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INVENTORY & DISPLAY: MNEMOSYNE

Fachmodul
SS2010
4 SWS 6 ECTS
Sattler, Felix


English description

Mnemosyne was the greek mythological figure synonym with memory, Many contemporary artists such as Christian Boltanski, Emily Jacir and Walid Raad work with picture archives as part of a practice concerned with memory or commemoration. In the Fachmodule, students will research, create and exhibit their own picture atlas as a result of a comprehensive investigation into the origin and history of images and strategies and effects of real existing and virtual classification systems. We will review Aby Warburgs famous “Mnemosyne” atlas (124-1929) in length as well as related works by contemporary artists. Short excerpts of seminal theory about (visual) concepts of memory from Platon to Derrida will as well be discussed in the process.

Kursbeschreibung

Mnēmosynē, ēs, f. (Μνημοσύνη), das Gedächtnis, personif. als Mutter der Musen (Damen Conversationslexikon, 19. Jh.)

Ein wesentlicher Teil unseres kulturellen Gedächtnisses wird durch Bilder geprägt. Ob es sich dabei um die großen Themen kollektiven Gedenkens handelt, oder um individuelle, persönliche Erinnerungen, stets greifen wir auf einen großen Fundus überlieferter Bilder zurück. Gegenüber Texten bewahren sie sich eine größere interpretatorische Offenheit und unterlaufen die Beschränkungen bzw. Präfigurationen sprachlich-wissenschaftlicher Einordnungen. Aby Warburg hat ab 1924 mit dem Bilderatlas „Mnemosyne“ einen herausragenden Versuch unternommen, Kulturgeschichte nicht einfach als Bildergeschichte zu beschreiben, sondern durch Arrangements von Bildern bestimmte Zusammenhänge „ersichtlich“ zu machen. Denn (Re-)Konstruktion von bildlichen Erinnerungen ist selbst ein bildnerischer Prozess: nicht nur die Auswahl, sondern auch die Anordnung von Bildern schafft Bedeutung. Künstler haben immer wieder auf unterschiedlichste Bildarchive zurückgegriffen und alternative Interpretationen der Geschichte geschaffen. In der Vergangenheit stand die kritische Auseinandersetzung mit der Systematik der Wissenschaften im Vordergrund. Heute bieten die Algorithmen digitaler Bildarchive wie die Google Bildersuche oder Apples iPhoto neuen Anlass für eine Beschäftigung mit automatisierten Identifikations- und Klassifikationsprozessen, z.B. Gesichtserkennung und Geotagging.

Kursinhalte & -ziele

Im Kurs werden wir uns intensiv mit der Entstehung und Bedeutung von Aby Warburgs Bilderatlas „Mnemosyne“ auseinandersetzen. Weiterhin werden wir mit Strategien und der Ästhetik der Erinnerungs- und Gedächtniskultur im Werk verschiedener Künstlerinnen und Künstler beschäftigen (Kurzreferate!), z.B. bei Emily Jacir, Christian Boltanski, Annette Messager, Walid Raad / The Atlas Group, Anselm Kiefer, Ilya und Emilia Kabakov, Gerhard Richter, Sarkis. Begleitend und vertiefend werden wir kurze(!) Ausschnitte aus maßgeblichen Texten zur Mnemosyne/Mnemotechnik diskutieren; diese Diskussionen finden als sog. „Meditationen“ als performative, nicht-wissenschaftliche Dialoge statt. Eine Exkursion ins Bildarchiv des Bundesarchivs in Koblenz ist ebenfalls Bestanteil des Kursangebots. Im Zentrum steht die Befähigung zur kritischen künstlerischen Auseinandersetzung mit der Herkunft und dem „Nachleben“ von Bildern, der Erzeugung bzw. Veränderung von Authentizität und Aussagen durch die unterschiedliche Zusammenstellungen von Bildern und der Gestaltung verschiedener Repräsentationsformen.

Kursziel ist die Zusammenstellung eines eigenen Bilderatlas! Erwartet wird die engagierte Recherche nach Bildern aller Art -- dazu zählen auch und gerade Motive aus privaten, alltäglichen oder scheinbar trivialen Sammlungen. Die Produktion von fiktionalen Dokumenten („Fakes“) kann ebenfalls Teil dieser Strategie sein. Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung einer individuellen Systematik, die sich nicht zwingend durch Wissenschaftlichkeit aber durch intellektuellen Scharfsinn auszeichnen soll (Humor inbegriffen). Die Wahl des Mediums ist frei, der Atlas kann sowohl als Tafelwerk/Buch wie auch als Wand- oder Vitrineninstallation realisiert werden, elektronische Formate sind ebenfalls möglich. Format und Umfang werden individuell abgesprochen, der Atlas sollte jedoch mehrere Zusammenstellungen enthalten. Der Kurs mündet in eine öffentliche Präsentation zum mediengang, deren Planung und Realisation ebenfalls Bestandteil des Leistungsnachweis ist.

Für wen ist dieser Kurs gedacht: Der Kurs richtet sich an Studierende, in deren Werk das Thema bildliche Erinnerung eine zentrale Rolle spielt.

Leistungsnachweis

  • Anwesenheit und aktive Teilnahme am Plenum und an individuellen Konsultationen 20%
  • Kurzreferat 10%
  • Entwurf, Realisation und Präsentation (Zwischenpräsentation und Abschlusspräsentation zum mediengang) des Bilderatlas 70%

Literatur

  • Flach, Sabine: Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien;
    Fink, München, 2005
    UB-Signatur: Lc 3300/18
  • Zumbusch, Cornelia: Wissenschaft in Bildern : Symbol und dialektisches Bild in Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas und Walter Benjamins Passagen-Werk;
    Akademie-Verlag, Berlin, 2004
    UB-Signatur: Ik 1082/30
  • Warburg, Aby: Gesammelte Schriften : Studienausgabe, Hrsg. von Horst Bredekamp; Abt. 2 = Bd. 2: Der Bilderatlas Mnemosyne / Hrsg. von Martin Warnke unter Mitarb. von Claudia Brink;
    Akademie-Verlag, Berlin, 2000
    UB-Signatur: Ik 1073/5:II.1
  • Fleckner, Uwe (Hrsg.): Die Schatzkammern der Mnemosyne : ein Lesebuch mit Texten zur Gedächtnistheorie von Platon bis Derrida. Mit einem Bildessay von Sarkis;
    Verl. der Kunst, Dresden, 1995
    UB-Signatur: De 1300/3
  • Boltanski, Christian: »Inventar«, Katalog zur Ausstellung,
    Hamburger Kunsthalle, 1991
    Limona, Steubenstraße 8
    Signatur: Iv BoltChr/4
  • Borges, Jorge Luis: »Die analytische Sprache von John Wilkins«,
    in: »Inquisitionen. Essays 1941 – 1952.«, Fischer, Frankfurt, 1992
  • Grasskamp, Walter: Künstler und andere Sammler,
    in: Kunstforum international, Bd. 32, 1979
  • Theewen, Gerhard: »Confusion • Selection – Gespräche und Texte über Bibliotheken, Archive, Depots«
    Salon Verlag, Köln, 1996
    Limona, Steubenstraße 8
    Signatur: Ic 7071/3
  • Wolf, Herta (Hg.): »Paradigma Fotografie. Fotokritik am Ende des fotografischen Zeitalters. Bd. I«
    Frankfurt/M., Suhrkamp Verlag, 2002
    darin besonders die Kapitel »Museum ohne Wände« und »Das anomische Archiv«
  • Ernst, Wolfgang: Im Namen von Geschichte : sammeln - speichern - er/zählen *:infrastrukturelle Konfigurationen des deutschen Gedächtnisses;
    Fink, München, 2003;
    Limona
    Signatur: Lb 0082/68