Angesichts der Zunahme autoritärer Tendenzen sowohl global als auch innerhalb Europas gewinnt die Auseinandersetzung mit dem Zusammenwirken von Autoritarismus und Stadt in der interdisziplinären und internationalen Stadtforschung seit einigen Jahren an Bedeutung. Autoritärer Urbanismus beschreibt ein zeitlich und räumlich differenziertes Phänomen: Die Materialisierungen und Produktionsbedingungen staatssozialistischer, faschistischer und nationalsozialistischer Stadtentwicklung, die mittlerweile global dokumentierte Aushebelung demokratischer Entscheidungsprozesse durch neoliberale Governance-Arrangements, Stadtdiskurse und Austeriätsmaßnahmen, die Verbreitung „illiberaler“ städtischer Politiken oder die Freilegung rechtspopulistischer städtischer Geographien in den USA und Zentraleuropa sind nur wenige Beispiele im Forschungsfeld zu autoritärem Urbanismus.
Anfangs beschäftigte sich vor allem die historische Forschung mit dem Thema, indem sie städtische Phänomene in autoritären und totalitären Regimen untersuchte. In den vergangenen Jahren kann jedoch ein Wandel beobachtet werden. Neuere Ansätze beziehen sich vermehrt auf praxistheoretische Perspektiven und betonen das gleichzeitige Nebeneinander autoritärer und demokratischer Praktiken in unterschiedlichen Regimetypen. Mit einer Rekonzeptualisierung von Autoritarismus weg von der nationalen Ebene hin zur Untersuchung städtischer Praktiken werden innerhalb des Forschungsfeldes zu autoritärem Urbanismus zunehmend auch autoritäre Entwicklungen in Demokratien beschrieben. So wird beispielsweise in Debatten zu autoritärem Neoliberalismus, Postdemokratie und Postpolitik analysiert, wie Stadtentwicklung in liberal-demokratischen Kontexten von scheinbar technischen, apolitischen Elementen durchdrungen wird, die ihrerseits autoritären Tendenzen Vorschub leisten. Wurde dieser Ansatz zunächst zur Erklärung von Phänomenen in westeuropäischen und US-amerikanischen Städten entwickelt, hat er in den vergangenen Jahren weit darüber hinaus Verbreitung gefunden. Doch auch umgekehrt stellen Beobachtungen gängige Annahmen in Frage: Zwar sind Städte in autoritären Regimen weiterhin von Entwicklungen geprägt, die üblicherweise mit repressiver Machtausübung verbunden sind. Gleichzeitig boomen vielerorts – wie etwa in China und Russland – partizipative Formen der Stadtplanung, also Praktiken, die gemeinhin als demokratiefördernd verstanden werden. Aus einer solchen Perspektive scheinen die Grenzen zwischen Demokratien und Autokratien zunehmend uneindeutiger zu werden.
Diese Parallelen, Verschiebungen und Widersprüchlichkeiten werfen neue Fragen für die Forschung zu autoritärem Urbanismus auf, die im Themenheft diskutiert werden sollen.
Mehr Informationen zum Call unter: Call for Papers: Autoritärer Urbanismus | sub\urban. zeitschrift für kritische stadtforschung (zeitschrift-suburban.de)
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