Christiane Schlütter –GET LOST – entlang verborgener Pfade
GEOCACHING
GEOCACHING – ein Spiel, das weltweit viele Fans hat. Dabei wird ein kleines Behältnis versteckt und die dazugehörigen GPS-Koordinaten veröffentlicht. Andere GPS-Nutzer können sich dann mit dieser „Schatzkarte“ auf die Suche machen. Die einzigen Regeln: Wenn Du etwas aus dem Schatz entnimmst, musst Du auch etwas hinterlassen, außerdem solltest Du Deinen Besuch in das Notizbuch eintragen.
MULTICACHE
Dieser Multicache „GET LOST“ ist Teil eines Medienkunst-Projektes der Bauhaus-Universität Weimar. Sie bietet die Möglichkeit, entlang verborgener Pfade und persönlicher Vorlieben die Stadt auf ungewöhnliche Weise zu entdecken. Eine Stadt besteht nicht nur aus Touristenattraktionen, die jeder Reiseführer abhandelt. Vielmehr setzt sie sich aus einer Vielzahl von Bewohnern, deren Alltag, Anliegen und Befindlichkeiten zusammen. Das wollen wir wahrnehmbar machen.
Die „lost places“ – die verlorenen Orte – sind Industriedenkmäler. Für diese spannenden Gebäude sollten Visionen entwickel werden, wie sie künftig genutzt werden bzw. wie sie kurzfristig zu Schauplätzen werden könnten. Dazu führe ich an drei Orte führen, die äußerlich vergessen wirken, aber trotzdem einen vielschichtigen Charakter haben und ständig in Bewegung sind. Die vierte Station ist ein Einblick in die künstlerische Arbeit von Anke Heelemann. Sie nutzt ein umfangreiches Archiv vergessener Privatfotografien als Arbeitsmaterial.
LOGBÜCHER
DOSEN
INHALT CACHE STATION 4
STATION 1 -ALTES KRANKENHAUS-
DAMALS: Dieser Ort wirkt ein wenig gespenstisch. Das mag mit seiner Geschichte zusammenhängen. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges war das Gebäude eine Polizeikaserne, von 1947 bis 1950 wurde es zum städtischen Krankenhaus umgebaut. Im rechten Teil des Hauses befand sich die Innere Medizin, mit der Wäscherei und den Laboren im Untergeschoss. Im linken Teil gab es die Chirurgie, später auch die Psychiatrie. Der Mittlere Trakt beinhaltete die Röntgenabteilung, die Küchen und die Verwaltung. Die Patienten wurden nach Geschlechtern getrennt auf den Etagen untergebracht.
Mit der Zusammenführung des Krankenhaus-betriebes zum Sophien- und Hufeland-Klinikum mit seinem Neubau in der Henry-van-de-Velde Straße steht das alte Krankenhaus seit 1998 leer und soll für 800 000 Euro verkauft werden. Bislang wollte es keiner haben.
HEUTE:Das leerstehende Gebäude ist nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, deshalb versuche ich den Zustand so genau wie möglich zu beschreiben.
Die Zimmer im rechten Gebäudeteil sind größtenteils verwüstet. Kabel wurden fast vollständig aus den Wänden gerissen, Heizungskörper abmontiert und Bäder zerstört. Im Untergeschoss kann man noch Reste der Labore erkennen. Im schaurig anmutende Leichenkeller steht eine Metallliege wie inszeniert im blau gefliestem Raum. Studenten der Bauhaus-Universität haben diese Atmosphäre kürzlich genutzt und hier einen interaktiven Horrorfilm mit neuester 3D-Technik gedreht.
Die Mauern des mittleren Gebäudeteils sind verschimmelt – dafür sind die Räume von Vandalismus verschont geblieben. Amarturen und Beschriftungen, wie die zur „Nuklearmedizinischen Abteilung“ sind noch völlig unberührt und der dicke Metallschrank zur Aufbewahrung radioaktiver Abfälle steht noch an seinem ursprünglichen Platz. Hin und wieder trainiert die Rettungshundestaffel in den Gebäuden ihre Einsätze. Die Bewegung soll nicht zuletzt unerwünschte Besucher abschrecken.
Der Erholungspark im Hof findet auch heute noch Interessenten. Einmal im Jahr findet hier ein Treffen der Antifa statt. Seit 2008 mietet außerdem der Steinmetz und Bildhauer Martin Linß einige Räume im Pförtnerbereich, wo er ungestört seiner Arbeit nachgehen kann. Viel Platz hat er dafür, als Ausstellungsfläche kann er sie jedoch aus Sicherheitsgründen nicht nutzen. Hin und wieder, berichtet er, kommen ehemalige Beschäftigte aus den nebenstehenden (und teilweise noch bewohnten) Schwesternwohnheimen und beäugen die Veränderungen skeptisch.
STATION 2 - ALTER SCHLACHTHOF-
DAMALS:Mehr als 100 Jahre lang war dieses Gelände ein Schlachthof. 57 000 Quadratmeter maß seine Fläche Ende des 19. Jahrhunderts, als ihn die Fleischerinnung nordöstlich der Stadt Weimar baute.
Unterteilt war das Areal in das bis heute erhaltene Verwaltungsgebäude an der Stirnseite der Schlachthofstraße, die angrenzende Freibank, das Direktorenwohnhaus, die Hauptschlachthalle und die nördlichen Ställe. Dazu gehörten außerdem die südlichen Ställe und zahlreiche Anbauten, die zumeist 1994 nach der Stilllegung zurückgebaut wurden.
Das Verwaltungsgebäude wurde auch als Verkaufsfläche, Empfangshalle oder Wohnraum genutzt. Die meisten Stallanlagen wurden später ebenfalls zu Wohneinheiten umgebaut.
Die Freibank war eine Einrichtung zum Verkauf minderwertigen, aber nicht gesundheitsschädlichen Fleisches, das sich auch ärmere Menschen leisten konnten. Freibankfleisch stammte von Tieren, die eigentlich nicht für die Schlachtung bestimmt waren, sondern durch Unfälle starben oder notgeschlachtet werden mussten. Die Preise waren hier niedriger, die medizinischen Untersuchungen aber erheblich ausführlicher.
Zur Verbesserung der Hygiene wurde 1903 in der Hauptschlachthalle mit grün-weißen Kahlaer Wandverkleidungsplättchen gefliest. Fast alle dieser Wandverkleidungen wurden bei der Betriebsauflösung in den 90er Jahren entfernt. Die Schlachthallen haben im Bereich Gang, Schweineschlachthalle und Kuttelei teilweise ein Obergeschoss. Dort saß der Trichinenbeschauer, der das Fleisch mit bestimmten chemischen Verfahren auf Parasiten untersuchte und beurteilte.
HEUTE: 1951 wurde der kommunale Schlachthof in das Wirtschaftssystem der DDR eingegliedert und firmierte seither als volkseigener Betrieb unter dem Namen „VEB Thüringer Fleischwarenfabrik“.
1994 wurde der Weimarer Schlachthof stillgelegt und zum größten Teil rückgebaut. Das alte Gelände steht bis auf den gewerblich genutzten hinteren Teil der Schlachthofstraße 8 seither leer. Ein Investor hat vor Jahren ein Schild aufgestellt, auf dem zu lesen ist, dass hier ein Wohnquartier entstehen soll. Getan hat sich nichts. Ein Lichtblick in dieser Industriebrache ist lediglich die alljährlich im Juli stattfindende Semesterabschluss-Ausstellung der Bauhaus-Studenten.
STATION 3 -E-WERK-
DAMALS: Ganze 38 Jahre, von 1899 bis 1937, zog die Straßenbahn auf zwei Linien ihre Kreise durch Weimar. Die erste Linie war rot und führte vom Bahnhof im Norden über die Sophienstraße zur Innenstadt über die Belvederer Allee nach Süden bis zum Ausflugslokal Falkenburg. Die zweite grüne Linie kam 1908 hinzu. Sie verband den Staatsbahnhof über Postamt und Erfurter Straße mit dem Berkaer Bahnhof und führte in einem großen Bogen zum Wielandplatz.
Die Nazis beendeten den Straßenbahnbetrieb und wollten ihn 1937 durch zwei städtische Omnibuslinien ersetzen. Doch die richtige Umstellung auf die geplanten elektrischen Oberleitungsbusse konnte nicht so kurzfristig vorgenommen werden und so wurde der Obusbetrieb in Weimar erst 1948 eröffnet. Das Heizkraftwerk neben dem Straßenbahndepot wurde noch bis 1996 betrieben.
HEUTE:Danach begann die zweite Karriere des Industriedenkmals. Es entstanden im alten Verwaltungsgebäude Wohnungen, im Straßenbahndepot ein Kino und im ehemaligen Maschinen- und Kesselsaal enstand eine Nebenspielstätte für das Deutsche Nationaltheater.
Der e-werk weimar e.V., gegründet 1997, ist ein Dach für verschiedene Künstler, Kulturschaffende und Institutionen aus Weimar und Jena, die sich zusammengeschlossen haben, um das Gelände der ehemaligen Elektrizitätswerke Weimar als Kulturinsel zu etablieren. Gemeinsam mit dem Deutschen Nationaltheater, der Ateliergemeinschaft e-werk und der Stiftung Weimarer Klassik bemüht sich der Verein um eine junge und internationale Ausrichtung von Kulturangeboten. Inhaltliche Schwerpunkte sind Film, Medien, Bildung, Politik und Ausstellungen, die das Straßenbahndepot durch intermediale, interkulturelle und experimentelle Inhalte beleben und somit in e
inen Ort mit besonderem, zeitgemäßem Werkstatt- und Laborcharakter verwandeln.
Seit 2004 ist der e-werk weimar e.V. auch selbst Produzent und Initiator von Ausstellungen, Performances und Festivals. Dabei bezieht er junge zeitgenössisch wirkende Künstler ein und ermöglicht in allen Projekten artists in residencies, um einen wirklichen Kulturaustausch zu befördern.
STATION 4 - FOTOTHEK-
PROJEKTVORSTELLUNG:Die FOTOTHEK ist ein Langzeitprojekt der Künstlerin Anke Heelemann, das sie seit 2006 betreibt. Die Basis für ihr vielschichtiges Gesamtwerk ist ein Archiv fremder Bilder, vorrangig anonyme Privatfotografien (Fotografien, Dias und Fotoalben), die sie auf Flohmärkten, im Sperrmüll oder bei Ebay fand. Räumlich nicht gebunden, agiert das Projekt an verschiedensten Orten und in diverser Form und Gestalt.
Im Sinne eines „Bilderrecyclings” wird das Material gesammelt, aufgearbeitet und wieder verwendet. Das Wesen des Projekts ist die prozesshafte und vielfältige Auseinandersetzung mit dem Gefundenen. Dabei sollen die narrativen, ästhetischen und kulturellen Dimensionen der privaten Bilder in Szene gesetzt werden. Um es in der Öffentlichkeit zu verankern, wird das ausschließlich analoge Bildmaterial aus unterschiedlichsten Blickwinkeln veranschaulicht, verarbeitet und angeboten.
Das FOTOTHEK Projekt soll nicht nur passiv angeschaut, sondern aktiv erfahren werden. Im Diskurs mit der Öffentlichkeit bietet es den Rahmen für einen vielfältigen Umgang mit dem gesammelten Bildmaterial. Die Künstlerin will provozieren und uns so zu einer neuen Wahrnehmung verhelfen. Sie schafft u.a. Ereignisse und Umgebungen zum „Mitmachen“: Vom Ladengeschäft, über städtische Interventionen, mobile Installationen bis zu Veranstaltungsreihen.
Mehr Wissen und Sehen: www.vergessene-fotos.de
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FALTKARTE / DOKUMENTATION
Heidi Lachmann –WEIMAR– Überleben in Goethe-City
Der Survivalflyer
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass Weimar eine harmlose Kleinstadt wäre. Wer aber mehr als ein paar Tage in Weimar verbringt, merkt bald, dass die Stadt der Dichter und Denker ein gefährliches Pflaster ist. Besonders die Touristen, die plötzlich von überall her auftauchen oder die Studenten, die einem im Kaffeerausch den Weg versperren.
Doch es naht Hilfe in Form dieses - nicht ganz ernst gemeinten, aber unheimlich praktischen - Flyers. Mit ihm kann man die Extremsituationen schon spielerisch üben, bevor man ihnen in der rauen Wirklichkeit ausgesetzt wird. Man lernt die gefährlichen Orte in der Innenstadt kennen und Schleichwege, die einem helfen, ihnen größtenteils zu entgehen.
Mit diesem Survivalguide ist man bestens gewappnet für „Goethe-City“, die Stadt, die niemals schläft und niemals aufhört, Gedenktafeln aufzuhängen.
Viel Spaß und viel Glück!
Wie das Spiel funktioniert:
Es gibt zwei Startpunkte, einer am Goetheplatz, einer an der Sternbrücke. Man kann also mit beliebig vielen Leuten spielen. Das gemeinsame Ziel ist die Unibibliothek. Dafür man sich quer durch die Stadt schlagen, an touristischen Highlights, an alltäglichen Hindernissen und anderen Schwierigkeiten vorbei. Der Erste, der am Ziel ist, hat gewonnen.