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Lehrgebiet Mediale Systeme I

WS 2008/09 - Aufgabe 4.1b - Weiterführender Text

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Das Farbmodell Johannes Ittens

Die Vielfalt der historischen Farbmodelle ist fast erdrückend und sie auch nur in geringem Ausmaße wiederzugeben würde nicht nur zu viel der Worte sein, sondern auch den einzelnen Werken kaum gerecht werden. Darum erscheint es mit notwendig eine Auswahl zu treffen. Diese Auswahl soll verschiedene Herangehensweisen beleuchten, sowie aufzeigen dass Farbenlehren zu einem gewissen Teil auch daraus bestehen, zu zeigen wo die jeweilige Vorgängertheorie Fehler gemacht hatte.

So richtete sich Goethe (Geboren 1749) in seinen Ausführungen gegen die stur-physikalische Sicht Isaac Newtons, deren Anhänger «Kontrastfarben und Farben blendend heller Lichter als Augentäuschungen betrachteten»1. Goethe versucht Erkenntnisse über die Natur durch Beobachtung selbiger zu gewinnen und studierte die Schriften Da Vincis, der einen ähnlichen Standpunkt vertrat1. Er sah dabei Schwarz und Weiß als die Enden einer Skala an, die in ihrem Inneren die Farben aneinanderreiht. So entstehen Gelb durch Abmilderung von Weiß und Blau aus Schwarz. Zu dieser Erkenntnis kam er durch seine Untersuchung der Leuchtwerte, die ergab dass jede Farbe bei genügender Abdunklung zu Schwarz, beziehungsweise bei Aufhellung zu Weiß wird1.

Doch diesen Hintergrund sah er dabei etwas abgesetzt von den Gesetzen einer Farbharmonie: «Wenn das Auge die Farbe erblickt, so wird es gleich in Tätigkeit gesetzt, und es ist seiner Natur gemäß, auf der Stelle eine andere, so unbewusst als notwendig, hervorzubringen, welche mit der gegebenen die Totalität des ganzen Farbkreises enthält.»(ITT4, S. 21) Dieses Zitat entspricht einer Beschreibung des Sukzessivkontrastes, auf den später genauer eingegangen werden soll und den Newton als Halluzination deklarierte1. Weiterhin befasste er sich mit einer groben Erfassung sogenannter Lichtwerte von Farben, welche heutzutage wohl als Leuchtkraft verstanden werden würde. Er versuchte Selbige nach eigenem Ermessen in Zahlen zu fassen und kam so auf eine Skala, auf die wiederum noch später eingegangen werden wird. Es soll jedoch somit noch einmal verdeutlicht werden, dass Goethe gegen eine rein physikalische Sicht auf die Farben war oder zumindest forderte, dass auch damals für Sinnestäuschung gehaltene Phänomene als vorhanden akzeptiert werden müssten.

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Gezieltere Versuche einer Nomenklatur findet man dagegen in den Ansichten Wilhelm Ostwald (Geboren 1853), der eher für seine Arbeiten in der Chemie bekannt ist. Er ordnete die Farben ebenfalls auf einem Farbkreis an, kombinierte diesen jedoch mit einer Grauwerte-Skala zu einem Doppelkegel,dessen flachen Enden auf einander stehen. Schwarz und Weiß waren die Spitzen des Gebildes während der Farbkreis in der Mitte lag. Seiner Definition, «Angenehm wirkende Farbgruppen nennen wir harmonisch»(siehe dazu ITT, S.21) , folgend, sowie da er Harmonie zusätzlich mit Ordnung gleichsetzt, gelangt er somit zu der Aussage, dass Harmonische Farbmischungen vor allem entweder in einer Ebene des Doppelkegels senkrecht zu dessen Achse («Harmonien aus verschiedenen Farbtönen») oder in einem Dreieck aus einer Farbe des ursprünglichen Farbkreises sowie Schwarz und Weiß, also den Spitzen des Doppelkegels («farbtongleiche Harmonien»), zu finden sind2.

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Trotzdem geht er von einer hauptsächlich subjektiven Sicht auf Harmonien aus. Dem entgegengesetzt sind die Bemühungen Johannes Ittens (Geboren 1888), auf die ich zum Abschluss dieses kleinen Überblickes etwas genauer eingehen will, da sie mir bekannt wurde als bestehendes System, wonach mir beigebracht wurde dass sie längst veraltet sei, was ich nach Selbststudium der Schriften jedoch nicht mehr bekräftigen kann.

Dass Zitate zu Goethe und Ostwald aus einem Buch von Itten herausgenommen wurden, ist bereits ein Anzeichen dafür, dass jener sich mit Selbigen beschäftigt und Stellung zu deren Theorien bezogen hat.

Es ist jedoch bei allen hier vorgebrachten Vorstellungen zu bedenken, worauf sie sich beziehen. So versucht Itten lediglich Regeln aufzustellen um einem Künstler dabei zu helfen sein Werk farblich vorzubereiten und bezieht sich somit nur und ausschließlich auf die pigmentäre Farbmischung, vor allem den Umgang mit dem Pinsel. Ein Versuch seine Anweisungen auf Bildschirme oder Druckmedien zu übertragen erscheint in meinen Augen weniger sinnvoll und bringt deswegen auch vor allem missverstandene Kritik hervor3.

Ittens Harmonievorstellung gründet dabei durchaus auf der von Ostwald, er versucht jedoch dessen Ordnung genauer zu fassen und schlägt ein System von Farbklängen vor. Dazu gibt er einen Ringförmigen Farbkreis vor, der auf seinen Hauptfarben Rot, Gelb und Blau besteht. Er wählt dabei diese Farben, da er der Meinung ist jene seien an sich statisch und hätten einen «unverwechselbaren Charakter» (ITT S.22). In diesen Ring legt er nun ein gleichschenkliges oder gleichseitiges Dreieck und erklärt dass die Farben, auf die die Ecken der Form zeigen, einen harmonischen Farbdreiklang bilden. Form deshalb, man auf gleiche Weise Vier- und noch höhere Klänge mit Rechtecken/Quadraten bilden kann. Er schlägt mit dieser Farbakkordik damit bewusst eine Brücke zur Musik, hat er an anderer Stelle doch schon bereits hervorgehoben, dass «[d]as Schwingungsverhältnis von Rot zu Violett (...) ungefähr 1:2 [ist], also dasjenige der Oktave.»(ITT, S. 16)

Dazu muss weiterhin gesagt werden, dass sein Begriff der Harmonie sich nicht auf subjektive Empfindungen stützt, sondern auf die Aussagen des Physiologen Ewald Hering. Ihm zu Folge versucht das Auge einen Zustand herzustellen, in dem der Verbrauch der Sehsubstanz gleich ist der Produktion Selbiger, was bei einem neutralen Grau der Fall sei (siehe dazu ITT, S. 20). Dadurch ließen sich der Sukzessiv- und der Simultankontrast erklären, auf die Itten eingeht um zu beschreiben, wie Farben zueinander wirken.

Ittens Farbenlehre baut nämlich genau auf diese Wirkung der Farben zueinander auf und versucht nicht sie in eine gemeingültige Nomenklatur zu bringen wie dies moderne Systeme wie RGB versuchen. Dabei unterteilt er nicht in Richtig oder Falsch, sondern führt sogar aus dass eine bewusste Brechung der Harmonie vom Künstler genutzt werden kann um eine Reihe von Effekten beim Betrachter zu erzielen, wie dies vor allem im Expressionismus angewandt wurde (siehe dazu ITT, S. 21).

Um die Farbwirkung nun also sozusagen vorauszuberechnen, stellt er sieben Farbkontraste vor, also sieben Gegebenheiten die man bei der farblichen Komposition eines Bildes beachten sollte. Er weißt zugleich jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Intuition des Künstlers es gerade ist, was das Werk ausmacht, die Regeln sind eher als Hilfestellung anzusehen (ITT, S. 29).

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Zur einfacheren Verinnerlichung sollen jene Kontraste hier jedoch nur sehr knapp ausgeführt werden. Dies sind:

  1. Farbe-an-sich-Kontrast

    Entsteht durch gleichseitige Farbakkorde (s.o.) auf de Farbkreis, wobei Rot-Gelb-Blau die stärkste Wirkung erzielt.

  2. Hell-Dunkel-Kontrast

    Kontrast zwischen hellen und dunklen Farben, zum Beispiel Gelb und Blau

  3. Kalt-Warm-Kontrast

    Kontrast zwischen kalten und warmen Farben, zum Beispiel Blau und Rot

  4. Komplementär-Kontrast

    Farben die im Farbkkreis gegenüberliegen

  5. Simultan-Kontrast

    Beschreibt den Effekt, dass das Auge zu jeder Farbe versucht die Komplementärfarbe zu finden und notfalls eine solche Farbempfindung auf einer neutralen Fläche entstehen lässt. So erscheint ein graues Quadrat in einer roten Umgebung leicht grünlich (ITT S. 52).

  6. Qualitäts-Kontrast

    Dies ist der Kontrast zwischen einer reiner Farbe und deren getrübte Abstufungen. Eine solche kontrastreiche Trübung entsteht durch Beimischung von Schwarz, Weiß, Grau oder der Komplementärfarbe (ITT S. 55f). Er ist in gewisser Weise so verwandt mit dem Farbe-an-sich-Kontrast, der sich auf kontrastreiche Klänge auf dem Farbkreis bezieht.

  7. Quantitäts-Kontrast

    Farben haben umso mehr Einwirkung auf das Bild, je großflächiger sie verwendet werden. Allerdings muss hier zwischen den einzelnen Farben unterscheiden, da Gelb zum Beispiel eine sehr dominierende Farbe ist. Hier greift Itten auf Goethes Lichtwerte-Skala (s.o.) zurück:

    Gelb Orange Rot Violett Blau Grün
    9 8 6 3 4 6

    Um ein harmonisches Flächenverhältnis von Gelb und Violett herzustellen, daher dass die Farben ausgewogen erscheinen, benötigt man somit ungefähr (9 : 3 =) drei mal so viel Violett wie Gelb.

Nicht hier aufgeführt ist der Sukzessiv-Kontrast, der dem Simultan-Kontrast sehr ähnlich ist, aber für die Kunst keine so große Bedeutung hat, da er nur schwer zu fassen ist. Er führt die Nachbilder auf, die in unserem Auge entstehen, wenn wir in ein Licht geblickt haben oder, viel geringer, auf eine farbige, leuchtende Fläche. Jene Nachbilder erscheinen stets in der Komplementärfarbe des Lichtes.

Weiterhin sollte bedacht werden dass dies lediglich ein verallgemeinernder Überblick ist. Itten geht in seinem Werk anschließend noch weiter auf spezielle Anwendungsformen wie den Expressionismus (ITT S. 83) und den Impressionismus (ITT S. 79) ein, auf deren Wiedergabe hier aber genau so verzichtet werden soll wie auf die Darstellung der Farbkugel (ITT S. 66), die Ostwalds Farbkegeln vom Prinzip her ähnlich ist. Eine Aussage darüber welches System besser oder falsch ist, traue ich mir hier nicht zu.

Und so hoffe ich, dass ich zeigen konnte, dass auch dieses historische System durchaus noch nicht als einfach falsch abgestempelt werden sollte. Es mag zwar nicht im Allgemeinen gelten, aber das war auch nie seine Absicht.

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    Quelle: Sölch, Reinhold "Neue Erkenntnisse über Goethes Farbenlehre" http://www.farbenlehre.com/goethe/WeitereInfos.htm (Stand: 25.11.2008)
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    Quelle: Sommer, Katrin: "Wilhelm Ostwald und die Farbenlehre" http://www.friedrichonline.de/pdf_preview/d510052_4444.pdf (Stand: 25.11.2008)
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    Beispiel dazu: Küppers, Harald "Küppers´ Farbenlehre - Kritischer Rückblick auf Ittens Farbenlehre" http://www.ipsi.fraunhofer.de/Kueppersfarbe/de/theorie41.html (Stand: 25.11.2008)

    Literaturangaben:
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