Beschreibung |
Was heißt es, Akteur:innen, einem Kollektiv, einer Gesellschaft oder einem Staat Souveränität zuzusprechen oder abzusprechen? Welche Vorstellungen davon, was es heißt, souverän zu agieren, sind für unser alltägliches Handeln selbstverständlich geworden? Wann erlauben oder gestehen wir uns zu, unsouverän zu wirken oder müssen diese Einschätzung hinnehmen? Es scheint nicht ohne weiteres möglich, den Selbstanspruch darauf Herr:in der Lage zu sein ohne weiteres von sich zu weisen oder abzugeben, wenn man an sich als einem handlungsfähigen Subjekt, das von sich als Urheber, Autor und Grundlage seines:ihres Lebens ausgeht, festhalten will. Selbst wenn man nicht immer nach Plan vorgeht oder den Umständen geschuldet anders als gedacht vorgeht, erscheint die Auffassung über ein bestimmtes Maß hinaus willenloser Spielball anonymer Kräfte zu sein weder als wünschenswert noch praktikabel noch erträglich. Doch was geschieht, wenn man von sich als einem im Zentrum des Geschehens stehendem Subjekt, das souverän über sich und seine Pläne verfügt und die Lage im Griff hat, absieht und das Subjekt vom (Be)Gehen von Umwegen her versteht? Wer Umwege geht und kennt, geht mit der Angst vor der Zuschreibung der Unsouveränität anders um. Denn wer nicht den linearen Zu- und Durchgriff als conditio sine qua non der Selbst- und Fremdbeherrschung ansieht, sondern das Beschreiten von Umwegen als Operation der unvorhersehbaren wie unverfügbaren Welterkundung versteht, wird eher von Subjektivierung als von Subjekt sprechen. Wer nicht von sich aus Subjekt bereits startet, fragt danach, wie es zu dem Subjekt, von dem man scheinbar als Erstes ausgeht, kommt. Nicht zu wissen, wer man ist und wie man handelt, punktuiert den Anspruch auf Souveräntiät. Immer zu wissen, wer man ist und was zu tun ist, erliegt dem Phantasma ungebrochener Transparanz und Disponibilität. Das Umwegen im verbalen Sinn hingegen einer Operation, Praktik und Technik weist eine eigene Medialität der Unabsehbarkeit auf, weil es Aktuer:innen immer in eine Lage und Situation versetzt, aus der heraus erst Wege als solche gebahnt, gesucht und beschritten werden müssen. Kritik der Souveränität vollzieht sich als Delinearisierung des Denkens, Handelns und Vorstellens. Sie setzt eine Abwegigkeit und Abschweifigkeit in Szene, die die Schwächung von Souveränität von der paranoiden Angst davor, sie zu verlieren, entkoppelt und so ein medial-exploratives Selbst- und Weltverhältnis vertritt. Wer bereit ist Umwege zu gehen, entzieht sich der binären Alternative von Rand und Zentrum und entwickelt stattdessen einen Sinn fürs Randständige und eine Aufgeschlossenheit für Überraschungen, die bei Randgängen auftauchen. Das Seminar widmet sich zum einen kanonischen Texten aus der Theorie zur Souveränität (zB Hobbes, Locke, Loick, Butler) und fragt dann nach einem anderen, umweghaften Diskurs randständiger Desouveränisierungseffekten und -phasen. |