Chronologie des ehemaligen Gauforum Weimar

von Norbert Korrek, kondensiert von Daniel Thompson

Der Baubeginn für das Gauforum in Weimar fiel zeitlich vielleicht zufällig mit dem des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar zusammen. Beide Bauaufgaben entsprangen jedoch zweifellos dem gleichen Geist.

 
1. Juni 1936

Hitler selbst entschied den Wettbewerb zugunsten von Hermann Giesler, da dessen Entwurf angeblich dem Wesen der Stadt Weimar am stärksten entspräche. Hitler ergänzte den siegreichen Entwurf wiederum: Er ordnete dem „Gebäude des Reichsstatthalters und Gauleiters" einen Glockenturm zu und legte den axial betonten Mittelrisalit durch eine Skizze fest. Der Entwurf für den gesamten Komplex umfasste nun folgende Bauten: Im Osten die 20000 Stehplätze umfassende „Halle der Volksgemeinschaft", im Süden das „Gebäude des Reichsstatthalters und der Gauleitung" mit Glockenturm, im Westen das „Gebäude der Deutschen Arbeitsfront" und im Norden das „Gebäude der Gliederungen der NSDAP". Das Landesmuseum sollte „nach notwendiger Überarbeitung von Fassade und Dach" gleichgeschaltet und danach seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgegeben werden.

Chronology of the former Gauforum Weimar

by Norbert Korrek, condensed and translated by Daniel Thompson

The beginning of the construction of the Gauforum* in Weimar occurred at the same time, perhaps coincidentally, with that of the Buchenwald Concentration Camp. However, the functions of both constructions doubtlessly arose from same mentality.

 
June 1, 1936

Hitler himself decided the competition in favour of Hermann Giesler, whose design allegedly represented the character of Weimar strongly. However, Hitler added to the winning design: He assigned a bell tower to the "Building for the Reich Governor and Gau Leader" and committed with a sketch to an axially stressed, projected platform. The design for the complete complex now included: In the east the meeting square for 20,000 called the "Halle der Volksgemeinschaft" (Hall of the People’s Community), in the west the "Gebäude der Deutschen Arbeitsfront" (Building of the German Work Front), in the south the „Gebäude des Reichsstatthalters und der Gauleitung" with the bell tower and in the north the "Gebäude der Gliederungen der Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)" (Building of the Section of the National Socialist German Workers’ Party). "According to required revisions of fassade and roof," the National Museum (Landesmuseum) was to be brought into compliance and therewith be given its natural definition according to the Reich’s standards.

 
 

Architectural Map 1936

 
4. Juli 1936

Die Bauarbeiten begannen in der 2. Hälfte des Jahres 1936 mit den Baugrunduntersuchungen, der Verlegung des Asbachkanals, der Auffüllung des Karl-August-Platzes und des Asbachgrundes, dem Erwerb der zu bebauenden Grundstücke, der Schaffung von Ersatzwohnungen, der Umsiedlung einer großen Anzahl von Familien, Läden und Betrieben sowie dem Abbruch alter und leergeräumter Gebäude.

 
24. Dezember 1936

Die Anteilnahme der Weimarer Bevölkerung an den gewaltigen baulichen Veränderungen schien keineswegs ungebrochen gewesen zu sein. Das Projekt zerstörte große Teile der nördlichen Innenstadt sowie den Asbachgrünzug. Der lieblich gestaltete, nach Osten hin abfallende Park vor dem Landesmuseum, der Asbachgrund, der einen wichtigen Bestandteil des Grüngürtels durch Weimar darstellte und die natürliche Schnittstelle zwischen mittelalterlicher und klassischer Stadt im Süden und den Stadterweiterungen im Norden bildete, musste der ebenen Aufmarschfläche des Gauforums ebenso weichen wie der nördliche Bereich des ältesten Siedlungsbereiches Weimars, der Jakobsvorstadt: 139 Häuser mit 462 Wohnungen für etwa 1650 Personen und eine Reihe von Geschäftsräumen wurden abgerissen.

Unverhohlen warnte Oberländer, der Leiter des „Zweckverbandes der Bauten am Platz Adolf Hitlers", deshalb im Auftrag von Sauckel noch vor Weihnachten 1936 in der Weimarer Tagespresse „vor dunklen und unverschämten Gerüchte- und Geschäftemachern, die ... durch Verhetzung und falsche Darstellung ... Stimmung machen. Gegen derartige Elemente wird rücksichtslos vorgegangen werden."

 
July 4, 1936

The building process began in the second half of 1936 with the exploration of the building siteís ground surface, the transposition of the Asbach canal, the filling of both the Karl-August-Square and the Asbach grounds, the acquisition of the sites to be developed, the creation of replacement living quarters, the resettlement of a large number of families, stores and businesses as well as the demolition of old and emptied buildings.

 
December 24, 1936

The involvement of Weimar's population in the powerful architectural transformations was fractured. The project disturbed large parts of the northern city center as well as the Asbach green area. Not only the lovingly designed Asbach Grounds, a sloping park to the east of the National Museum that represented an important part of Weimar’s green belt and built the natural division between the medieval and classical City in the south and the developed City in the north, but also the northern section of the oldest housing area, the Jakobsvorstadt, had to be absorbed by the level parade grounds of the Gauforum: 139 houses with 462 apartments for 1650 people and a row of business premises were torn down.

Oberlaender, the leader of the "Organisation for the Operation of the Construction at Adolf Hitler Square", on instruction from Sauckel, openly warned in the daily newspaper of Weimar "of dark and unashamed rumour and business makers, who … through incitement and false representation … make noise. Ruthless methods will be taken against elements in this form."

Architectural Model 1937

 
1. Mai 1937

Durch Rudolph Heß erfolgte die Grundsteinlegung der „Halle der Volksgemeinschaft" und die Umbenennung des Platzes in „Platz Adolf Hitlers". An der inszenierten Massenveranstaltung mit ihrem ritualisierten Ablauf nahmen 40000 Menschen aus ganz Deutschland teil. Das noch vorhandene Asbachtal wurde hierfür aufwendig dekoriert: Die Stirnseite der geplanten Halle wurde im Originalmaßstab gezimmert und steinfarben übermalt, ein Fahnenwald kennzeichnete die Abmaße des geplanten Aufmarschplatzes. Die uniformierte Masse in ihrer statischen Aufstellung übernahm so die Diktion der zu erwartenden Architektur.

 
Ende November 1937

Der innerhalb der Grundfläche der „Halle der Volksgemeinschaft" gelegene Teil der Altstadt wurde nach seiner Räumung einer Luftschutzübung zur Verfügung gestellt. Im März 1938 wurde nach Fertigstellung von Ersatzwohnungen in der Falkstraße und der ersten Häuser in der X-Straße (heute Ferdinand-Freiligrath-Straße) mit dem Abbruch der Häuser am Jacobsplan und am nördlichen Teil der Breitenstraße (heute Friedensstraße) begonnen. Die Umsiedlung der Bewohner war hier besonders schwierig, da es sich meist um Handwerker und Gewerbetreibende handelte.

Den hochgestreckten Planungen zufolge sollten das Gauforum und einige andere 1937 begonnene Gebäude und Ensembles nicht die einzigen Zeugnisse des III. Reiches in Weimar bleiben. Das „Gesetz über die Neugestaltung deutscher Städte" vom 4. Oktober 1937 bildete die Grundlage, nach Hitlers Willen und Wünschen für etwa 40 Städte Neugestaltungspläne auszuarbeiten, gegen die sich die Städte selber nicht wehren konnten.

 
7. Juni 1939

Der „Erste Erlaß des Führers und Reichskanzlers über städtebauliche Maßnahmen in der Stadt Weimar" vom 7. Juni 1939 ermächtigte Reichsstatthalter und Gauleiter Sauckel, „Bereich und Zeitpunkt" für die Neugestaltung Weimars zu bestimmen und die „erforderlichen Vorarbeiten vorzunehmen".

 
27. Oktober 1939

Grundsteinlegung für den Turm am „Gebäude der Reichsstatthalterei und Gauleitung".

 
1. November 1940

Am 1. November 1940 erhielten Hermann Giesler und Stadtbaurat a.D. Prof. Rudolf Rogler die „gewaltigen und monumentalen Bauaufträge" zur Umgestaltung Weimars.

Während die Bauarbeiten als Kriegsfolge Anfang der 40er Jahre schrittweise eingestellt werden mußten, planten Hitler und Giesler noch im Spätsommer 1944 die Anordnung von Parkflächen unter dem „Forumsplatz".

View from above 1993

 
1. Mai 1945

Am Tag seiner Amtseinführung gab der Weimarer Oberbürgermeister und ehemalige Buchenwald-Häftling Dr. Fritz Behr an das Stadtbauamt den Auftrag, umgehend ein Verzeichnis allerseit 1933 um- oder neubenannten Straßen und Plätze der Stadt aufzustellen und neue Namensgebungen vorzuschlagen. Am 4. Mai legte das Stadtbauamt eine Liste vor, die am 19. Mai vom amerikanischen Stadtkommandanten, Major Williams M. Brown, bestätigt wurde. Auf diesem Wege erhielt der Platz Adolf Hitlers den Namen von Karl Marx.

 
19. November 1945

In einem Schreiben von Oberbürgermeister Behr an das Referat Opfer des Faschismus wurde Prof.Hermann Henselmann, der Direktor der im Aufbau befindlichen Hochschule für Baukunst und bildende Künste in Weimar, um Umgestaltungsvorschläge gebeten. Prof. Henselmann veröffentlichte im März 1946 Pläne für eine Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus auf dem Platz. Die Anregung kam von Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald.

 
19. und 25. März 1946

Dieser Plan wurde durch 2 Befehle der Sowjetischen Militär-Administration in Thüringen (SMATh) überholt, die festlegten, dass die SMATh Mitte 1946 mit ihrem Stab das Arkadenhaus, später auch das Turmhaus beziehen würde. Dafür hatten größere Fertigstellungs- und Umbauarbeiten im Inneren sowie die Umgestaltung des Platzes zu erfolgen: Drei Generalszimmer und ein Parkplatz für 300 PKW sollten geschaffen und eine Springbrunnenanlage in Verbindung mit einer Grünfläche errichtet werden. Ende Mai 1947 verfügte der Chef der SMATh zusätzlich die Räumung auch des Stadthauses. Dies stellte die Stadtverwaltung vor so große räumliche Probleme, dass der Oberbürgermeister den Landtagspräsidenten darum bat, Landesbehörden aus der Stadt Weimar auszulagern. Zusätzlich befahl die SMATh die Abriegelung des Karl-Marx-Platzes durch einen 3 Meter hohen Bretterzaun einschließlich zweier eisernerTore zur Innenstadt und zum Bahnhof, die Verschalung der Westseite der Kongreßhalle sowie die endgültige Beseitigung des noch vor dem Stadthaus gelagerten Stein- und Plattenmaterials. Diese Steine wurden schließlich durch die „Baustelle Buchenwald" zur Errichtung der Bauten der Nationalen Mahn-und Gedenkstätte Buchenwald abgeholt und dort verarbeitet.

View from above 1994

 
Herbst 1955 und danach

Auf der östlichen Seite des Karl-Marx-Platzes wurde vor der verschalten Westfront der Kongresshalle ein Stalin-Denkmal aufgestellt. Auf Grund der schlechten Ausführung des bronzierten Gipsabgusses bestand jedoch bereits ein Jahr später die Gefahr, dass die Stalin-Plastik einstürzt. Sie wurde abgetragen.

Der Gedanke, eine Plastik auf dem Platz aufzustellen, wurde vom Beirat für Stadtgestaltung erst 1985 wieder aufgegriffen, als er Weimarer Künstler beauftragte, Konzeptionen für ein Karl-Marx-Monument vorzuschlagen. Der Wettbewerb wurde ohne sichtbare Konsequenzen abgeschlossen.

 
May 1, 1937

By Rudolph Hess the foundation stone of the "Hall of the People’s Community" was laid and the Square had its name changed to "Adolf Hitler Square". Coming from all parts of Germany, 40,000 people participated in the staged mass gathering and its ritualized course of events. For this, the remains of the existing Asbach Valley were lavishly decorated. The front side of the planned hall was built to scale by carpenters and painted over in stone colours, and a forest of flags showed the dimensions of the planned parade grounds. The uniformed masses with their static demeanor adopted the style and diction of the awaited architecture.

 
End of November 1937

The convenient part of the Old City was, during air raid drills, to be evacuated to the area of the "Hall of the People’s Community". In March 1938, after the replacement living quarters on the Falksstrasse and the first houses on the X-Strasse (today Ferdinand-Freiligrath-Strasse) were completed, the demolition of the houses on Jacobsplan and on the northern part of Breienstrasse (today Friedensstrasse) began. The relocation of the inhabitants here was especially difficult since it consisted mostly of craftsmen and businesses.

Accordingly, the testimony of the ambitiously knit plans of the Third Reich would not remain merely the Gauforum and other buildings and ensembles in Weimar. The "Regulations for the New Design of German Cities" from October 4, 1937, built the basis, after Hitler’s will and wishes, for the preparation of the new design of approximately 40 cities, against which the cities themselves could not fight.

City-Map Weimar, today [click to enlarge]

 
June 7, 1939

The "First Permission of the Fuehrer and Chancellor Regarding City Building Regulations in the City of Weimar" from June 7, 1939, empowered the Reich Governor and Gau Leader Sauckel, "arena and time" to approve the new design of Weimar and "to perform the required preliminary work".

 
October 27, 1939

Foundation stone laid for the tower on the "Building for the Reich Governorship and Gau Leadership."

 
November 1, 1940

On November 1, 1940, Hermann Giesler and City Building Commissioner Prof. Rudolf Rogler unveiled the ìpowerful and monumental building commissionsî for the redesign of Weimar.

Even though the construction work had to be gradually pushed back because of the consequences of war at the beginning of the 1940s, Hitler and Giesler still planned late in the summer of 1944 for the arrangement of a parking area under the "Forum Square".

 
May 1, 1945

On the day of his Induction into Office, Weimar’s Mayor and one-time Buchenwald Prisoner Dr. Fritz Behr, gave the City Building Commission the assignment to post a list of all Weimar streets and squares that were renamed as of 1933 or later and to make suggestions for the giving of new names. On May 4, the City Building Commission submitted a list that was approved on May 19 by the American City Commander, Major Williams M. Brown. In this way Adolf Hitler Square received the name of Karl Marx.

View from above 1995

 
November 19, 1945

In a letter from Mayor Behr to the Department of Victims of Fascism, Prof. Hermann Henselmann, the Director of the University for Construction Arts and Fine Arts in Weimar during its reconstruction, was requested to submit renovation suggestions. In March 1946, Prof. Henselmann made public the plans for a memorial on the Square to the victims of fascism. The proposal came from survivors of the Buchenwald Concentration Camp.

 
March 19 and 25, 1946

This plan became outdated by two commands of the Soviet Military Administration in Thuringia (SMATh), which arranged for the SMATh in the middle of 1946 to have its team move first into the arcade house and later into the tower house. For this to be accomplished, large finishing and renovation work in the interior as well as renovation of the Square had to be made: Three general rooms and parking space for 300 automobiles were to be made and a fountain in connection with a green space were to be installed. At the end of May 1947, the Leader of the SMATh also decreed the clearing of the City Council Building. This made such a large problem for the City Council with regard to space that the Mayor asked the State Parliament President to place the regional authorities outside of the city of Weimar. Additionally it fell to the SMATh to cordon off the Karl-Marx Square with a three-meter high wooden fence that included paired iron gates** to the city center and to the train station, the boarding up of the west side of the congress hall as well as the final removal of the stone and wood materials left laying in front of the City Council Building. These stones were finally brought to the "Buchenwald Building Project" for the building of the structures of the Buchenwald National Memorial.

 
Autumn, 1955 and after

On the east side of the Karl-Marx-Square in front of the boarded-up western side of the Congress Hall a Stalin Statue was installed. One year later, on the grounds of a poor bronze-casting, there was the threat that the statue would collapse. It was taken down.

The idea to exhibit a sculpture on the Square would be taken up again by the Advisory Committee for City Design first in 1985, when it commissioned proposals for a concept for a Karl Marx monument. The contest was ended without visible consequences.

Parking Lot 1995

Im Kulturstadtjahr 1999 wurden einige Geschosse der Halle ebenso wie einzelne Räume des „Turmhauses“ zu Ausstellungszwecken genutzt, wobei die Geschichte des Gesamtensembles bewusst ein Teil der jeweiligen Ausstellungskonzeption war.

Derartige Diskussionen über die Halle und deren Zukunft stimulierten von Anfang an auch weiterführende städtebauliche Überlegungen, wie denn in Zukunft mit dem Gesamtensemble „Gauforum“ mitten in Weimar umzugehen sei.

In the Year of the European City of Culture 1999 several floors of the Hall and several rooms of the “Tower House” were used as exhibitions, whereby the history of the total ensemble was a part of the respective exhibition concept.

Such discussions about the Hall and its future stimulated from the beginning, among other continuing city construction considerations, how the totality of the Gauforum in the middle of Weimar should be treated.

Above: view to the west, north and east until 2005    (© Photography Götz Greiner)

 
2005

Das "Gauforum" in Weimar wird von einem Investor renoviert. Der gigantische Komplex wird in eine Shopping Mall mit Büros, Kino, Boutiquen, Fitness Center und Bowling Bahn umgebaut.

http://www.weimar-atrium.de





 
2005

The "Gauforum" in Weimar is being renovated by an investor. The gigantic complex will be turned into a shopping mall with office space, cinema, boutiques, fitness center and a bowling alley.

http://www.weimar-atrium.de





© Public Art @ Bauhaus-Universität

Descriptions:

* Gau: old German for tribal district or region used by the Third Reich to demarcate an administrative district. Forum: old Roman for market place, courthouse, but used in German as a reference to a meeting place for discussion. back to text

** eiserner Tore: the original German text makes subtle allusion here to the separation between east and west during the Soviet occupation of Eastern Germany (eiserner Vorhang). back to text