»Die Entdeckung des Wertlosen«

Sommer 2006
Fotografie | Konzept | Ausstellung | Katalog
Visuelle Kommunikation
Bauhaus-Universität Weimar
Leitung: Prof. Hermann Stamm; Dipl.-Des. Götz Greiner

Um Wertloses entdecken zu können, sollte zunächst die Bedeutung des Begriffs „Wert“ geklärt werden. Was als wertvoll oder wertlos beurteilt wird, ist in verschiedenen Kulturen und Gesellschaftsformen unterschiedlich bestimmt. Die technische, ökologische und insbesondere die soziologische Entwicklung sowie die politische oder religiöse Einflussnahme geben immer wieder Anlass, auch in relativ kurzen Zeiträumen, die jeweilige Begrifflichkeit und Bedeutung des entwickelten Wertesystems zu hinterfragen. Neben dem reinen Sach- oder Warenwert können wir auch z.B. den ideellen Wert eines Kunstwerkes beurteilen oder Freunde schätzen und ihren Rat als lieb und teuer beurteilen.

In der thematischen Auseinandersetzung war gefordert, sich mit den unterschiedlichen Begrifflichkeiten von Werten auseinander zu setzen und schließlich in Verbindung mit dem Medium Fotografie neue Assoziationsketten aufzuzeigen.

Zur Aufarbeitung ihrer Themen nutzten die Studierenden Möglichkeiten der narrativen Fotografie, des Bildjournalismus, der Dokumentarfotografie, der Sachfotografie, um nur einige Bereiche der Fotografie anzusprechen. Exemplarisch sollen hier einige Arbeiten herausgegriffen und vorgestellt werden.

Anja Endter und Michaela Frenzel gingen auf "Spurensuche", so der Titel ihrer Arbeit. Der Schmutz, so stellten sie fest, verschwindet innerhalb von Sekunden im Abfluss – und schon ist alles wieder sauber und rein. Jedoch: Erfordern die weggespülten Substanzen vielleicht nähere Betrachtung? Wertloses wird in den Untergrund gespült, sei es pflanzlichen, tierischen oder menschlichen Ursprungs. Am Ende ist alles gleich.

Mit einem „Augenzwinkern“ näherte sich Ingo Schiller der Frage an, welchen Wert ein Tier für den Menschen hat. Inwiefern können Tiere als lebende Statussymbole angesehen werden? Was ist von Beschützerinstinkten zu halten? Was bedeutet es, ein Tier anzuschaffen beziehungsweise es zurückzulassen? Er fotografiert nüchtern und objektiv die Käfigbeschriftungen im Tierheim, um sie dann mit Selbstinszenierungen in unterschiedlichsten Hund-und-Herrchen-Posen in Kontrast zu setzen.

Jakob Hoff nähert sich in seiner Arbeit „Agnes“ auf berührende Weise seinem Kindheits-Ferienort. Die Werte, die er entdeckt hat, schildert er mit seinen eigenen Worten: „… Sechs, sieben Jahre waren vergangen, doch die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Als bei der Bäuerin Agnes die Tür auf ging, war alles wieder wie früher. Ich blieb ein paar Tage und half ihr mit den Schweinen, Enten, Hühnern und Katzen, hackte Holz für den Winter und so weiter. Agnes ist 79 Jahre alt. Der Gemüsegarten muss gegossen werden, das lange Gras hinterm Haus gemäht. Von einer Gesellschaft, in der es scheinbar immer weniger Arbeit gibt, bekommt Agnes nicht viel mit. Sie hat kaum Zeit fürs Fernsehen, geht früh zu Bett und steht früh auf. Bald darauf riecht es aus der Küche nach kochenden Kartoffeln.“

Anett Jahn inszeniert sich in Orten ihrer Kindheit, nicht irgendwelchen, sondern den täglich besuchten Räumen ihrer ehemaligen, seit Jahren leer stehenden Schule und stellt sich den Erinnerungen. Das Land, in dem sie lebte, hat die Zeit nicht überdauert, Werte, die damals vermittelt wurden, stellen sich in Frage. Mit ihrer Arbeit reflektiert Anett Jahn einen Teil ihrer Kindheit, der durch den Wandel des Gesellschaftssystems auch den damit verbundenen Wertewandel, die eigenen, persönlichen Bewusstseinsstrukturen beeinflusst.

Ausstellung zur Orbit 2006

Eine repräsentative Auswahl der Fotoarbeiten wurde zum internationalen Kongress „Orbit 2006 – Biological Waste Management“ in Weimar gezeigt. Die Konferenz in Weimar widmete sich der Ressource Biomasse, d.h. der weltweiten Gewinnung alternativer Energie aus organischen Stoffen.

Katalog

Anlässlich der Ausstellung wurde ein Katalog mit allen beteiligten Arbeiten herausgegeben, der beim Universitätsverlag der Bauhaus-Universität unter der ISBN 978-3-86068-290-6 erhältlich ist. Für die Gestaltung des Kataloges engagierten sich Katja Claus, Andreas Heintzel und Götz Greiner.

Katalog „Die Entdeckung des Wertlosen“ (PDF 2,5 MB)


Text: Hermann Stamm, Götz Greiner, Martina Sauer

© Götz Greiner 2008