur Gestaltung oder Teilhabe schwer zu finden sind – es wirkt nicht, als ob es eine Selbstaneignung der Studierenden in Bezug auf das Gebäude gibt. Man findet nirgends Spuren klassischen studentischen Lebens, wie beispielsweise Plakate oder Ähnliches. Es sieht eher danach aus, als ob Lehre und Lernen als Dienstleistungskonzept verstanden werden und nicht als kooperativer Ansatz. Dadurch entsteht fast der Eindruck, dass man in einem Hotel studiert.
Wir möchten abschließend unseren Gastgebern an der Universität St. Gallen, insbesondere Sebastian Meisel, für die hervorragende Organisation und herzliche Gastfreundschaft danken. Es war ein sehr informativer und kollegialer Austausch. Weiterhin möchten wir unseren Kolleg:innen Elisa Kirbst und Uwe Cämmerer-Seibel vom eTeach-Netzwerk Thüringen für die tolle Zusammenarbeit bei der Vorbereitung der Exkursion bedanken.