Länderfaschistenverteilung
Tusche auf Papier 20*40 cm
2016/2017

Bei Anna Härtelts 22-teiliger Serie handelt es sich um panoramatisch-querformatige Tuscharbeiten, die in Brand gesteckte Flüchtlingsunterkünfte zeigen. Durch die Beschränkung auf Schwarz-Weiß spielen sie auf die zugrundeliegenden Pressefotografien an, zugleich verwandeln sie die Motive in eine Form der Malerei, die die besonderen Möglichkeiten der Tuschemalerei virtuos einsetzt, insbesondere den harten Kontrast zwischen deckendem Schwarz und blendendem Weiß, einem Weiß, das deshalb so blenden kann wie Licht oder Feuer, weil es keine aufgetragene Farbe, sondern lediglich hervorblitzender Bildgrund ist. Umgekehrt ist die schwarze Tusche nicht bloße eine Farbe, sondern vor allem eine Schwärzung des Papiers. So wie die Helle des Blattweißes ins Feuerglühen übergeht, so die Schwärze in den Ruß, der die Fassaden oder die verkohlten Balken der ruinierten Gebäude bedeckt. Das Spektrum der 22 Blätter ist weit, gewisse Bilder führen das Motiv ins Abstrakte, andere wiederum erinnern ihrer biederen Gegenständlichkeit ans hobbymalerische Festhalten ländlicher Heimeligkeit. Ein abgründiges semantisches Gleiten stellt sich ein zwischen alten Postkarten von Ferienhausidyllen, provinzieller DDR-Architektur der 1950er Jahre, Görings Landhausromantik und dem brutalen neonazistischen Widerstand gegen die deutsche Flüchtlingspolitik. Durch Anna Härtelts fließende Tusche verbinden sich diese heterogenen, aber miteinander verkoppelten Sinnschichten zum unheimlichen Amalgam.

Michael Lüthy