Beschreibung |
Im Hexentanz von Mary Wigman sucht Wigman mit dem Körper Bewegungsformen, in denen sie ihren Schatten zur Aufführung bringt. Die Suche nach dem Schatten sucht in Gebieten, wo kein Licht hinfällt. Die Suche im Schatten und die Suche des Schattens kann zu einer Kontrastbewegung werden zur vorherrschenden Lichtbild-Kultur in heutigen Kommunikations-, Nachrichten und sozialen Medien, in der die Photogenität von Objekten und Lebewesen zum Schlüsselparadigma und zu einem Kriterium des Ein- und Ausschlusses geworden ist.
Der Schatten ist das auch Gegengebiet zum Licht, so auch zum Licht der Aufklärung, wie überhaupt zum Paradigma des Lichts in der platonisch-christlichen Tradition der abendländischen Kultur. Schatten ist ein abgewerteter Bereich in der abendländischen Kultur. Japan kennt eine solche Abwertung des Schattens nicht (Vgl. z.B.: Tanizaki: Lob des Schattens). Der Schatten ist daher eine Figur der Interkulturalität, des kulturellen Zwischenraums, und auch des offenen Raums in der abendländischen Kultur. Auch aus diesem Grunde interessiert sich die frühe Moderne im 20. Jahrhundert für Formen und Bewegungen jenseits der traditionellen Formen der abendländischen Kultur. Man sucht das Unbekannte, das nicht Erkennbare, den Zwischenraum. Und man sucht ein anderes Wissen, andere Formen und Erscheinungsweisen, man sucht die Grenze, ihre Überschreitung, die Hexe.
Die Hexe ist eine Gegenfigur zur Aufklärung, aber sie ist vielmehr: sie figuriert eine ebenso bestimmte wie unbestimmbare Form von Weiblichkeit bzw. auch komplexer Geschlechtlichkeit. Sie figuriert zugleich eine Figur alternativen Wissens, alternativer Machtbeziehungen. Die Hexe ist eine sehr aktuelle Figur: eine Figur der Angst, der Befreiung, eine Figur der Diversität, der Queerness – vor dem Hintergrund abendländischer Traditionen jedenfalls. In der Hexe vereinen sich Licht und Schatten, Körper, Geschlecht und Geist, Jugend und Alter, Marginalität und Zentrum, Macht und Ohnmacht, das Gute und das Böse, das Wissen und der Aberglaube, Leben und Tod, An- und Abwesenheit. Die Hexe hat eine bestimmte und eine zugleich unbestimmbare Erscheinungsweise und Ästhetik. Sie verweigert die Sichtbarkeit und tritt doch in Erscheinung. Die Figur der Hexe lädt dazu ein, sich selbst zu verkennen, zu verlernen, wer man ist und wie die Welt geordnet ist. Die Hexe ist ein Aufbruch, eine Reise – und eine Form des Wohnens.
Das Projektmodul „ein hexentanz“ umfasst Lehrveranstaltung(en), Ausstellung(en), Performances, Vorträge, Filmvorführungen und Workshops. Es soll ein Feld entstehen, in dem Forschung und Präsentation grenzübergreifend stattfinden und sich ineinander verzahnen, verschieben und verheddern. Ein Gespinst, ein Filz, eine Textur, ein eigener Text in vielen medialen Artikulations- und Aufführungsformen wird zum Jubiläumsjahr 2023 entstehen, der eine so originäre wie originelle Positionsbestimmung von Lehre und Forschung zum Jubiläumsjahr der Bauhausausstellung bilden wird.
In dem Plenum sammeln wir jede Woche die Inputs und Eindrücke aus den zugehörigen Seminaren und Tutorien aus der Woche zusammen und verdichten und brauen sie zu Einsichten, Erkenntnissen, Erfahrungen und Wissen von besonderer Art in unterschiedlichen Medienformaten zusammen.
Vor allem arbeiten wir hier auf die Aufführungen für Summaery und die Bauhaus-Jubiläumswoche hin, bei der wir mit der Klassikstiftung zusammenarbeiten.
Für das Plenum sind einige Wochenendtermine geplant mit Filmen, intensiven Schreibarbeiten und filmischen Workshops u.a. mit der Medienkünstlerin Lea Hopp. |