12,297
edits
mNo edit summary |
|||
(17 intermediate revisions by 2 users not shown) | |||
Line 1: | Line 1: | ||
" | ="There is nothing to do and I´m doing it"= | ||
Musiktheater zur Kultur der Wahrnehmung von Frederik Esser | Musiktheater zur Kultur der Wahrnehmung von Frederik Esser | ||
Line 14: | Line 14: | ||
In drei Sätzen wird der Zuschauer durch drei verschiedene Umgangsformen mit Klang und damit auch durch drei verschiedene Wahrnehmungsmodi geführt. Für einen nichtrationalen Überblick über den Charakter der drei Teile habe ich eine Stimmungspartitur erstellt, bei der die grafischen Faktoren auf die dramaturgischen Geschehnisse zu übertragen sind. Dichte, Ordnungsgefüge und die Länger der Teile zueinander finden in dieser grafischen Vorlage ein Spiegelbild. | In drei Sätzen wird der Zuschauer durch drei verschiedene Umgangsformen mit Klang und damit auch durch drei verschiedene Wahrnehmungsmodi geführt. Für einen nichtrationalen Überblick über den Charakter der drei Teile habe ich eine Stimmungspartitur erstellt, bei der die grafischen Faktoren auf die dramaturgischen Geschehnisse zu übertragen sind. Dichte, Ordnungsgefüge und die Länger der Teile zueinander finden in dieser grafischen Vorlage ein Spiegelbild. | ||
[[ | [[File:Mood Partitur.jpg]] | ||
Die drei Teile im Überblick: | Die drei Teile im Überblick: | ||
Line 34: | Line 34: | ||
Die jeweiligen Teile lösen dich durch Störung des vorangegangenen Teils ab, was den Kontrast der einzelnen Wahrnehmungs- und Unterhaltungskonzepte verstärken soll. | Die jeweiligen Teile lösen dich durch Störung des vorangegangenen Teils ab, was den Kontrast der einzelnen Wahrnehmungs- und Unterhaltungskonzepte verstärken soll. | ||
==Der Kesselsaal | ==Der Kesselsaal== | ||
Der Kesselsaal des E-Werks dient als Ort für diese Inszenierung. Auf der einen Seite ist er eine Spielstätte des DNT Weimar und damit kommt der Zuschauer dort schon mit der Bereitschaft sich unterhalten zu lassen hin. Auf der anderen Seite sind in den Räumen große Teile der Installationen aus der Zeit als Elektrizitätswerk belassen worden. Kessel, Rohre und Lüftungen geben dem Raum seinen frühindustriellen Charakter. Dieser Rahmen bietet damit auch schon die Kulisse und Bühnenbild und | Der Kesselsaal des E-Werks dient als Ort für diese Inszenierung. Auf der einen Seite ist er eine Spielstätte des DNT Weimar und damit kommt der Zuschauer dort schon mit der Bereitschaft sich unterhalten zu lassen hin. Auf der anderen Seite sind in den Räumen große Teile der Installationen aus der Zeit als Elektrizitätswerk belassen worden. Kessel, Rohre und Lüftungen geben dem Raum seinen frühindustriellen Charakter. Dieser Rahmen bietet damit auch schon die Kulisse und Bühnenbild und seine EInbauten dienen gleichzeitig auch als Instrumente für das Kesselorchester. | ||
[[ | [[File:West.jpg]] | ||
==Das Kesselorchester== | |||
Der Gedanke des Orchester wurde schon in der ersten Session vor Ort im E-Werk lebendig, als es darum ging die Ausrichtung des individuellen rhythmischen Spiels auf des Gesamtklang und -rhythmus auszurichten. Hierbei geht es darum den Fokus vom eigenen Rhythmus, hin zum Fokus auf den Gesamtrhythmus – auf den einen, gemeinsamen Rhythmus zu lenken. | Der Gedanke des Orchester wurde schon in der ersten Session vor Ort im E-Werk lebendig, als es darum ging die Ausrichtung des individuellen rhythmischen Spiels auf des Gesamtklang und -rhythmus auszurichten. Hierbei geht es darum den Fokus vom eigenen Rhythmus, hin zum Fokus auf den Gesamtrhythmus – auf den einen, gemeinsamen Rhythmus zu lenken. | ||
Das Kesselorchester besteht aus vier Rhythmusanhängern verschiedener Richtung und musikalischer Herkunft. In ihrer Unterschiedlichkeit treten sie gerade im ersten Teil als Figuren auf und bespielen die Raumelemente und zusätzlichen Instrumente. Die Figuren die sie im ersten Teil darstellen sollen möglichst nah an ihrer eigenen Persönlichkeit angelehnt sein. In kleinen Interviews soll ihrer Klangwelt, Vorlieben und Visionen auf den Grund gegangen werden. Die Figurenentwicklung soll eine Koproduktion zwischen dem Regisseur und dem Spieler selbst sein. | Das Kesselorchester besteht aus vier Rhythmusanhängern verschiedener Richtung und musikalischer Herkunft. In ihrer Unterschiedlichkeit treten sie gerade im ersten Teil als Figuren auf und bespielen die Raumelemente und zusätzlichen Instrumente. Die Figuren die sie im ersten Teil darstellen sollen möglichst nah an ihrer eigenen Persönlichkeit angelehnt sein. In kleinen Interviews soll ihrer Klangwelt, Vorlieben und Visionen auf den Grund gegangen werden. Die Figurenentwicklung soll eine Koproduktion zwischen dem Regisseur und dem Spieler selbst sein. | ||
===Die Rollenentwicklung:=== | |||
Ein Orchester ist ein Team! | |||
Ein Orchester ist zwar eine Gruppe von mehreren Menschen, die eine gemeinsame Sache realisieren, dahinter stehen aber ganz einzigartige Typen und Charaktere. Erst das Bewusstsein dieser Besonderheiten lassen das Orchester zu einem funktionierenden Ganzen werden. So soll es zumindest beim Kesselorchester sein, denn im Gegensatz zu einem klassischen Orchester, entwickeln wir zu Teilen das Stück welches wir spielen gemeinsam. | |||
Wenn man so will, dann haben wir also ein gemeinsames Projekt und dafür braucht es ein funktionierendes Team. Deswegen entwickeln wir das Team und die Rollen für das Orchester in einem Zug. Am Anfang stehen Einzelinterviews mit den Orchestermitgliedern. Folgende Bereiche werden in den Interviews gemeinsam reflektiert: | |||
1.Vorbilder und Träume | |||
2.Eigene Geräuschwelt | |||
3.Eigenes (Musik-) Spiel | |||
4.Rolle in Gruppen | |||
Um die Rolle in Gruppen besser zu verstehen, nehmen wir einen Team-Typen Fragebogen zur Hilfe. Dieser Bogen ist ein Werkzeug für Teamentwicklungen. | |||
Mit diesem geschärften Blick auf die die Einzelnen Mitglieder, geht es in der gemeinsamen Arbeit mit der Gruppe weiter. In einem Brainstorming werden mögliche Rollenbilder wie z.B. der Fleißige, der Gelassene, der Kreative usw. zusammengesucht. Jetzt werden eigenen Ideen und Wünsche mit hinzugenommen und zur eigenen Rolle verdichtet. In diese Rolle fließen also ausgewählte Aspekte und Details mit ein und werden darin entweder überzeichnet oder gegensätzlich dargestellt. | |||
Mit dieser Grundlage werden bei der Entwicklung der Handlungen die Interaktionsmuster zwischen den Figuren leicht nachvollziehbar. Denn Geschichten ergeben sich aus den Figuren die daran teilhaben. | |||
[[File:Trichter.jpg|500px]] | |||
Wenn am Ende des ersten Teils die Ordnung ins Chaos läuft, dann geht das einher mit einer Auflösung der Figuren. Die ganze Selbstsicherheit, Koordination und Persönlichkeit zerbrechen Stück für Stück, laufen über chaotisches Aufbäumen in Richtung Stille. | Wenn am Ende des ersten Teils die Ordnung ins Chaos läuft, dann geht das einher mit einer Auflösung der Figuren. Die ganze Selbstsicherheit, Koordination und Persönlichkeit zerbrechen Stück für Stück, laufen über chaotisches Aufbäumen in Richtung Stille. | ||
==Klanggestaltung / Instrumente== | ==Klanggestaltung / Instrumente== | ||
Line 54: | Line 78: | ||
Um das Spektrum zu erweitern werden verschiedene weitere Klangquellen im Raum installiert. Das sind auf der einen Seite Saiteninstrumente und weitere Schlaginstrumente, die beide in der visuellen Ästhetik zum experimentellen Charakter des Raumes passen. | Um das Spektrum zu erweitern werden verschiedene weitere Klangquellen im Raum installiert. Das sind auf der einen Seite Saiteninstrumente und weitere Schlaginstrumente, die beide in der visuellen Ästhetik zum experimentellen Charakter des Raumes passen. | ||
a) die Rohrgitarre | * a) die Rohrgitarre | ||
Bei dieser Gitarre sind die Rohre das was bei der normalen Gitarre die Bünde sind. Als Klangkörper dient eine Halbkugel aus Hartplastik, welche aus der Verwendung in der Zahnmedizin oder Messtechnik stammt. Es handelt sich dabei um ein Fundstück. Die Saiten werden über die Rohre gespannt und laufen über einen Steg, der auf der Halbkugel aufliegt. Durch die Spannung der Saiten wird die Halbkugel an die Wand gedrückt und muss nicht weiter befestigt werden. Als Saiten dienen Stahlseile, die sowohl gezupft als auch mit einem Cellobogen gestrichen werden können. Durch das Andrücken gegen die quer laufenden Rohre können die einzelnen Töne der Rohrgitarre gespielt werden. | Bei dieser Gitarre sind die Rohre das was bei der normalen Gitarre die Bünde sind. Als Klangkörper dient eine Halbkugel aus Hartplastik, welche aus der Verwendung in der Zahnmedizin oder Messtechnik stammt. Es handelt sich dabei um ein Fundstück. Die Saiten werden über die Rohre gespannt und laufen über einen Steg, der auf der Halbkugel aufliegt. Durch die Spannung der Saiten wird die Halbkugel an die Wand gedrückt und muss nicht weiter befestigt werden. Als Saiten dienen Stahlseile, die sowohl gezupft als auch mit einem Cellobogen gestrichen werden können. Durch das Andrücken gegen die quer laufenden Rohre können die einzelnen Töne der Rohrgitarre gespielt werden. | ||
<flashmp3 id="rohrbass.mp3">rohrbass.mp3</flashmp3> | |||
b) die Teichfolienrohrtrommel | |||
* b) die Teichfolienrohrtrommel | |||
besteht aus einem Stück Kabelschutzrohr, welches mit Teichfolie bespannt ist. Als Spannseile dienen Wäscheleinen. Alles Stücke sind gefundene Objekte, die ihrer eigentlichen Nutzung | besteht aus einem Stück Kabelschutzrohr, welches mit Teichfolie bespannt ist. Als Spannseile dienen Wäscheleinen. Alles Stücke sind gefundene Objekte, die ihrer eigentlichen Nutzung | ||
entzogen wurden und in den Dienst des Klangs gestellt wurden. | entzogen wurden und in den Dienst des Klangs gestellt wurden. | ||
c) das Riesenmonochord | * c) das Riesenmonochord | ||
ist ein großer Kasten, auf den 9 Saiten mit gleicher Länge und Tonhöhe gespannt sind. Dieses Instrument stammt aus einer Produktion des DNT, ebenso wie | ist ein großer Kasten, auf den 9 Saiten mit gleicher Länge und Tonhöhe gespannt sind. Dieses Instrument stammt aus einer Produktion des DNT, ebenso wie | ||
d) das Riesenxylophon | <flashmp3 id="monochord.mp3">monochord.mp3</flashmp3> | ||
* d) das Riesenxylophon | |||
welches die Möglichkeit bietet, das klangliche Spektrum des Stückes um eine tonale Abfolge von Bassklängen zu erweitern. | welches die Möglichkeit bietet, das klangliche Spektrum des Stückes um eine tonale Abfolge von Bassklängen zu erweitern. | ||
e) die Stellradharfe | <flashmp3 id="Xylophon.mp3">Xylophon.mp3</flashmp3> | ||
* e) die Stellradharfe | |||
ist in zwei Ausführungen zu finden. Beide Varianten nutzen die Stellräder an den Rohrenden als Spannvorrichtung für Saiten die aus einem Flügel stammen. Diese sind mit einem Klangkörper verbunden. Die Saiten können gezupft und gestrichen werden. Zusätzlich kann die Tonhöhe der Saiten auch während des Spiels direkt verändert werden. | ist in zwei Ausführungen zu finden. Beide Varianten nutzen die Stellräder an den Rohrenden als Spannvorrichtung für Saiten die aus einem Flügel stammen. Diese sind mit einem Klangkörper verbunden. Die Saiten können gezupft und gestrichen werden. Zusätzlich kann die Tonhöhe der Saiten auch während des Spiels direkt verändert werden. | ||
<flashmp3 id="Stellradharfe.mp3">Stellradharfe.mp3</flashmp3> | |||
Diese Klänge bilden den Klangpool des Stückes, aus dem im Laufe der Inszenierung Rhythmen und Melodien erstellt werden. Jede dieser Klänge bekommt eine Zahl, sodass auf der einen Seite seine Position im Raumplan festgehalten werden kann, als auch für die Komposition die Bestimmung des jeweils verwendeten Klanges ermöglicht. | Diese Klänge bilden den Klangpool des Stückes, aus dem im Laufe der Inszenierung Rhythmen und Melodien erstellt werden. Jede dieser Klänge bekommt eine Zahl, sodass auf der einen Seite seine Position im Raumplan festgehalten werden kann, als auch für die Komposition die Bestimmung des jeweils verwendeten Klanges ermöglicht. | ||
Line 105: | Line 139: | ||
usw. | usw. | ||
Diese Art der Komposition wurde unter dem Begriff der aleatorischen Musik bekannt. (Aleatorik von lat. Alea, der Würfel) | |||
[[ | [[File:2.Teil.jpg]] | ||
3.Teil | 3.Teil |